Karlsruhe „Kulturschätze im Boden lassen“

Ulrich Himmelmann.
Ulrich Himmelmann.

«Speyer.» Die beiden in Speyer tätigen Archäologen Ulrich Himmelmann und David Hissnauer erklären im Gespräch mit Torsten Lauer, warum sie auf dem Areal des ehemaligen Bistumshauses St. Ludwig in der Innenstadt so wenig wie möglich graben werden, was sie zu finden hoffen und warum es in Speyer kaum Tiefgaragen gibt.

Der neue Eigentümer des Areals um das ehemalige Bistumshaus St. Ludwig hat kürzlich erstmals seine Pläne vorgestellt. Der Vorbesitzer hatte ja vor allem mit Blick auf archäologische Grabungen das Handtuch geworfen. Was halten Sie von den neuen Plänen? Himmelmann:

Konkret können wir das erst beurteilen, wenn wir einen genehmigungsfähigen Bauantrag vorliegen haben. Schon jetzt lässt sich aber sagen, dass die Absichten sich erheblich von dem unterscheiden, was der Vorbesitzer Diringer & Scheidel auf dem Gelände machen wollte. Die Firma Kuttler hat angekündigt, den Bestand erhalten zu wollen. Alles, was unter den historischen Gebäuden und den Gewölbekellern liegt, kann im Boden bleiben. Wir werden nur soweit graben, wie dies für die Planungen notwendig ist. Warum sind Sie als Archäologen zufrieden, wenn mögliche historisch bedeutsame Funde im Boden bleiben? Wollen Sie nicht graben? Hissnauer: Doch natürlich. Aber unser gesetzlicher Auftrag ist der Schutz des Kulturguts, auch mit Blick auf kommende Generationen. Daher ist es in unserem Sinne, wenn so wenig wie möglich eingegriffen wird. Das heißt, Sie kommen Ihrem Auftrag nach, wenn Sie möglichst wenig graben? Hissnauer: Ja. Es klingt paradox, aber am besten geschützt sind die Kulturgüter, die weiter in der Erde liegen. Denken Sie etwa an Funde wie Eisenwaffen. Die sind im Boden wunderbar konserviert, so lange bis sie ausgegraben werden. Dann beginnt ein fast nicht zu gewinnender Wettkampf gegen den Verfall mit schwierigen restauratorischen Problemen. Himmelmann: Dadurch dass wir möglichst wenig graben, ersparen wir dem Investor und letztlich auch dem Steuerzahler Kosten. Wenn zufällig Funde gemacht werden, dann müssen wir aktiv werden. Da haben wir gar keine andere Wahl. Wenn wir aber so wie beim Bistumshaus St. Ludwig in der Planungsphase schon dafür sorgen können, dass manche Dinge im Boden bleiben, dann entstehen diese Kosten erst gar nicht. Die neuen Eigentümer planen bewusst ohne neue Kellerräume und Tiefgarage. Sie schätzen, dass lediglich rund ein halber Meter tief in den Boden gegangen werden muss. Wie wahrscheinlich ist es, in dieser Tiefe etwas archäologisch Bedeutendes zu finden? Hissnauer: Wir rechnen in Speyer damit, dass wir in einem Bereich von bis zu vier Metern oder möglicherweise sogar noch mehr historisch Bedeutsames finden können. Das liegt daran, dass hier über sehr lange Zeiträume hinweg gesiedelt wurde. Tiefgaragen sind deshalb häufig ein Problem. Speyers historische Bedeutung ist sicherlich ein zentraler Grund, weshalb in der Stadt so wenig Tiefgaragen existieren. Aber auch eine Planung ohne Tiefgarage oder Keller kann bedeuten, dass wir Funde machen. Was vermuten Sie denn in der Erde? Himmelmann: Wir sind über eine Sondage, die wir bereits im Jahr 2010 – damals noch im Auftrag der Kirche – gemacht haben, ganz gut im Bilde darüber, was wir auf dem Areal erwarten können. Wir wissen, dass die späteste Klosterphase im Boden ab circa 30 Zentimeter beginnt. Wir werden bei den Grabungen für die Bodenplatte sicherlich Mauern des damaligen Klosters finden, möglicherweise auch Vorgängerbauten. Wir werden aber nicht in tiefere Schichten vorstoßen, wo wir das ganze Frühmittelalter, die römische Zeit oder sogar noch ältere Funde machen könnten. Wir gehen nur soweit, wie es für die Planungen des neuen Investors nötig ist und hören auf, selbst wenn es spannend ist. Warum ist gerade dieses Areal historisch so interessant? Himmelmann: Das liegt daran, dass es topographisch die höchste Stelle in der Altstadt ist. Die Römer haben an solchen herausragenden Punkten häufig auch bedeutende Gebäude errichtet. Insofern wäre es nicht verwunderlich, wenn dies auch hier der Fall ist. Wir wissen beispielsweise, dass es in der Stadt ein römisches Theater gegeben haben muss, wir kennen aber den genauen Ort nicht. Denken Sie nicht, dass ein Grabungsschutzgebiet mögliche Bauherren überfordern oder abschrecken könnte? Hissnauer: Im Gegenteil. Das ist eine sehr wertvolle Situation für alle Beteiligten. Wir ändern ja nicht, ob Archäologie im Boden steckt oder nicht. Je früher sich Investoren damit auseinandersetzen, desto besser. Himmelmann: Wir sehen uns als Partner der Bauherren. Wenn eine Chemie-Altlast auf einem Grundstück ist, dann wollen sie das als Investor ja auch wissen. Der schlimmste Fall ist immer der, wenn etwas Bedeutendes gefunden wird und die Bagger sind bereits im Einsatz. Dann kostet jede Verzögerung in der Regel viel Geld. Das wollen auch wir als Archäologen vermeiden. Wir hatten im vergangenen Jahr nur einen einzigen Baustopp, den wir in Zusammenarbeit mit den Behörden verhängen mussten. Ansonsten konnten wir in allen anderen Fällen schon im Vorfeld der Planungen Lösungen finden. Zur Person Ulrich Himmelmann leitet seit 2014 die Speyerer Außenstelle der Landesarchäologie Rheinland-Pfalz. Zuvor war er rund sechs Jahre Sachgebietsleiter IT/Kommunikation bei der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz. David Hissnauer, wie sein Kollege promovierter Archäologe, ist seit 2016 als Gebietsreferent in der Speyerer Außenstelle der Landesarchäologie. Seit 2014 war er für die Neustrukturierung des zentralen Funddepots der Außenstelle Speyer verantwortlich.

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