Kreis Germersheim Mit Armut allenfalls in Karlsruhe konfrontiert

„Ich hab noch nie SWR1 gehört“, ächzt der 16 Jahre alte Anton. In wenigen Minuten beginnt im Foyer des Europa-Gymnasiums die Podiumsdiskussion des SWR1 zum Thema „Soziale Gerechtigkeit auf dem Prüfstand“. Mit seinem gleichaltrigen Klassenkameraden Lennert versucht er gerade, eine Gewinnspielkarte auszufüllen. Sein Scheitern an Fragen zu Moderatoren oder Musikrichtung des Senders kommentiert er altersgerecht: „Ein Digitalradio gibt es zu gewinnen – da macht doch eh keiner mit!“

Rund 150 weitere Interessierte sind an diesem Abend in die Schule gekommen. Lehrer, Schüler und auch Eltern. Der Sender hat groß aufgefahren. Die für eine solche Veranstaltung benötigte Ausrüstung an Mensch und Material ist noch immer enorm. Überall wuseln Mitarbeiter herum und die Schulmensa ist zum Logistik-Hauptquartier umfunktioniert worden. Anton und Lennert sind im Leistungskurs Sozialkunde und schreiben in der kommenden Woche eine Klausur zum Thema „Soziale Gerechtigkeit. „Da ist es natürlich interessant, was hier darüber geredet wird“, sagt Anton. Beide zählen sich zur Mittelschicht. Anton sagt, dass man in ihrem Alter noch nicht so viel Kontakt zu diesem Thema und den Betroffenen habe. Über den Leistungskurs würden ihnen aber die Augen geöffnet. Den direkten Bezug haben sie allenfalls, wenn sie abends in Karlsruhe einmal ausgehen. Lennert: „Da ist man mit den unterschiedlichsten sozialen Schichten konfrontiert. Man erkennt, wo man selbst eigentlich steht. Und denkt darüber nach, wie diesen Schichten geholfen wird oder dies eben nicht getan wird.“ Die Podiumsdiskussion wird von der SWR-Moderatorin Claudia Deeg geleitet. Zu Beginn bittet sie um Aufmerksamkeit und freut sich, dass es sofort still wird: „Man merkt gleich, dass man hier in einer Schule ist.“ Die Diskussion selbst ist auf hohem Niveau und das Bemühen um Erkenntnisgewinn jederzeit erkennbar. Moderatorin Deeg muss nicht lenkend eingreifen oder zur Ordnung rufen. Dafür ist die Runde mit dem Stefan Sell (Uni Koblenz), Sabine Altmeyer-Bauman (Landesvorsitzende der Tafeln Rheinland-Pfalz/Saarland), Claudia Cornelsen (Autorin, mein-grundeinkommen.de) sowie Shamila Borchers (Landeskoordinatorin ArbeiterKind.de) vielleicht auch zu homogen aufgestellt. Als Vertreter der Schüler saß Maurice Beck auf dem Podium. Dort meinen es alle gut. Mit den Armen, den Alten, der Gesellschaft und überhaupt. Allenfalls hinsichtlich eines bedingungslosen Grundeinkommens gibt es einen Dissens. Hier bekennt der Sozialwissenschaftler Sell: „Ich bin mit dem Herzen dafür, mit dem Verstand dagegen.“ Es sei sein protestantischer Ethos, der ihn vom „Geldverdienen mit eigener Hände Arbeit“ überzeugt bleiben lässt. Nach den 90 Minuten brandet großer Beifall auf. Es bilden sich kleine Gruppen und überall wird noch diskutiert. So wird honoriert, dass die Diskussionsteilnehmer noch geblieben sind. Auch Anton und Lennert sind zufrieden: „Wir haben jetzt echt viel über Ideen zum bedingungslosen Grundeinkommen gelernt.“ Von diesem überzeugt seien sie allerdings nicht. Zumal ihnen in der Diskussion die Reibungspunkte gefehlt haben. Anton hatte sogar sich sogar mit der Frage nach der Finanzierbarkeit in die Diskussion eingeschaltet. Einer Antwort war das Podium aber ausgewichen.

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