Kultur Südpfalz Schönheit am nahen Abgrund

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„Weit fort“ entführt Malerin und Bildhauerin Andrea Zaumseil mit ihrer aktuellen Werkschau in der Galerie Ruppert in Birkweiler. Ihre konsequent in Schwarz-weiß-Tönen gehaltenen Bilder und Skulpturen sind sorgsam aufeinander abgestimmt und entfalten ihre symbiotische Wirkung zwischen vertrautem und unbekanntem Terrain.

Schwarz und weiß, hell und dunkel, Schatten und Licht, Realbild und Reflexion – die Papierarbeiten von Andrea Zaumseil leben von Kontrasten und heben sie gleichzeitig auf. Weil sie sich in ihrer sorgsam inszenierten Positiv-negativ-Wirkung ergänzen und trotz klarer Abstufungen nicht begrenzen. Der Betrachter wird nicht abgelenkt von der Kernaussage des Bildes, die konkret und abstrakt zugleich ist. Man sieht das „Wasser“ des kleinen vierteiligen Bildzyklus nicht als blaues Idyll, aber man spürt es in seiner schwarz-grauen Bewegung. Man nimmt das Spiel der Sonne mit der Oberfläche wahr und Bewegung der Wellen. Man weiß, es ist da, doch es ist nicht fassbar. Das könnte eine Metapher für alle Arbeiten sein, die Andrea Zaumseil in der Galerie Ruppert zeigt. 1957 in Überlingen geboren, lebst sie heute in Berlin und hat seit 2003 eine Professur für Bildhauerei mit Schwerpunkt Metall an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle inne. Landschaften, aus denen alles Leblose genauso entfernt wurde wie die Farbe. Baumstämme, die vor unserer Nase wachsen und doch im Nirgendwo zu stehen scheinen. Vertrautes, das uns fremd vorkommt. Schönheit am nahen Abgrund. Wege, die unter unseren Füßen liegen, aber weit fort führen. Solche Ambivalenzen sind es, die Zaumseil auf Papier und als Stahlplastik in nächtlich anmutender Peripherie zutage fördert. Und sie macht es sich nicht leicht. Schon die großen Büttenpapiere, die sie mit Pastellkreide flächig schwärzt, leisten Widerstand. „Es ist richtig körperliche Arbeit“, sagt die zierliche Frau, die freilich gerade den textilen Charakter der wehrhaften Bütte schätzt. Das tiefe Schwarz der Pastellkreide, dem sie von Anfang an neutrale Lichtspalten zuweist, muss ja mit dem Radiergummi durchkreuzt werden, damit sich die typischen Verschleifungen einstellen, die aus Konturen Erzähllinien formen. Bei den Plastiken, die schon älter sind, liegt dieser Transformationsprozess in der Natur der Sache, denn der harte Stahl, den Andrea Zaumseil als Werkstoff bevorzugt, wird in ihrer Werkstatt zur plastischen Form gehämmert, geschleift und verschweißt. Dabei entstehen Objekte, die an Dinge der realen Welt erinnern, ohne dass man sie konkret benennen könnte. Organische Formen mit glatter, schwarz-seiden-schimmernder Oberfläche zitieren übergroße Furchtkapseln, zylinderähnliche Skulpturen stellen Bezüge zu technischen Dingen her, ein Block mit zerklüfteten Kanten ruft eine Felslandschaft in uns wach. So gelingt der Trägerin des Hans-Thoma-Preises 2015 durch Reduktion das Wachrufen von Imagination. Ausstellung „Weit fort“ – Andrea Zaumseil, Galerie Ruppert, Birkweiler, bis 16. Oktober, freitags und samstags 14 bis 18 Uhr, sonntags 11 bis 18 Uhr. |ttg

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