Landau „Prozess darf nicht abgeschlossen sein“

Die Diskussionen ebben auch nach der Entscheidung des Schulausschusses am Eduard-Spranger-Gymnasium (ESG) in Landau vom 8. Mai nicht ab, den Namen ihres Schulpatrons zu behalten. Der Erziehungswissenschaftler gilt mittlerweile als Antisemit und Anhänger der NS-Rassenideologie.

Vor allem die provokante Schlussfolgerung von Benjamin Ortmeyer, das ESG sei eine „Schule mit Rassismus“ hat bei Schülern und Lehrern Entsetzen ausgelöst, wie Schulleiterin Dagmar Linnert berichtet. Der Erziehungswissenschaftler, der bis April an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main lehrte und Leiter der dort angesiedelten Forschungsstelle NS-Pädagogik ist, bezieht sich dabei auf den Titel „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“, der das ESG seit eineinhalb Jahren auszeichnet. Ortmeyers Provokation dann auch noch als Überschrift über den Bericht vom 11. Mai zu wählen, brachte das Fass für viele der Schulgemeinschaft mit 700 Schützlingen zum Überlaufen. Zunächst zu den Fakten: „Der Titel wird nicht aberkannt“, sagte gestern Bernhard Kukatzki, Direktor der Landeszentrale für Politische Bildung Rheinland-Pfalz, die im Auftrag der Bundeskoordination die europäische Auszeichnung „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ verleiht. Kukatzki hat sich in Berlin rückversichert. „Die Schule muss sich ständig mit dieser Zeit, mit dieser Person beschäftigen und ihre Ambivalenzen diskutieren“, sagte er, „der Prozess darf nicht abgeschlossen sein.“ Spranger sei ein glühender Nationalist und Militarist gewesen und kein blühendes Vorbild. Allerdings werde man wenige lupenreine Biografien finden, ergänzte der Historiker. Schulleiterin Linnert verweist auf den Prozess der Abstimmung: „Demokratie schmeckt nicht immer allen.“ Der Schulausschuss hatte 5:3 für die Beibehaltung des Namens gestimmt, nachdem der Lehrerausschuss 26:21 ebenfalls dafür, der Elternausschuss aber 10:2 dagegen votiert hatte. Mit Rassismus hat die Schule natürlich nichts am Hut. Im Gegenteil, wie sie mit zahlreichen Aktionen bewiesen hat. Linnert erinnert daran, dass das ESG die erste Schule in Landau gewesen sei, die Flüchtlingskinder unterrichtet habe. Die RHEINPFALZ-Veröffentlichung vom 11. Mai habe eine Welle von Reaktionen ausgelöst; so meldeten sich viele Ehemalige bei ihr, berichtet Linnert. Die Schule habe sich die Entscheidung nicht leicht gemacht. Das anerkennt Benjamin Ortmeyer wohl, allerdings ändert das für ihn nichts an den Fakten: „Spranger war ein Rassist und Judenfeind, er war pro Nazis – ein Nazi-Kollaborateur.“ Der 66-Jährige betont, eine Beibehaltung des Namens bedeute, „dass man die judenfeindlichen, rassistischen und Hitler verehrenden Äußerungen zumindest relativiert und als ,nicht so schlimm’ einstuft. Genau darum geht doch der Streit“. Das sei aus seiner Sicht einer „Schule gegen Rassismus“ nicht würdig, wiederholt er seine Kritik. Die klare Haltung zur NS-Zeit gehöre für ihn zu diesem Ehrentitel dazu. Ortmeyer hat eine 426-seitige Studie über Spranger geschrieben, in der er zahlreiche Dokumente vorlegt, die Spranger heute diskreditieren. Nicht als Pädagogen, als Mitbürger. Der Wissenschaftler steht für Diskussionen zur Verfügung, er hat auch einen Besuch am ESG in Landau angeboten. Zwei andere Eduard-Spranger-Schulen haben sich auf neue Pfade begeben. Im Sommer 2017 hat sich die Eduard-Spranger-Schule mit dem Förderschwerpunkt Lernen in Mannheim von ihrem Namen verabschiedet. Sie heißt jetzt nach der Mannheimerin Gretje Ahlrichs, die 1945 die Stadt fernmündlich an die Amerikaner übergeben und weiteres Blutvergießen verhindert hat. Zum neuen Schuljahr wird auch die Eduard-Spranger-Schule in Frankfurt-Sossenheim den Namen ablegen. Sie bleibt die ESS: Edith-Stein-Schule. Gesamt-, Schul- und Elternkonferenz haben laut Schulleiter Boris Morelli nach sechs Jahren dem Druck nachgegeben. „Wir wollten nicht ewig diskutieren.“

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