Kultur Südpfalz Vertrautes neu und auf bewegende Weise anders

In den 1960er-Jahren machten die „Swingle Singers“ Furore, indem sie polyphone Instrumentalmusik in zuweilen artistischer Manier einzig mit Singstimmen darstellten. Landesposaunenwart Christian Syperek und sein Pfälzisches Blechbläserensemble bespielen mit ihrem aktuellen Programm sozusagen den entgegengesetzten Weg: In der gut besetzten Stiftskirche überzeugte die landeskirchliche Konzert-Formation am Freitagabend unter anderem mit faszinierenden Übergriffen aufs Vokalmusik-Genre.

Die „Musik für Blechbläser zur Passionszeit“, wie der Untertitel des Konzerts lautete, spannte zwischen den barocken Eckpfeilern Pachelbel und Bach einen weiten epochalen Bogen bis in die Moderne. Sie prunkte bei ihren Ausflügen zu den Nachbardisziplinen Vokal- und Orgelmusik selbstbewusst mit den Segnungen einfühlsamer Arrangements. Wobei sich das Eingangsstück, die achtstimmige Motette „Tröste, tröste uns Gott“ von Johann Pachelbel noch quasi eins zu eins übertragen ließ. Und der „verlorene“ Text wie bei den Folgestücken verschriftlicht mitzuverfolgen war. Zeitgenössisches war vertreten durch die dichtgewebte Choralfantasie „Wer nur den lieben Gott lässt walten“ von Stefan Mey und den Eingangssatz des „Pia Memoria“ von Knut Nystedt, das schwerblütig düstere „Requiem aeternam“. Hier entrollten die vierzehn Bläser voluminöse Klangteppiche von sinfonischer Vehemenz, ohne dabei die achtsam präzise und dynamisch abgerundete Gestaltung zu vernachlässigen. Der romantische Mittelblock ließ mit Gabriel Faurés elegisches „Pavane“ op. 50 im Arrangement von Alan Fernie und der Motette „Richte mich, Gott“ von Felix Mendelssohn gewaltig aufhorchen. Im fantastisch eindringlichen, dynamisch weitgefächerten Edelklang der blendend interagierenden Bläserformation begegneten einem die vertrauten Stücke neu und auf bewegende Weise anders. Gleiches gilt für Johann Sebastian Bachs berühmtes Choralvorspiel „Wachet auf, ruft uns die Stimme“ aus der Schübler-Sammlung und „Ich ruf zu dir, Herr Jesu Christ“ (Orgelbüchlein) in den kongenialen Übertragungen von Enrique Crespo. Spätestens da zog man innerlich den Hut vor der makellosen spiel- und atemtechnischen Hochleistung des uneingeschränkt professionell agierenden Ensembles. Syperek hatte im Übrigen seinen Bläsern durch Erläuterungen zu den Werken geschickt kleinere Atempausen im anstrengenden Dauereinsatz verschafft. Der eigentliche Clou kam zum Schluss. Johann Sebastian Bachs fünfstimmige Motette „Jesu, meine Freude“, das programmatische Motto des Programms, war - zumal nach einstündiger Hochleistung - die eigentliche Herausforderung. Matthias Jann hatte das Opus Magnum der A-Cappella-Literatur notentextgetreu arrangiert, dabei Architektur, Farbspektren, und motivische Fortspinnungen geschickt ausgestellt. Kleinere Ermüdungserscheinungen bei den Terzetten seien nicht verschwiegen. Ansonsten aber übersetzte das Pfälzische Blechbläserensemble die in Teilen hochkomplexe Polyphonie zu einem virtuos bewegten, vital korrespondierenden und aufregenden Klangerlebnis. Musikalischer Hochleistungssport und für den Hörenden einfach nur schön. Als Zugabe für großen Beifall gab es noch einen Bach’schen Brillanten aus den Schübler-Chorälen: „Jesus bleibet meine Freude“.

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