Kreis Germersheim Wörth: Teilhabezentrum eröffnet - Hilfe für psychisch Kranke

Stehen nur ausnahmsweise im Teilhabezentrum am Herd (von links): Thomas Hehr und Gaby Kuntz, beide Fachbereichsleiter, sowie Bea
Stehen nur ausnahmsweise im Teilhabezentrum am Herd (von links): Thomas Hehr und Gaby Kuntz, beide Fachbereichsleiter, sowie Beate Möhlig, Leiterin des Wohnbereichs in Wörth.

Das Teilhabezentrum kümmert sich darum, dass psychisch Erkrankte nach der Klinik behutsam in das Leben zurückfinden. Die Besucher wohnen dezentral in Alt-Wörth und kommen täglich in die Forlacher Straße. Am Freitag wurde das Zentrum offiziell eröffnet.

Wenn ein lautes Motorrad mit röhrendem Auspuff beklemmende Angst erzeugt, kann der Weg zum Supermarkt eine unüberwindbare Hürde sein. Doch wenn man an die Hand genommen wird und schützende Nischen aufgezeigt bekommt – dann ist der Einkauf doch möglich. Dieses An-die-Hand-nehmen übernimmt das Team des neuen Teilhabezentrums in Wörth und hilft psychisch Kranken so zurück in das alltägliche Leben.

Hauptsächlich Schizophrenie-Erkrankte

Schon seit Oktober 2018 sind nach und nach die meisten der 20 Bewohner in die sechs Wohnungen eingezogen. Die drei Frauen und 17 Männer sind zwischen 30 und 77 Jahre alt. Ihre Gemeinsamkeit: Die vergangenen Jahre haben sie wegen einer seelischen Beeinträchtigung im Pfalzklinikum in Klingenmünster oder dessen Wohnheim verbracht. Sie leiden vor allem an Schizophrenie in Kombination mit einer anderen Erkrankung wie Alkoholismus oder Borderline. „Den Umzug nach Wörth haben die meisten als Befreiung empfunden“, sagt Beate Möhlig, Leiterin des Wohnbereichs. Nun werden auch neue Interessen geweckt: Ein Mann, der jahrelang von der Klinikküche versorgt wurde, steht leidenschaftlich gerne am Herd und bekocht andere Bewohner. Auf dem Speiseplan stand Linsensuppe aus der Dose schon genauso wie Hühnchen mit Soße und Nudeln. „Wir sind selbst überrascht, welche Möglichkeiten sich eröffnen“, sagt Gaby Kuntz, Fachbereichsleiterin Wiedereingliederung.

Chemie und Beziehung

Diese Chance auf ein eigenständigeres Leben haben die Bewohner unter anderem dem Bundesteilhabegesetz zu verdanken: Dem zufolge soll von stationärer Betreuung – wenn möglich – immer weiter abgerückt werden. „Selbstbestimmtheit steht ganz oben“, sagt Kuntz. Dabei gibt es zwei Säulen: Chemie und Beziehung. Denn die Medikamente stützen zwar den Menschen und sorgen für psychische Stabilität, erläutert Thomas Hehr, Fachbereichsleiter Wiedereingliederung. Doch die „anderen 50 Prozent“ machten die persönlichen Beziehungen und eine individuelle Begleitung aus. Das Teilhabezentrum ist an sieben Tagen geöffnet. Nachts gibt es einen Bereitschaftsdienst, der per Anruf alarmiert werden und innerhalb von 15 Minuten alle Wohnungen in Alt-Wörth erreichen kann. Morgens geht es zunächst um die Einnahme von Medikamenten – entweder schon im Zentrum selbst, oder noch in der eigenen Wohnungen. Dann unter Aufsicht des Fahrdienstes, der zum Beispiel auch den 77-jährigen Herren beim Ankleiden und Frühstück unterstützt. Den Vormittag und Nachmittag verbringen die Bewohner im Zentrum, mittags wird mit und für einen Teil gemeinsam gekocht. „Alles ist erstmal eine Herausforderung“, sagt Möhlig. Für jemanden mit einer starken Angststörung kann das eben der alleinige Weg zum Einkaufen sein.

"Wir reden zu wenig darüber"

Freitags gab es im Teilhabezentrum in der ehemaligen Schreinerei in der Forlacher Straße nur noch Stehplätze: Bei einem Fest zur offiziellen Eröffnung sprachen unter anderem Vertreter des Pfalzklinikums wie Geschäftsführer Paul Bomke sowie der Kreisbeigeordnete Christoph Buttweiler (CDU) und Bürgermeister Dennis Nitsche (SPD). „Danke, dass sie unsere Stadt ausgesucht haben“, sagte er. Etwa ein Drittel der Bevölkerung komme im Laufe seines Lebens mit psychischen Problemen in Kontakt. „Wir reden zu wenig darüber“, jeder könnte einmal betroffen sein. Für die Bewohner des neuen Zentrums geht es weiter darum, sich einzuleben, gemeinsame Aktivitäten zu planen. „Es bleibt bei 20, das Projekt soll nicht erweitert werden“, sagt Kuntz. Allerdings können die Bewohner wechseln: Manchmal gelingt es, dass jemand noch eigenständiger leben und selbst eine Wohnung anmieten kann, sagt Hehr. Dann schaut nur noch der ambulante Wiedereingliederungsdienst vorbei und der Sprung in den Alltag ist geschafft.

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