Kultur Südpfalz Spannend zu hören

Stephan Wriecz (vorne) und der Musiker Peter Hinz.
Stephan Wriecz (vorne) und der Musiker Peter Hinz.

Eine geballte Stunde Hochspannung, Anregung zum Nachdenken über Geschichte und Gegenwart sowie Dokumentation großartiger Bühnenkunst: Das ist die neue Produktion der Expedition Chawwerusch in Herxheim mit der Live-Hörspiel-Performance zu dem Roman „Jugend ohne Gott“ von Ödön von Horváth.

Der viel gelesene und in unseren Tagen mehr denn je brandaktuelle Stoff wurde von der jungen Sparte des Chawwerusch-Theaters bewusst nicht dramatisiert und reich bebildert, sondern von Regisseurin Jule Kracht, die auch die Texteinrichtung besorgte, in der Art eines Live-Hörspiels ganz auf das Erleben des Textes hin ausgerichtet. Doch der Abend ist deshalb alles andere als eine trockene Lesung. Durch eine ausgeklügelte Licht- und Tonregie, vor allem aber den sehr kunstvollen, dramaturgisch schlüssigen und facettenreichen Einsatz der Musik, für die Peter Hinz verantwortlich zeichnet, wird die Erzählung untergründig dynamisiert und erhält eine breite Fülle von akustischen Farben. Peter Hinz ist deshalb viel mehr als der Geräuschillustrator im Hintergrund. Er ist prägender Teil einer nachhaltigen Partitur aus Text und Klang, an der Sprecher und Musiker dialogisch gleichberechtigt teilhaben. Stephan Wriecz vom Chawwerusch-Ensemble trägt den fast ganz auf Ödön von Horváths Romanvorlage basierenden Text auswenig vor. Allein das ist schon eine bewundernswerte Leistung. Doch mehr noch fasziniert der Schauspieler durch seine Lebendigkeit und Intensität im Vortrag, die Personen, Situationen und Interaktionen ungemein plastisch vor dem inneren Auge des Publikums nachvollziehbar macht. Dabei wird der Lehrer als Erzähler und zentrale Figur des Romans natürlich besonders deutlich gezeichnet und charakterisiert. Der Lehrer ist keine Lichtgestalt, eher eine Art Katalysator, durch den der Ungeist der Zeit und die Verirrungen der „gottlosen“ Jugend auch ohne optisches Spektakel höchst anschaulich werden. Der Abend ist hochkonzentriert und bringt die wesentliche Motive des Romans – Fremdenhass, Militarismus, amoralisches Verhalten und die Frage nach der Transzendenz – dennoch ganz klar auf den Punkt. Unmittelbar aktuell ist die Produktion nur ganz am Schluss mit Einblendungen aus AfD-Reden (darunter einer von Björn „Bernd“ Höcke), die inhaltlich kaum von denen aus Horváths Zeiten zu unterscheiden sind. Das Premierenpublikum folgte gebannt und begeistert der Aufführung und sparte nicht mit großem Beifall. Info Vorstellungen wieder am 28. und 29. September um 20 Uhr sowie am 30. September. Schulvorstellungen sind auf Anfrage möglich unter Telefon 07276 5991. Gedacht ist die Produktion für Menschen ab 14 Jahren beziehungsweise der neunten Klasse. Info: www.chawwerusch.de

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