Kreis Germersheim Karlsruhe: Pfälzer forschen am Auto der Zukunft

Am VEL-Prüfstand (Vehicle-in-the-loop) am Campus des KIT in Karlsruhe: Dr. Ing. Martin Gießler, Axel Diewald (Doktorand), Sevda
Am VEL-Prüfstand (Vehicle-in-the-loop) am Campus des KIT in Karlsruhe: Dr. Ing. Martin Gießler, Axel Diewald (Doktorand), Sevda Abadpour (Doktorandin) und Professor Thomas Zwick (von links nach rechts).

Karlsruhe: Die Pfälzer Thomas Zwick aus Ludwigshafen und Axel Diewald aus Frankenthal forschen mit Kollegen am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) an der Zukunft des autonomen Autofahrens. „Tesla-Kunden sind Versuchskaninchen.“

„Wir entwickeln hier einen Prüfstand zum Testen von autonomen Fahrzeugen inklusive der Sensoren, mit denen sie sich im Verkehr zurechtfinden. Das ist, als könnten sie beim Optiker an einem Gerät nicht nur ihre Sehstärke prüfen, sondern gleichzeitig ihre Befähigung, in der Rushhour einen Bus durch die Straßen von Rom, Paris und London zu lenken“, sagt Thomas Zwick und deutet auf den gewaltigen Prüfstand im Hintergrund, der sich in einer Werkhalle auf dem Campus des Karlsruher Instituts für Technologie befindet. Sollen Autos einmal sicher ohne Fahrer unterwegs sein, müssen sie ihre Sinne beisammen haben – und zwar möglichst viele davon. Der Aufbau besteht aus einem Geländewagen, der scheinbar über dem Boden schwebend mit seinen Achsen über Wellen mit großen grauen Kästen verbunden ist. Auf Höhe der Scheinwerfer ist ein großer Bildschirm montiert, auf dem eine bewaldete Berglandschaft vorbeizieht. „Wir gaukeln dem Fahrzeug vor, es sei auf der Schwarzwaldhochstraße“, sagt der Leiter des Instituts für Hochfrequenztechnik und Elektronik. „So können wir drinnen im Labor alle möglichen Situationen auf Abruf simulieren. Draußen müssten wir Millionen Kilometer zurücklegen, um alle Eventualitäten abzudecken.“ Die Illusion ist für das computergesteuerte „Autogehirn“ perfekt: Während vor den Kameraaugen in der Frontpartie Bauernhäuser, Tannenwald und andere Pkw vorbeiziehen, geben die Elektromotoren in den Boxen mehr oder weniger Widerstand auf die Achsen. „Je nachdem, ob es bergauf, bergab, geradeaus oder um die Kurve geht“, erläutert Martin Gießler vom Institut für Fahrzeugsystemtechnik, dessen Forschungsgruppe die einzigartige Anlage auch mit Studenten aufgebaut hat. Da Kameras aber mehr oder weniger nur das wahrnehmen, was auch das menschliche Auge sieht, werden automatisch fahrende Autos mit weiteren Sensoren wie Ultraschall, Radar oder Lidar – hier werden statt Radiowellen wie beim Radar Laserstrahlen verwendet – ausgestattet. Diese können auch Hindernisse aufspüren, die sich im Dunkeln oder in einem für Auge oder Kamera blinden Fleck befinden. Das Problem: „Ein Radar ist im Gegensatz zu einer Kamera nur sehr schwer zu beschwindeln“, sagt Zwick. Er und sein Team arbeiten deshalb an Möglichkeiten um Streckensimulationen, wie die gerade auf dem Monitor laufende, fürs Radar zu übersetzen. Schließlich sollen auch die Radarsensoren auf einem Prüfstand getestet werden können. „Wir müssen dazu aus der Computergrafik extrahieren, was das Radar sehen soll.“ Das sei überaus knifflig, räumt der Professor aus Ludwigshafen ein. Das Problem dabei ist, dass ein Radar Signale aussendet, mit denen es die Umgebung abtastet und diese Impulse dann wieder empfängt. Je nachdem, wie die Signale zurückgeworfen werden – verzögert, gedämpft – entsteht ein Bild. „Diese Verzögerungen oder Dämpfungen künstlich zu erzeugen ist technisch sehr schwierig und aufwendig und momentan noch Gegenstand der Forschung“, sagt Zwick. Und damit nicht genug: „Die besondere Herausforderung besteht im Zusammenspiel zwischen den unterschiedlichen Sensoren“, erklärt Zwick. Denn schließlich soll das Auto aus den unterschiedlichen Signalen den jeweils gleichen Schluss ziehen. „Zum Beispiel, dass sich von der Seite ein Fußgänger der Fahrbahn nähert.“ Also müsste die Simulation „sämtliche Sinne“ des Autos ansprechen. „Um Sicherheit zu gewährleisten muss ich schließlich das gesamte System testen und nicht nur die einzelnen Komponenten, also die gesamte Fahrfunktion inklusive der Sensoren.“ Solche komplexen Systeme noch besser zu machen, soll später mit der am KIT entwickelten Anlage möglich sein. Gleich zwei Doktoranden hat Zwick deshalb auf das Radar-Problem angesetzt: „Strahlungssignale in Daten zu übersetzen ist ein sehr interessantes Feld“, kommentiert Sevda Abadpour. „Dass die eingehenden Daten in Echtzeit verarbeitet werden müssen, macht die Sache umso spannender“, fügt Axel Diewald hinzu. Fünf Jahre werden die 33-jährige Iranerin und der 26-Jährige aus Frankenthal an dem Projekt arbeiten. Eine lange Zeit, während anderswo Autos schon autonom über die Straßen rollen. „Als Tesla-Kunde sind sie ein Versuchskaninchen“, sagt Thomas Zwick, der ganz und gar nicht der Meinung ist, dass die etablierten deutschen Hersteller, dem US-Newcomer hinterherhinken. „Im Gegensatz dazu, halten die ihre Technik zurück, bis sie ganz und gar ausgereift ist.“ Außerdem seien die kalifornischen Verkehrsverhältnisse nicht mit den hiesigen zu vergleichen. „Riesige Highways, immer bestes Wetter.“ Auf die Schwarzwaldhochstraße auf dem Monitor fallen erste Regentropfen.

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