Kreis Germersheim Wörth: Schüler reden über Klimaschutz vor Ort mit

Der passende Rahmen für ein ernsthaftes Gespräch: Die Jugendlichen diskutierten im Sitzungssaal des Rathauses.
Der passende Rahmen für ein ernsthaftes Gespräch: Die Jugendlichen diskutierten im Sitzungssaal des Rathauses. Foto: van

Interessierte Schüler, aktive Fridays-for-Future-Demonstranten und die Stadtspitze von Wörth, allen voran Bürgermeister Dennis Nitsche (SPD) tauschen sich über Klimaschutz aus. Die Erwartungen an die Verwaltung sind groß. Der politische Nachwuchs ist begeistert, mitreden zu dürfen.

Rund 60 Schüler der drei weiterführenden Schulen in Wörth strömen mit ihren Lehrern in den Sitzungssaal des Rathauses. Bürgermeister Dennis Nitsche (SPD) hat sie zu einer Diskussionsrunde über Klimaschutz und Engagement eingeladen. „Normalerweise ist der Altersdurchschnitt der Ratsmitglieder bei knapp 65, wenn ich hier sitze“, sagt er zu Beginn. Und dass er sich freuen würde, wenn sich die Jugendlichen artikulieren. Die nächsten zwei Stunden tun sie das dann auch.

„Jugendliche für Gremienarbeit zu motivieren, ist schwierig. Nicht nur hier, sondern bundesweit“, sagte Jeannette Burkhardt noch kurz vor der Veranstaltung. Sie ist für das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ hier und Ansprechpartnerin für Projektgelder, die zivilgesellschaftliche Programme fördern sollen. Zielpublikum sind im besonderen Kinder und Jugendliche. Sogar eine App namens Yovo wurde entwickelt, um die Beteiligung von Jugendlichen an kommunalen Themen anzuschieben.

App für Jugendliche bei Zielgruppe unbekannt

Was so modern klingt, ist dennoch nicht einfach. So war Burckhardt im Europa-Gymnasium, ließ über die Klassenlehrer Informationen verteilen und im Schulhof ein riesiges Werbebanner für Yovo aufhängen. Einige Zeit später hakte sie im Rahmen einer Aktion im Schülercafé bei den Schülern nach: „Ich schwöre, alle fragten 'was ist das für eine App?' Das heißt, wir müssen die Ansprache der Jugendlichen grundsätzlich neu denken“, stellt sie Bisheriges in Frage.

Auf einem Tisch liegt Werbematerial. Bienenblumensamen, Bleistifte, Aufkleber, Kühlschrankmagnete, Kulis und Mouse-Pads. Die Kulis sind am begehrtesten. Die handelsüblichen Pads hingegen scheinen für die heutige Konsolen-Generation wenig attraktiv, da sie keine Gästehandtuchgröße haben. Allenfalls ein Lehrer greift mal zu. Die Veranstaltung hingegen ist griffiger.

Nitsche wird akzeptiert, ohne sich anbiedern zu müssen. Reaktionen und Aufmerksamkeit der Schüler signalisieren: Der Mann kommt ehrlich rüber und nimmt die Schüler ernst. Zur Einführung wird ein kurzer Film über den aktuellen Stand der Klimaforschung gezeigt. Nüchtern im Ton, aber dramatisch in den zu erwartenden Konsequenzen. Jana Cappel von der Stabsstelle Nachhaltige Stadtentwicklung referiert über die Erfolge der vergangene Jahre, Nitsche und sein Beigeordneter Thomas Krämer stellen die geplanten Klimaschutzmaßnahmen vor, die der Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt und Mobilität unter Krämer am Vorabend beschlossen hat und in anderthalb Wochen auf der Stadtratssitzung beraten werden wird. Immer wieder gibt es Zwischenfragen und Anregungen aus der Runde, keine bleibt unbeantwortet.

Veranstaltung wird spontan verlängert

In zwei Workshops erarbeiten die Schüler anschließend umwelt- und klimapolitische Erwartungen an sich und die Verwaltung. Als die Diskussion aufgrund des nahenden offiziellen Endes zu kurz geraten könnte, hängt Nitsche noch 20 Minuten dran. Irina Müller aus Landau ist sehr angetan. Die 20-Jährige ist Gast für die Landesgruppe Südpfalz von Fridays for Future: „Für so eine Veranstaltung gibt es Bedarf. Es ist unfassbar wertvoll, konkret mitarbeiten zu können und anders, als nur auf der Straße zu stehen. Man muss selbst viel mehr in die Verantwortung, als sich nur über die Unfähigkeit eines Klima-Kabinetts zu beschweren.“ Auch die 17 Jahre alte Abiturientin Souleicha findet die Runde gut. Nicht nur Friday for Future, sondern auch ihr Freundeskreis habe sie bewusster für das Thema gemacht. Inzwischen gibt sie im Jugendtreff ihrer Moschee regelmäßig Klima- und Umweltinformationen an Kinder weiter.

Gegen Ende wird Nitsche neugierig und fragt in den Saal, wer denn schon ein eigenes Auto habe. Sechs, sieben Hände gehen hoch. Den Führerschein wiederum haben sogar die meisten der jungen Leute. Am Ende fordert er die Jugendlichen dazu auf, mit ihm und Krämer in Kontakt zu bleiben: „Wir haben beide Email-Adressen, einfacher geht es nicht!“ Kurz vor dem Ende noch eine Frage an Muhammet (18) aus Kandel. Hat er nach dieser Veranstaltung ein schlechtes Gewissen wegen seines Autos? „Ich verkauf's!“ Er lächelt.

Zur Sache: Was die Stadt Wörth fürs Klima tun will

Der Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt und Mobilität hat am Donnerstag über ein Maßnahmenpaket zum Klimaschutz und Nachhaltigkeit beraten, über das der Stadtrat Ende Oktober entscheiden soll. Im Kern heißt das: Energie sparen, mehr Strom und Wärme selbst produzieren und mehr Grün. Hervorgegangen ist dies aus einem gemeinsamen Antrag der rot-grünen Koalition im Stadtrat.

Dazu ist die „Neue Energie Wörth GmbH“ in Gründung: Dieses gemeinsame Unternehmen der Stadt und der Pfalzwerke soll Strom mit Solaranlagen auf Gebäuden der Stadt und der Wohnbau erzeugen. Das Nahwärmenetz in Wörth – zwei Kraftwerke am Badepark und an der Kastanienstraße versorgen zahlreiche öffentliche Gebäude und Wohnblocks – soll erweitert werden, ein neues Nahwärmenetz soll in Maximiliansau entstehen: Die geplanten Wohngebäude auf dem „Kappelmann-Gelände“, Wohnblocks an der Nachweide und an der Sparbenhecke und mehrere öffentliche Gebäude wie die Hallen oder die Tullaschule sollen daran angeschlossen werden.

In Schaidt könnte eine „Biomasse-Pyrolyse-Anlage“ entstehen, in der aus Hackschnitzeln und anderen Holzabfälle bei hohen Temperaturen Holzkohle, Strom und Wärme gewonnen werden sollen – sie wäre abgesehen von einer Pilotanlage in Eberswalde in Brandenburg die erste Anlage dieser Art in Deutschland, so Bürgermeister Dennis Nitsche (SPD) zur RHEINPFALZ.

Modernisierte Gebäudetechnik und Leuchtdioden zur Beleuchtung von Gebäuden und Straßen soll Energie sparen. Außerdem sollen Heizung, Lüftung und Warmwasser städtischer Gebäude aus der Ferne gesteuert werden können (Gebäudeautomation), öffentliche Gebäude nur noch auf 20 Grad geheizt werden – außer den Schwimmbädern.

Bei allen Neubauten der Stadt sollen Fassaden und Dächer möglichst begrünt werden. Privaten Bauherren soll in Bebauungsplänen energiesparendes Bauen vorgeschrieben, Steingärten ausgeschlossen werden. Mindestens 1000 Bäume sollen im Stadtgebiet gepflanzt, der Wörther Altrhein „revitalisiert“ und die Kehle in Maximiliansau gepflegt werden, um das Mikroklima zu verbessern.

Zur Reduzierung von Plastikmüll soll der Bußgeldrahmen für Verschmutzungen im öffentlichen Raum ausgeschöpft werden – das Ordnungswidrigkeiten-Gesetz sieht bis zu 55 Euro Bußgeld vor. Durch eine Informationskampagne soll der Verbrauch von Plastiktüten und Einwegbechern sinken. Für ihren Fuhrpark will die Stadt vorrangig Elektrofahrzeuge anschaffen, ansonsten Fahrzeuge mit Hybrid- oder Gasantrieb.

Im gesamten Stadtgebiet soll mit wenigen Ausnahmen Tempo 30 gelten, sogar Tempo 10 vor Kindertagesstätten und Schulen, aber auch in der Ludwigstraße in Wörth zwischen den beiden Kirchen. Die Einrichtung von Fahrradstraßen in Teilen der Eisenbahnstraße in Maximiliansau und in der Wörther Ottstraße soll geprüft, das Parken soll „in zentralen Ortslagen“ neu geordnet werden. Das Verkehrsaufkommen vor Schulen soll vermindert werden und es soll bessere Radwege und Fahrradabstellmöglichkeiten geben.

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