Landau RHEINPFALZ-Report Geflüchtete: „Es gibt keinen Rabatz“

Hände von Migranten, gesehen am Dienstag auf der MV Aquarius im Hafen von Valletta in Malta.
Hände von Migranten, gesehen am Dienstag auf der MV Aquarius im Hafen von Valletta in Malta.

Nach der Flucht: 2015 ist als Jahr der Flüchtlingskrise in die Geschichte eingegangen. Wie sieht es heute, drei Jahre später, in der Südpfalz aus? Dieser Frage geht die Redaktion in einer Themenwoche nach. Den Auftakt macht eine nicht repräsentative Straßenumfrage. Und da sind die Passanten recht gelassen.

„Ich finde es wichtig, dass Menschen, die verfolgt werden, hier Zuflucht finden.“ Das sagt Claus Michel aus Landau auf die Frage nach seinen persönlichen Erfahrungen mit Geflüchteten. Bedauerlich seien die gesellschaftlichen Spannungen, die dadurch entstünden. „Die Herausforderungen durch Integration sind groß für alle in der Gesellschaft, da diese vorher homogener war und mit Menschen aus Schwarzafrika noch nicht so konfrontiert gewesen ist.“ Dies erklärt Michel genauer und betont, dass es ihm nicht um die Frage gehe, wer verantwortlich für eine gelungene Integration ist. Viel mehr stellt er fest, dass „die Integration von Menschen mit anderer Kultur und anderen Werten“ eine enorm herausfordernde Aufgabe sei. Monika Kraus aus Edesheim berichtet von mehreren zugezogenen Geflüchteten in ihrem Wohnort und sagt: „Wir merken nichts von den Flüchtlingen. Es gibt keinen Rabatz.“ Worüber sie sich richtig ärgert, ist, wenn jemand perfekt Deutsch gelernt hat, sich gut integriert, seine Wohnung bezahlt und arbeiten geht, dann aber abgeschoben wird, „und andere, die Verbrecher sind, die darf man nicht abschieben“, so die 63-jährige.

"So schlimm ist es doch gar nicht in so einem kleinen Städtchen"

Marianne Huber

aus Impflingen will nichts mehr über Gewerkschaften und Flüchtlinge in der RHEINPFALZ lesen. Stattdessen wünsche sie sich mehr Hintergrundinformationen und Familienbildung. Den RHEINPFALZ-Report über Geflüchtete werde sie sich jedoch trotzdem ansehen. Huber hat nach eigenen Angaben keine persönlichen Erfahrungen mit Geflüchteten gemacht. Sie schildert die Eindrücke ihres Vormittags: „Vorhin saß ich am Markt in einem Café und habe mich umgesehen: Keine vermummten Frauen mit Nikab, der ganze Käse, keine Schwarzen, keine Araber, nur zwei mit Kopftuch. So schlimm ist es doch gar nicht in so einem kleinen Städtchen. Nur Weiße.“ Dann deutet sie jedoch auf zwei Männer in einem Eiscafé hinter sich und sagt: „Wenn viele so reden wie die, dann passiert aber was.“ Die 61-Jährige ist erschrocken darüber, wie abfällig die Männer sich Minuten zuvor über vorbeikommende Menschen mit dunkler Hautfarbe geäußert hätten. Nur eines will auch sie nicht: dass die christliche Kultur verdrängt wird: „Wir sind halt vom Christentum geprägt und nicht vom Koran.“ Was Hilfestellung für Geflüchtete betrifft, meint sie: „Da können wir nichts mehr machen.“ Sie würde zwar gerne helfen, könne aber nicht.

Franz Hafner

ist aus Wörth zu Besuch in Landau. Der 68-jährige sagt auf die Frage, ob und welche Erfahrungen er mit Geflüchteten gemacht hat: „Wenn ich in Ruhe gelassen werde, dann lasse ich die anderen auch in Ruhe.“ Er habe weder selbst negative Erfahrungen mit Geflüchteten gemacht, noch könne er derartiges aus seinem Umfeld berichten. „Ich komme mit den Leuten gut aus“, so Hafner. Er unternimmt gerne Reisen, hat bereits den gesamten Mittelmeerraum besucht. „Ich passe mich an, wenn ich in einem fremden Land als Tourist unterwegs bin“, erzählt er – und erwartet dasselbe von Fremden hierzulande.

"Die alten Leute haben sich alles hart erarbeitet und müssen Flaschen sammeln"

In der Schleusenstraße blicken die 47-jährige Renate Tauer und die 50-jährige Sabine Kaufmann auf die Queich in der Abendsonne. Das Thema Gerechtigkeit liegt ihnen am Herzen, und da laufe vieles schief: „Wir haben auch Bedürftige und Obdachlose, warum fängt man nicht bei denen an? Wir müssen 20 Arten von Papieren vorlegen und die bekommen gleich Hilfe,“ sagt Tauer über Geflüchtete. Wenn Sozialleistungen besser verteilt würden, „dann gäbe es auch weniger Rassismus“, meint sie und sieht den Staat in der Verantwortung. Für Rentner müsse mehr getan werden, da es nicht angehen könne, dass diese sich ihre Wohnungen nicht mehr leisten könnten. „Die alten Leute haben sich alles hart aufgebaut und müssen noch Flaschen sammeln.“ Ihre Freundin Sabine Kaufmann sagt: „Das ist eine Unverschämtheit dem deutschen Volk gegenüber.“ Ihre Mutter habe selbst einen Migrationshintergrund, erzählt sie. „Ich habe nichts gegen Ausländer, ich war selbst schon mit einem verheiratet.“ Es stört sie, dass man ihrer Meinung nach nicht kritisch sein dürfe, denn dann käme gleich die „Nazi-Keule.“ „Für manche ist Deutschland ein Paradies. Es gibt auch welche, die meinen, sie hätten es nicht nötig“, sagt Kaufmann, als beide auf das Thema Erschleichen von Sozialleistungen und gefälschte Ausweispapiere zu sprechen kommen. Davon haben sie in Medienberichten mitbekommen, und das regt sie auf. Genauso haben beide aber kein Verständnis dafür, dass gut integrierte Menschen mit Migrationshintergrund abgeschoben werden und fragen sich, wie es zu solchen Entscheidungen kommen kann.

"Ich weiß, warum man weggeht"

In der Ostbahnstraße ist Hannelore Weisser unterwegs. Sie lebt seit dreißig Jahren in Landau und sagt zum Thema: „Als Rentnerin komme ich nicht mehr so viel rum. Ich bin beim Schwimmen und beim Lesetreff, da hat man keine Probleme damit. Da ist ja immer wildes Leben am Bahnhof, aber das macht mir nichts aus.“ Die 87-Jährige hat eine Erklärung für ihre tolerante Haltung: „Wir sind ’56 vom Osten hier rüber. Ich weiß, warum man weggeht.“ In ihrem Bekanntenkreis gibt es weniger Verständnis: „Das Thema darf ich bei manchen gar nicht ansprechen.“ Teilweise gebe es Vorurteile den Geflüchteten gegenüber. Beim Thema Integration kritisiert Weisser die Abläufe für Menschen, die neu in Deutschland eintreffen. „Wenn die kommen, dann müssten sie eine Liste kriegen, die vermittelt: So geht das bei uns lang. In der steht, wie man sich Frauen gegenüber verhält oder im Straßenverkehr.“ Eine positive Einschätzung gibt auch der Schüler Dorian Werner ab: „In unserer Stufe gibt es einen Geflüchteten, der sich sehr gut integriert hat.“ Landau sei kein Brennpunkt, in dem es große Probleme mit Geflüchteten gebe, so die Meinung des 20-Jährigen.

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