Karlsruhe Katrin lockt Nobelpreisträger in den Wald

Dicke Waage: Ein Kernbaustein der Forschungsanlage ist ein 24 Meter langer, 200 Tonnen schwerer Vakuumtank.
Dicke Waage: Ein Kernbaustein der Forschungsanlage ist ein 24 Meter langer, 200 Tonnen schwerer Vakuumtank.

Wenn 16 hochrangige Wissenschaftler aus aller Welt, darunter zwei Physik-Nobelpreisträger aus Japan und den USA, auf 15 rote Knöpfe drücken, dann kann es sich dabei nur um den Start eines außergewöhnlichen Experiments handeln. Das heißt Katrin (Karlsruher Tritium Neutrino Experiment), besteht aus der genauesten Waage der Welt und ist am Montag in die heiße Phase gegangen.

Kurz vor 13 Uhr wurde Katrin am Campus Nord des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), mitten im Wald bei Eggenstein-Leopoldshafen, offiziell in Betrieb genommen. In den kommenden Jahren, so die Hoffnung, soll mit Katrin die Masse von Neutrinos bestimmt werden. Dabei handelt es sich um physikalische Grundlagenforschung, wie sie beispielsweise auch am Cern bei Genf betrieben wird. Neutrinos gehören zu den kleinsten Bausteinen des Universums und sehr wahrscheinlich sind sie auch die leichtesten. Das Universum ist voll von ihnen, sie durchdringen alles – selbst Sonne und Mond - ohne sich großartig abbremsen zu lassen. Unter Experten gelten sie deshalb als die Superstars unter den Elementarteilchen, dem Japaner Takaaki Kajita und dem Kanadier Arthur McDonald, beide in Karlsruhe anwesend, wurde 2015 für ihre Entdeckung der Neutrinooszillation der Nobelpreis für Physik zugesprochen. Fällt schon der Nachweis dieser „Geisterteilchen“ extrem schwer, ihre Masse halbwegs genau zu bestimmen gelang bisher noch gar nicht. Entsprechend gigantisch ist der Aufwand der bei Katrin betrieben wird. Fast zwei Jahrzehnte dauerten die Vorarbeiten, mehr als 60 Millionen Euro wurden investiert und rund 200 Wissenschaftler aus 20 Instituten in sieben Ländern trugen mit ihrem Wissen und ihren Fähigkeiten dazu bei, dass das Experiment jetzt gestartet werden konnte (wir berichteten). Allein um einen 200 Tonnen schweren und 24 Meter langen Vakuumtank, das auffälligste Teil der Anlage, im Jahr 2006 vom bayerischen Deggendorf nach Karlsruhe zu transportieren, war ein Umweg von über 8000 Kilometer nötig, denn das riesige Teil musste per Schiff über die Donau und durchs Schwarze Meer durch das Mittelmeer und den Atlantik nach Antwerpen geschippert werden, ehe es rheinaufwärts nach Karlsruhe ging. Die anderen Komponenten der Anlage sind nicht minder bemerkenswert: Nichts gab es „von der Stange“, alles musste entsprechend den Vorstellungen der Wissenschaftler hergestellt und zusammen gebaut werden. Und immer wieder wurden die Grenzen des technisch Machbaren ausgereizt, so ist im Inneren des großen Vakuumtanks der Druck so niedrig wie auf dem Mond. Weltweit gibt es in dieser Größe nichts Vergleichbares. Und insgesamt entstand eine Versuchsanordnung mit nie dagewesener Präzision, mit der sich die Masse von Neutrinos 100 mal genauer ermitteln lässt, als es mit bisherigen Experimenten möglich wäre. Johannes Blümer, am KIT für die Bereiche Physik und Mathematik zuständig, sprach deshalb am Montag von einem „Happy Day“ für das Universum, denn wenn es gelingt, die maximale Masse von Neutrinos zu bestimmen, dann hilft das vielleicht, die Entstehung des Universums zu verstehen. Fünf bis sechs Jahre dürfte es dauern, so die Experten, bis die ersten Ergebnisse vorliegen, doch schon jetzt gilt das Experiment als Erfolg, denn es wurden bereits zahlreiche neue Erkenntnisse gewonnen.

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