Landau Landau: Experten-Interview zu Cannabis-Patienten

Patienten nehmen Cannabis in unterschiedlicher Form. Die Blüten können auch geraucht werden.

Im Gespräch mit Psychologin Petra Dahl über ihre Erfahrung mit Patienten, die Cannabis als Schmerzmittel erhalten.

Krankenkassen müssen Schwerkranken Cannabis künftig als Schmerzmittel bezahlen. Das hat der Bundestag beschlossen. Das Gesetz soll ab März gelten. Die Psychologin Petra Dahl informiert heute und morgen. Wir haben vorab mit ihr gesprochen.  Frau Dahl, warum befassen Sie sich mit dem Thema Cannabis? Ich bin Fachpsychologin für Verkehrspsychologie und von daher schon die letzten 16 Jahre mit Cannabis beschäftigt. Aktuell habe ich drei Klienten mit medizinischem Cannabis. Deshalb habe ich mich tiefgehend in das Thema eingearbeitet. Bei welchen Krankheiten konnte Patienten bisher medizinisches Cannabis verschrieben werden? Die häufigste Indikation für die Patienten, die eine Ausnahmegenehmigung erhalten konnten, waren chronische Schmerzen, Multiple Sklerose, ADHS, Tourette-Syndrom und Depressionen. Aber auch Reizdarm oder Epilepsie kann mit Cannabis behandelt werden. Es wird eingesetzt gegen Schmerzen, Übelkeit, Erbrechen, bei Angststörungen, gegen Entzündungen und Krämpfe. Wurde Cannabis in solchen Fällen von der Krankenkasse bezahlt? Die Kosten wurden bisher nur selten von der Krankenkasse übernommen, und nur in wenigen Apotheken konnten die Patienten das Medikament erhalten. Medizinisches Cannabis ist in allen erhältlichen Formen, als Fertigarznei oder in Form von Cannabisblüten sehr teuer, es kostet in der durchschnittlichen Dosierung etwa 250 bis zu 1800 Euro im Monat. Mit den Ausnahmegenehmigungen erhielten es die meisten Patienten bisher nur auf einem privaten Betäubungsmittelrezept, und das Antragsverfahren war langwierig. Nur relativ wenige konnten sich das Medikament als Selbstzahler leisten. Daher ist die Anzahl der Nutzer bisher relativ gering gewesen. Wie viele Patienten gibt es zurzeit? Im Moment gibt es bundesweit 1020 Patienten, die eine Ausnahmegenehmigung haben. Es gab jedoch im Vorjahr rund 22.000 Verschreibungen alleine von einem der erhältlichen cannabishaltigen Fertigarzneimittel. Insofern ist Cannabis als Medikament in speziellen Fällen in Deutschland schon relativ verbreitet. In welcher Form wird medizinisches Cannabis eingenommen? Es gibt Cannabis aus deutscher Produktion voll- oder teilsynthetisch, hergestellt aus der Nutzpflanze, die in Deutschland erlaubt ist. Dronabinol ist der internationale Freiname für das psychoaktiv wirksamste Delta-9-Tetrahydrocannabinol (THC) und ist neben Cannabidiol (CBD) einer der pharmakologisch wirksamsten Bestandteile der Cannabispflanze. Fertigarzneimittel sind in Form von öligen Tropfen oder Kapseln erhältlich. Dann gibt es ein alkoholhaltiges Spray zur Aufnahme über die Mundschleimhaut. Weiter gibt es Cannabisblüten, die können geraucht, in Lebensmitteln verarbeitet oder auch in einem Verdampfungsgerät, ähnlich der E-Zigarette, inhaliert werden. Wie viel kosten Cannabisblüten in der Apotheke? Zwischen 15 und 25 Euro. Auf dem Schwarzmarkt kosten sie, soweit ich weiß, um die zehn Euro. Wenn man bis zu zwei oder drei Gramm täglich braucht, ist das schon ein riesiger Preisunterschied. Woher beziehen es die Apotheken? Die Cannabisblüten stammen aus den Niederlanden und aus Kanada. Es gibt aktuell 19 verschiedene in den Apotheken erhältliche Sorten mit unterschiedlichen Wirkstoffgehalten. Ist nach dem neuen Gesetz Cannabis als legale Arznei erlaubt und bleibt gleichzeitig illegale Droge? Ja, es bleibt beides. Wie verhält es sich demnach, wenn ein Autofahrer bei einer Polizeikontrolle einen Drogentest machen muss? Wer ein Rezept und eine Bescheinigung vom Arzt hat, der darf auch Autofahren und muss den Grenzwert von einem Nanogramm nicht beachten. Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur hat sich dazu im November 2015 eindeutig geäußert. Cannabispatienten dürfen nach einer Einstellphase, die für jede Dauermedikation gilt, Autofahren. Man geht davon aus, dass Cannabis-Patienten, anders als Drogenkonsumenten, eine hohe Verantwortlichkeit zeigen. Die Höhe der Wirkstoffkonzentration im Blut spielt dann keine Rolle. Solange keine Fahrauffälligkeiten vorliegen bei diesen Konsumenten, soll nur im Einzelfall oder bei Auffälligkeiten die Fahreignung geprüft werden. Und wie war die Praxis bisher? Bisher war es so, dass Autofahrer, bei denen der gemessene Grenzwert überschritten war, ihren Führerschein abgeben mussten. Egal, ob sie aus medizinischen oder anderen Gründen Cannabis konsumiert hatten. Worin besteht Ihrer Meinung nach der größte Nutzen des neuen Gesetzes? Im Gesetz ist geregelt, dass Palliativpatienten innerhalb von drei Tagen, andere Patienten innerhalb von fünf Wochen, eine Entscheidung der Krankenkasse zur Kostenübernahme erhalten sollen. Voraussetzung ist, dass eine schwerwiegende Erkrankung vorliegt und keine Alternativbehandlung möglich und wirksam ist. Häufig kann es sinnvoll sein, Cannabis als Ersatz oder zur Verringerung der bisherigen Medikation zu verschreiben. Cannabis ist zwar nur schwer individuell dosierbar, hat aber relativ wenige Nebenwirkungen und wirkt verstärkend auf manches Schmerzmedikament. Bei Krämpfen oder Schmerzen sind die Wirkungen durch Studien schon gut nachgewiesen. Soll auch in Deutschland Cannabis für Arzneizwecke angebaut werden? Das Bundesministerium für Arzneimittel und Medizinprodukte muss nach Inkrafttreten des Gesetzes eine Cannabisagentur initiieren. Diese vergibt dann Aufträge zur Herstellung von Cannabis. Die Ernte wird dann von dieser in Besitz genommen und mit Preisvorgaben, in pharmazeutischer Qualität, an Apotheken abgegeben. INFO Petra Dahl, die in Landau, Rinnthal und Pirmasens praktiziert, und die verkehrsmedizinische Expertin und Suchtmedizinerin Ute Geißert-Kern laden zu zwei Veranstaltungen zum Thema medizinisches Cannabis ein: heute um 18.30 Uhr in Annweiler, Hauptstraße 31 (Juttas Eiscafé), sowie am morgigen Donnerstag, 18.30 Uhr, in Landau, Zeppelinstraße 31 b (Praxis Gabriele Nicklis). Eintritt frei. | Interview: Elke Partovi DOPPELTERZEILENUMBRUCH

Petra Dahl
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