Kreis Germersheim Mautsäule umfahren bringt nichts

Maut-Kontroll-Säule an der B9 – umfahren zwecklos.
Maut-Kontroll-Säule an der B9 – umfahren zwecklos.

Weingarten: Seit die Toll-Collect-Säule auf der B 272 steht, lässt sich Seltsames beobachten. Auf der Bundesstraße wird dem Gegenverkehr Lichthupe gegeben oder „in die Eisen getreten“, weil Autofahrer in der blauen Säule einen vermeintlichen Blitzer erkennen. In Weingarten selbst will ein Einwohner vermehrt Lastwagen gesehen haben, die die Mautsäule umfahren.

Er sei einem Lastwagen schon hinterhergefahren, den er aus Schwegenheim habe kommen sehen und dann auf seinem Weg quer durch Weingarten verfolgte, bis dieser schließlich auf die Bundesstraße kam, bestätigt Peter Settelmeyer, CDU-Gemeinderat in Weingarten. „Der hat nicht einmal irgendwo Anstalten gemacht abzubiegen, der war nur auf der Durchfahrt“, sagt er empört. Da liege die Vermutung schon nahe, dass Lastwagen die Toll-Collect-Säule einfach nur umfahren wollen. Wenn dem so sei, müsse man „nachsteuern“, sagt Weingartens Ortsbürgermeister Thomas Krauß (FWG). Mit Verbotsschildern für Lastwagen beispielsweise – und natürlich Kontrollen. Aber, auch das räumt Krauß ein, wie das System funktioniere und ob es dem einzelnen Lastwagenfahrer etwas bringe, durch die Orte und an der Toll-Collect-Säule vorbeizufahren, könne er nicht sagen. Dazu müsse man wissen, wie das Toll-Collect-System funktioniert. Das erklärt Toll-Collect-Pressesprecherin Claudia Steen. Die kurze Antwort: Auf Schleichwegen um die Toll-Collect-Säulen herumzufahren bringt Lastwagenfahrern und Speditionen nichts – die blau-grünen Säulen sind nämlich gar keine Kassierstellen, sondern reine Kontroll-Einrichtungen. Auch Hanhofen hat Angst vor mehr Lkw-Verkehr Das klärt auch einen Streitfall, den es derzeit in Hanhofen (Rhein-Pfalz-Kreis) an der B 39 gibt. Dort weigert sich die Gemeinde, Toll Collect Zugang zum Stromnetz zu geben, weil man fürchtet, dass Lastwagen die Säule umfahren und durch den Ort tingeln. Die Kontrollsäule an der B 39 steht – hat aber derzeit noch keinen Strom. Die Hanhofener Ortsbürgermeisterin Friederike Ebli (SPD) will gar ein Durchfahrtverbot für Lastwagen durchsetzen. Dagegen spricht eine Verkehrszählung in Hanhofen: 27 Lastwagen werden dort durchschnittlich pro Tag gezählt – zu wenig für ein Durchfahrtverbot, habe die Polizei ihr gesagt, so Ebli. Dessen ungeachtet, wolle sie erst den Stromzugang genehmigen, wenn gewährleistet sei, dass Lastwagen über 7,5 Tonnen nicht mehr die Kontrollsäule via Hanhofen umfahren könnten. Wie die Maut funktioniert und wieso Schleichverkehr nichts bringt, erklärt Pressesprecherin Steen im Detail: „Die Mauterhebung erfolgt in erster Linie über die sogenannte On-Board-Unit im Lastwagen. Die startet, wenn die Fahrt beginnt.“ Zuvor muss der Fahrer relevante Daten eingegeben haben, Start und Ziel und vor allem – und das wirkt sich auf die Abrechnung aus – die Zahl der Achsen des Lastwagens oder Sattelzugs. „Die On-Board-Unit gibt die Daten an ein Rechenzentrum weiter. Dort wird ,gematcht’, wo muss er langfahren und wie viele Kilometer der Strecke führen über mautpflichtige Straßen“, sagt Steen. Im Klartext: Der Fahrer kann sich mühselig durch Ortschaften und 30er-Zonen hangeln – abgerechnet wird die Fahrtstrecke, die er idealerweise fahren sollte. Ebenso verhält es sich für Fahrzeuge, die keine On-Board-Unit haben. Diese müssen ihre Fahrt im Internet registrieren, entweder per Website, an einem Terminal (wie denen an vielen Raststätten) oder mit einer App. „Wir haben nicht mehr 3600 Terminals, wie am Anfang, sondern nur noch 1800“, gibt Steen unumwunden zu. Dafür würde vor allem die Toll-Collect-App von den Speditionen und Fahrern „gut genutzt“. Grundsätzlich passiere auch in diesem Fall dasselbe: Die Strecke wird berechnet, abgerechnet und das Kennzeichen samt Achszahl hinterlegt. Säulen sind nur ein Teil der Kontrollen Wozu gibt es dann die blau-grünen Stelen? „Die Kontrollsäulen kontrollieren nur die Angaben, wenn der Lastwagen daran vorbei fährt“, so Steen. „Ist die Achszahl richtig? Oder gibt es ein Ticket?“ Sollte ein Fahrer tatsächlich schummeln wollen, könne er vielleicht Mautbrücken an der Autobahn oder die Kontrollsäulen an den Bundesstraßen umfahren – dafür gerate er aber sehr wahrscheinlich in eine mobile Kontrolle durch das Bundesamt für Güterverkehr (BAG). Im Zweifel mache das BAG auch Kontrollen in Speditionen, wenn man das Gefühl habe, dass systematisch getrickst werde. „Die Kontrollsäulen sind nur ein Teil eines sogenannten Kontrollmix“, unterstreicht Steen. Was die Lastwagen angeht, die in Weingarten oder auch in Hanhofen beobachtet wurden, erläutert Steen: „Die Maut ist ein durchlaufender Posten, die Unternehmen haben andererseits einen entsprechenden Druck, Umwege zu vermeiden.“ Vor dem Hintergrund von größerer Abnutzung, Zeitdruck und unwägbarer Verkehrslage wäre es unrentabel, durch Orte hindurchzufahren. Kurz: „Es bringt nichts“, so Steen. Sollte wirklich in einem Ort ein erhöhtes Lastwagenaufkommen registriert werden, könne es allenfalls andere Gründe haben. Navigationsgeräte beispielsweise. Und tatsächlich weisen Navis gerne einmal als kürzeste Route von Rasthof Schwegenheim in Richtung Landau den Weg durch Schwegenheim und Weingarten aus. Weingarten selbst hat durch die Toll-Collect-Säule einen gewissen Vorteil gehabt: Die Stromleitung zur Kontrollsäule an der B 272 musste über die Weingartener Gemarkung verlegt werden. Toll Collect hatte die Leistung mit acht Euro pro laufendem Meter Strecke bezahlt – 1600 Euro für die Gemeindekasse.

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