Lokalsport Südpfalz Landauer Sportgespräche: Wenn Lebenswerke auf dem Spiel stehen

Die Rundsporthalle wird bald abgerissen.
Die Rundsporthalle wird bald abgerissen.

Sportstättenentwicklung: Gut 40 Bürger, Ratsmitglieder, Vereinsvorsitzende sind da. Bürgermeister Maximilian Ingenthron hat zum zweiten von vier Landauer Sportgesprächen ins Alte Kaufhaus eingeladen: „Wer sich einbringt, kann mitbestimmen.“ Manch einer wähnt sich bei der falschen Veranstaltung.

«LANDAU.» Die Verwaltung schiebt am Mittwochabend Überstunden. Sportamtsleiter Ralf Müller, die neue Sachgebietsleiterin Sport Marlen Müller, Sabine Klein von der Grünflächenabteilung sind da. Der erste Eindruck: Da geben sich viele Mühe, um den Schul- und Vereinssport in der Stadt mit seinen 81 Vereinen, in denen 18.000 Mitglieder organisiert sind, ausreichend zu versorgen. Bürgermeister Maximilian Ingenthron ist der Moderator, er spricht von „Weichenstellung“ und stellt zwei Männer vor: Stefan Henn vom Institut für Sportstättenentwicklung in Trier und den Sportwissenschaftler Oliver Seitz, der mit Bildern und Videos zeigen wird, wie Bewegung im öffentlichen Raum funktionieren kann.

Winter-Domizil genommen

Kurt Becker wird unruhig. Sein Ansinnen: Lobbyarbeit für die Leichtathleten in der Stadt, denen ihr Winter-Domizil genommen worden ist. Becker war Leichtathlet, seine Kinder sind Leichtathleten. Die einzige Halle, in der im Winter vernünftig trainiert werden konnte, war die Rundsporthalle. Henn legt dar, was sich für die Sport-stättenentwicklungsplanung, die mit dem Flächen- und Nutzungsplan verknüpft werden soll, getan hat: die Begehung aller kommunalen Sportanlagen. Die Befragung über Ist-Stände und Wünsche läuft: 54 Vereine haben bislang geantwortet, 15 Schulen, 13 Kindertagesstätten. Henn hat diese Infos auf dem Tisch. Im Januar werden 4000 Landauer angeschrieben. Zufallsstichprobe. Die Daten sind danach auszuwerten.

Erinnerung an große Sportevents

Becker erinnert sich an große Sportevents in der Rundsporthalle. „Selbst im Winter konnte so unter guten Bedingungen trainiert werden. Ausdauer-, Kraft- und Techniktraining ließen sich so mit hoher Kontinuität und Effizienz in allen Jahreszeiten verbinden, da die Kunststoffanlage im Stadion mittlerweile auch zeitweilig in den milden Wintern gut nutzbar ist.“ Bis zu 14 Stunden täglich sei die Halle genutzt worden, von bis zu fünf Sportarten gleichzeitig. Bis zu 1000 Zuschauer hatten in der Rundsporthalle Platz. Bis 2013. „Just in den Wintermonaten war die Dachkonstruktion der Rundsporthalle für nicht mehr standsicher befunden worden“, ärgert er sich. Mit einem großen sechsstelligen Betrag sei nachgerüstet und mit ganz viel zusätzlicher Metallkonstruktion das Dach lastsicherer gemacht worden. „Die Sportvereine und Schulen atmeten wieder auf, man hatte diese schwierige Renovierungsphase in der ungünstigen Winterzeit mit großem Aufwand, Improvisation und Durchhaltevermögen überstanden.“ Kinderspielplätze und Trimm-dich-Pfade sind out. Modern sind Bewegungsparcours, wie sie Oliver Seitz entwickelt: 300, auch mal 700, 800 Quadratmeter große Flächen mit Stationen, die Fahrradständern oder Klettergerüsten ähneln. Für Calisthenics, das körperliche Training, für das nur das eigene Körpergewicht genutzt wird. „Bewegung im öffentlichen Raum“ ist das Zauberwort für die Zukunft. Gleichgewichts- und Standfestigkeitsübungen sowie Sturzprophylaxe für jedermann mitten in der Stadt. Mit Stationenbeschreibung und Schwierigkeitsgraden. Wichtig: ein kluger Name – Playpark, Seniorenspielplatz – und ein guter Standort. Aus der Versammlung kommen Vorschläge: Queichanger nahe des Eduard-Spranger-Gymnasiums, Grünstreifen am Birnbach, Spiel und Freizeitcampus. Standorte sollen es sein, die Individualisten und Mannschaften gerne aufsuchen. Ein Park an der Alster in Hamburg soll ein Renner sein.

Der nächste Handstreich

Kurt Becker denkt vielleicht an Hürdenläufe und Stabhochsprung. Im September 2015, fällt ihm ein, wurde die Rundsporthalle schon wieder in „vorauseilender Betriebsamkeit“ handstreichartig den Sportvereinen und Schulen weggenommen, ohne für Ersatz zu sorgen. Die Stadt befand sich in einer Notlage, sie musste Flüchtlinge aufnehmen. Jedoch: „Von September bis Januar 2016 passierte dann erst mal gar nichts. Wenigstens die Sportvereine und Schulen und 1000 Sporttreibende waren mal draußen.“ Danach wurde gründlich geplant: Trennwände installiert, Stockbetten aufgestellt. „Der Umbau war so gründlich, dass die Halle als Sporthalle für immer zerstört war“, klagt Becker. Flüchtlinge seien in der Rundsporthalle nie angekommen. Kinder der Landauer Schulen werden im Winter weiter bis nach Offenbach transportiert, um Schulsport betreiben zu können. Beckers Kritik: „Der so wichtige Schulsport in unserer bewegungsarmen Welt wird noch reduziert, und es kostet sehr viele Steuergelder und Zeit, die dem eigentlichen Sportunterricht abgeht, wenn Schüler tagtäglich mit Bussen in andere Sporthallen zu karren sind.“ Er hat kein Vertrauen mehr. „Selbstverständlich könnte man ein altes Gebäude abreißen, aber erst wenn das Neue, Zweckmäßigere gebaut wäre.“ Ein Leichtathletikverein dürfe jetzt sein Training in der Süwegahalle abhalten, wo sonst Kleintierzuchtvereine ihre Prachtexemplare vorzeigten. „Speziell die Leichtathletik hat leiden müssen durch die Rundsporthalle“, klagt Becker in der Versammlung. Ersatz gebe es keinen. „Das macht die Vereine fast kaputt!“ Zustimmendes Nicken auf anderen Plätzen. Auch die Handballer leiden. Die Leistungsleichtathleten trainieren in Ludwigshafen. Sportstadt Landau? Margot Grimmeißen, Nußdorfs Abteilungsleiterin, stellt das Fragezeichen: „Eltern und Kinder wissen Woche zu Woche nicht, in welche Halle wir können.“ Ohne seinen Förderverein könnte sich der TVN nicht mehr um die Kleinen kümmern. Sie kommen wohl in der Montessori-Schule zusammen. Die Halle der Konrad-Adenauer-Realschule plus sei nicht zu benutzen. Grimmeißen: „Für eine Stunde in der Süwegahalle bringen die Übungsleiter die Geräte mit und müssen noch Parkgebühren zahlen.“ Ingenthron hört sich alles an, nimmt Vorschläge auf. „Bis Ende nächster Saison dürfte es in Landau eine Leichtathletikhalle geben“, hört er Hans-Peter Hertel, den Vorsitzenden des Dachvereins ASV Landau, sagen. Hertel meint die 56 x 16 Meter große Industriebauhalle, die der TV 1861 Landau baut. Der Verein wird seine Halle wohl in Schuss halten. Die Rundsporthalle zerfiel schon jahrelang. Aus der Versammlung kommt der Wunsch, bei allen Sportstätten einen regelmäßigen „Kundendienst“ zu leisten. So bliebe am Ende vielleicht Geld für etwas Neues, weil es nicht gleich in Reparaturmaßnahmen gesteckt werden müsse. Sportamtsleiter Müller sagt dazu: „Ich wünsche mir eine pflegliche Behandlung durch die Schulen und die Sportvereine.“ Die Versammlung versteht beides.

Lebenswerk kaputt gemacht

Becker ist sich sicher: Vertreter der Sportvereine hätten schon 2013/14 die voraussehbare extreme Mangelversorgung ohne die Rundsporthalle angemahnt. Seine Gedanken: Mit Macht wird die erfolgreiche Arbeit von langjährigen Trainern, ihr Lebenswerk, kaputt gemacht. Eine Sportlergeneration fällt aus oder wandert in Vereine anderer Städte ab. „Wir haben eine Durststrecke hinter uns“, sagt Ralf Eggers vom SSC Landau. Er lädt alle Landauer Vereine ein, den Sportpark, den sein Verein am Clubheim gebaut hat, zu testen.

Deutlich kleiner: die neue Halle der BBS.
Deutlich kleiner: die neue Halle der BBS.
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