Karlsruhe In der feuchten Wolke verweilen

Der Siegerentwurf, präsentiert von Anke Karmann-Woessner und dem Jury-Vorsitzenden Gerd Aufmolk (oben). Das Areal am geplanten N
Der Siegerentwurf, präsentiert von Anke Karmann-Woessner und dem Jury-Vorsitzenden Gerd Aufmolk (oben). Das Areal am geplanten Neubau des Internet-Moguls Ralf Dommermuth (1&1, United Internet) soll einen Park erhalten.

Der Mut zur Lücke begeisterte die Juroren. Am Südportal des Hauptbahnhofs Karlsruhe, dort, wo der Internet-Riese 1&1 derzeit zwei Bürotürme in den Himmel wachsen lässt, soll in wenigen Jahren eine Platzanlage entstehen, die den Reisenden in der Stadt auch wirklich Willkommen heißt.

Eine knapp 5.000 Quadratmeter große Visitenkarte, die zudem als angemessener Verknüpfungspunkt zwischen Bahn- und Individualverkehr dienen soll. Die Stadt lud fünf Planungsteams aus dem ganzen Bundesgebiet zu einem Wettbewerb ein, der aus Sicht des Jury-Vorsitzenden Professor Gerd Aufmolk aus Nürnberg absolut gerechtfertigt war. „Bahnhofsvorplätze sind meist ruppige Orte und für Stadtplaner schwere Aufgaben“, erläuterte Aufmolk. Menschen, Fahrräder, Taxen und Autos träfen hier in großer Zahl und auf engstem Raum aufeinander, trotzdem dürfe solch ein Platz nicht nur verkehrstechnisch seine Pflicht erfüllen. Er müsse auch ein anmutiges Tor zur Stadt sein. Wer jemals im Hauptbahnhof Ludwigshafen einen Zug verlassen und sich dort auf den Weg in die Innenstadt gemacht hat, weiß, was in Karlsruhe unbedingt vermieden werden soll. Geht es nach den Vorstellungen der Stadtplaner, dann könnte am Hauptbahnhof-Süd sogar eine kleine, parkähnliche Anlage mit viel Grün und Bäumen entstehen, die sogar zum Verweilen einlädt. Der Siegerentwurf, den das Münchner Büro Bauchplan gemeinsam mit den Karlsruher Stadtplanern von „berchtoldkrass“ entwickelten, ordnet die gewünschten Bäume an den Rändern des Platzes an und lässt die Blickachse Richtung Schwarzwald frei. „Das hat uns sehr begeistert“, sagt die neue Leiterin des Karlsruher Stadtplanungsamts, Professorin Anke Karmann-Woessner. Alle anderen Vorschläge hatten eine Baumgruppe in der Mitte des Platzes angeordnet, der Blick in die Weite wäre verstellt. Auch die Idee, den Fußgängerbereich in Eingangsnähe und den Autoverkehr (Taxen, ruhender Verkehr, kiss&ride-Zone) am Rand des Platzes unterzubringen und damit klar voneinander zu trennen, kam gut an. Außerdem sollen Wasserspiele und „feuchte Wolken“ - herab fallender Sprühnebel - an heißen Tagen für Abkühlung sorgen und zum Verbleiben einladen. Begeistert zeigte sich die Jury aus Stadt- und Verkehrsplanern sowie Mitgliedern des Gemeinderats auch von der Idee, direkt am Bahnhofsausgang eine Art beweglichen Vorhang aus stabilen Kunststofftextilien vorzusehen. Wo die anderen Büros feste Portale mit Platz für Kioske vorgesehen haben, wollen Bauchplan und „berchtoldkrass“ bewegliche Elemente aus Kunststofftextilien an einer Stahlrohrkonstruktion aufhängen und im Wind sich bewegen lassen. Für Aufmolk ein mutiges, fast schon poetisches Gestaltungselement, auch wenn man erst noch sehen muss, ob es sich die Idee auch umsetzen lässt. Wie so oft, wenn die Ideen der Stadtplaner auf die Bedürfnisse des eiligen Reisenden treffen, der, ausgestattet mit einem Rollkoffer, schnell den richtigen Bahnsteig erreichen will. Für die Details bleibt auch noch Zeit, denn noch ist beispielsweise nicht geklärt, ob unter dem Platz eine Tiefgarage gebaut werden soll und über welche Zufahrt diese erreicht werden könnte. Kosten, Materialien und Zeitplan sind noch offen. Dass Karlsruhe eine bemerkenswerte Visitenkarte haben will, zeigt allerdings schon der Aufwand, der mit dem Wettbewerb betrieben wurde - und auch die hohe Zahl von Gemeinderäten, die sich an den Jury-Sitzungen beteiligten.

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