Karlsruhe Protest zu Kohlekompromiss

Die gewaltfreie Aktion war sorgfältig und konspirativ geplant worden. Neben der Zufahrt wurde in der Anlage selbst ein Ladekran, die Förderanlage sowie ein Bagger besetzt. Am Samstag um halb acht Uhr morgens sollten Journalisten zum Hintereingang des Karlsruher Hauptbahnhofs kommen. Man werde abgeholt und zu einer Aktion von „Ende Gelände“ geführt werden, hieß es. Zwei junge Frauen warteten auch tatsächlich. Freundlich überbrückten sie die Wartezeit, ehe es losgehen sollte. Auskünfte gaben sie keine. Medienmenschen sind in der Regel keine Frühaufsteher. Entsprechend muffelig reagierte dann so mancher über einige Minuten Wartezeit und die allgemeine Unwissenheit. Auch der Gedanke, dass vielleicht aus der ganzen Geschichte nichts werden würde, machte die Stimmung nicht lockerer. Am Rhein-Dampfkraftwerk (RDK) im Karlsruher Rheinhafen angekommen dann die Überraschung. Rund 150 überwiegend junge Leute haben bereits die Bahnzufahrt des Geländes mit einer Sitzblockade belegt. Und von einem Förderturm und dem Hafenwehr grüßen Plakate. Auch dort sind also Aktivisten. Von Polizei und Werkschutz war nichts zu sehen. Auch die Karlsruher Aktivisten-Legende Harry Block ist da. „Für mich ist das Satire. Da sind Demonstranten im Sicherheitsbereich und die Polizei kommt eine Dreiviertelstunde zu spät. Das ist ja absurd!“, kommentiert er die nebelverhangene Szenerie. Die Atmosphäre ist entspannt, es wird gesungen, getrommelt und ab und zu etwas skandiert. Eine junge Frau hofft, „dass auch Polizisten junge Familienangehörige haben, an die sie bei ihrem Einsatz denken“. Als die Beamten endlich eintreffen, entsteht dennoch keine sichtbare Spannung. Beide Seiten machen es jede auf ihre Weise gut. Sie suchen einen Ansprechpartner. Irgendjemand, der vermeintlich die Zügel in der Hand hält. Doch den gibt es bei dieser Aktion nicht, die Aktivisten sind dezentral aufgestellt und die Informationsketten strikt abgetrennt. Später schnappen sie zumindest eine sehr junge Frau, die vermeintlich über ihr Headset mehr wissen könnte. Sie nimmt es gelassen. Immerhin ist Marius Scheuer da. Der junge, freundliche Mann spricht mit den Journalisten und beantwortet Fragen. „Wir möchten eine friedliche Unterbrechung des Betriebs erreichen“, umreißt er das heutige Ziel. Dies wird gelingen. Täglich kommt ein Güterzug mit Steinkohle. Aber heute wird er sein Ziel nicht erreichen. „Dass er nicht über uns drüberfährt, darauf habe ich vertraut“, sagt er mit einem Lächeln. Und nein, der jetzt ausgehandelte, sogenannte Kohlekompromiss – die Kohlekraftwerke in Deutschland sollen 2018, möglicherweise auch erst später abgeschaltet werden – ist nicht der seiner Generation: „Mit dem Konsens wird die Situation nur verschärft. Keinerlei junge Menschen, die wirklich davon betroffen sind, waren dabei. Das ist ein Hohn!“ Schließlich zitiert er noch einen Satz: „Der Klimawandel kann in absehbarer Zeit kein Problem mehr sein. Weil er aufhören wird, eine Lösung zu haben.“ Gegen 16.30 Uhr beendeten die Aktivisten , wie bei einem „Kooperationsgespräch“ abgesprochen, ihre Aktion auf dem Kraftwerksgelände. Die Teilnehmer zogen weiter zu einer spontanen, aber angemeldeten Demonstration in die Innenstadt. Die Verkehrsbetriebe stellten für die Beförderung sogar eine Straßenbahn. Insgesamt nahmen in der City über 200 Menschen an der Demo teil. Gegen 18 Uhr löste sich die Versammlung auf . Alles blieb „völlig friedlich“, so die Polizei in einer Mitteilung.

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