Kreis Südliche Weinstraße Stätte der Ewigkeit und des Lebens

Die Schülerinnen haben sich das Pflege-Projekt auf dem jüdischen Friedhof selbst ausgesucht.
Die Schülerinnen haben sich das Pflege-Projekt auf dem jüdischen Friedhof selbst ausgesucht.

Ausgestattet mit Bürsten, Schwämmen und Wassereimern, machten sich gestern Morgen elf Mädchen – alle Schülerinnen der Maria-Ward-Schule in Landau – zum ersten Mal auf den Weg nach Essingen, um den jüdischen Friedhof wieder neu erstrahlen zu lassen. Sie befreiten die Grabsteine von Moos und Grünzeug, damit die Grabbeschriftungen wieder besser lesbar sind. Die Saubermach-Aktion läuft unter dem Dach des Jugendverbandes der Gemeinschaft Christlichen Lebens Landau. Begleitet wurden die Mädchen von der Jugendreferentin der Katholischen Jugendzentrale Landau, Regina Pfiester. In der Woche vor den Sommerferien wohnen die Mädchen in den Räumen des Verbandes, gehen in der Regel morgens zur Schule und versorgen sich selbst. Doch auch das ehren-amtliche Engagement der jungen Menschen soll in dieser Woche nicht zu kurz kommen. „Die Mädchen erlenen im Miteinander Gemeinschaft und ihren persönlichen Glauben reflektiert zu leben sowie Verantwortung für sich und andere zu übernehmen. Gemeinsam engagieren sie sich für die Gerechtigkeit und für die Gestaltung von Schule, Kirche und Gesellschaft“, sagte Regina Pfiester. Die Schülerinnen hatten sich selbst dafür entschieden, in dieser letzten Schulwoche Pflegearbeiten auf dem alten jüdischen Friedhof zu übernehmen. Dieser sei 1618 als Verbandsfriedhof angelegt worden, berichtete Christa Wipplinger aus Essingen, die sich ehrenamtlich um den Erhalt und die Pflege des wichtigen Kulturdenkmals kümmert. Auf dem Friedhof haben rund 30 umliegende jüdische Gemeinden ihre Toten beigesetzt, darunter Altdorf, Arzheim, Böbingen, Böchingen, Burrweiler, Diedesfeld, Edenkoben, Edesheim, Freimersheim, Gommersheim, Kirrweiler, Maikammer und Venningen. Der alte Teil des Friedhofes hat eine Fläche von knapp 86 Ar. Heute sind noch etwa 1660 Grabsteine (Mazewot) erhalten. Der älteste Stein stammt aus dem Jahr 1647. Die ältesten Steine sind noch relativ gut erhalten, während jene aus dem 19. Jahrhundert – bedingt durch den weicheren Sandstein – nicht mehr so gut dastehen. Als der Friedhof 1869 belegt war, wurde auf der nördlichen Straßenseite ein neuer Friedhof mit einer Größe von rund 24 Ar angelegt. Hier sind noch 263 Grabsteine vorhanden. Christa Wipplinger sagte: „Der jüdische Friedhof ist eine Stätte der Ewigkeit und des Lebens.“ Dieser Satz hat es der 16-jährigen Charlotte Kranz aus Ilbesheim besonders angetan. Sie habe sich spontan für einen Arbeitseinsatz auf dem Friedhof interessiert, weil sie mehr über das Leben und Sterben der Menschen verschiedener Religionen erfahren möchte, erzählte sie. Sie findet, dass der Friedhof viel zu wenig in der Öffentlichkeit bekannt ist. Das wollen die Schülerinnen mit der von ihnen geplanten Aktion ändern. Sie sei sicher, sagte Regina Pfiester, dass die Schüler mit dem Arbeitseinsatz den Friedhof wieder etwas mehr in den Blickpunkt der Öffentlichkeit rücken könnten. Charlotte Kranz sieht die Aktion als eine Möglichkeit, um dem aufkeimenden Antisemitismus entgegenzutreten. Das bestätigte auch die 15-jährige Diana Werner aus Landau. Sie bedauere, dass das Thema nicht ausreichend und nachdrücklich genug auf-gegriffen werde. Öffentlichkeit statt Vertuschung, müsse die Devise sein. Sie wolle „Gesicht zeigen“. Am Nachmittag gab es für die Schülerinnen eine Führung über den alten Friedhof, bei der es von Verständnisfragen geradezu hagelte. „Wie konnte das alles passieren?“, war immer wieder zu hören. Charlotte Kranz resümierte: „Die Erinnerung an diese Zeit muss wachgehalten werden, da Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit aus unserer Gesellschaft noch immer nicht verschwunden sind.“

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