Kreis Südliche Weinstraße Hilfe beim Weg aus der Krise

Genesungsbegleiter sollen helfen, Menschen mit psychischen Erkrankungen besser zu verstehen.
Genesungsbegleiter sollen helfen, Menschen mit psychischen Erkrankungen besser zu verstehen.

Es war Anfang der 90er-Jahre, als Werner Walter nicht mehr weiter wusste. „Ich war so verzweifelt, dass ich den Sinn des Lebens aus den Augen verloren hatte“, erzählt Walter, der in Rheinland-Pfalz lebt. Heute, rund 20 Jahre später, steht er selbstbewusst vor einer Gruppe von Menschen, die sich für einer Info-Veranstaltung im Pfalzklinikum in Klingenmünster eingefunden haben, und erzählt, wie er ganz von vorne beginnen konnte. „Mir geht es richtig gut“, sagt Walter, der die Krisensituation durchstehen konnte und nun selbst psychisch erkrankten Menschen seine Hilfe anbietet. Walter ist nicht nur Sozialarbeiter, sondern bildet auch ehemalige Psychiatrie-Patienten zu Experten in eigener Sache aus, und zwar in seiner Funktion als Ex-In-Trainer. Die Abkürzung Ex-In steht für das englische „Experienced Involvement“ und bedeutet übersetzt „Einbindung der Erfahrung“. Gemeint ist damit die Einbeziehung von Menschen mit Psychiatrie-Erfahrung in die Arbeit von Einrichtungen und Kliniken – mit dem Ziel, Menschen in seelischen Krisen mit Expertenwissen zu unterstützen. Die Ex-In-Kräfte heißen deshalb auch Genesungsbegleiter. Von denen soll es auch in der Südpfalz welche geben. Deshalb werden hier ab Frühjahr 2019 Genesungsbegleiter ausgebildet. Die Ausbildung zum Genesungsbegleiter wird vom Landesnetzwerk Selbsthilfe seelische Gesundheit Rheinland-Pfalz (NetzG-RLP) in Kooperation mit dem Pfalzklinikum Klingenmünster und dem bundesweit aktiven Verein „Ex-In“ angeboten. Franz Josef Wagner vom NetzG-RLP erklärt: „Die Genesungsbegleiter sollen helfen, Menschen mit psychischen Problemen besser zu verstehen. Zugleich fühlen sich die Betroffenen in ihrer jeweiligen Krisensituation von den Mitarbeitern der Psychiatrie besser verstanden.“ Genesungsbegleitern stellen praktisch die Verbindungen zwischen Betroffenen und Mitarbeitern der Psychiatrie her. Die Schulung wird in der Tagesklinik in Landau sein. Die Qualifizierung wird insgesamt zwölf Module beinhalten und ein Jahr dauern. Die Kursteilnehmer treffen sich dabei einmal im Monat und lernen jeweils an einem Wochenende, wie sie ihre Erfahrungen bei der Bewältigung ihrer seelischen Krise als Handwerkszeug nutzen können, um psychisch erkrankten Mitmenschen zu helfen. Wichtig sei, so erklärte Ex-In-Trainer Tom Klein, dass die Teilnehmer psychisch stabil sind. Schließlich würden sie während des Kurses ihre Lebensgeschichte nochmals aufarbeiten. Sie behandeln Fragen wie „Was macht mich gesund?“ und „Wie kann ich wieder erstarken?“. Später geht es für sie darum, aus dem Wissen über die eigene Erkrankung und über die Krisen anderer wirksame Methoden zu entwickeln, um psychisch erkrankte Menschen zu begleiten. Rollenspiele, in denen Gespräche mit dem Arzt oder den Angehörigen simuliert werden sollen, stehen in der Ausbildung im Fokus. Darüber hinaus müssen Teilnehmer zwei Praktika absolvieren, beispielsweise beim Gesundheitsamt oder in Einrichtungen wie der Caritas oder Awo. Im Idealfall sind Genesungsbegleiter schon beim Aufnahmegespräch eines Patienten in einer psychiatrischen Einrichtung dabei, um den Menschen das Ankommen und den Kontaktaufbau in der Einrichtung zu erleichtern. Auch beim Übergang von der Klinik in die Häuslichkeit könnten sie da sein, was für Betroffene ein schwerer Schritt sein kann. „Ziel dieser Ausbildung ist, dass Menschen in Krisensituationen widerstandsfähiger werden. Bestenfalls werden die Genesungsbegleiter schon tätig, bevor die Betroffenen in die Psychiatrie eingewiesen werden“, so Wagner. Die Ausbildung zum Genesungsbegleiter ist jedoch noch nicht vollwertig anerkannt, weil sie keine 1200 Unterrichtsstunden, sondern nur 500 umfasst. Auch gebe es dafür kein offizielles Berufsbild, weshalb keine Fördermittel für die Schulung beantragt werden können. Für Interessierte heißt das: Die Kosten in Höhe von 2400 Euro müssen sie aus eigener Tasche bezahlen. Am Geld soll die Teilnahme aber nicht scheitern, sagt Werner Walter. „Es gibt immer Mittel und Wege.“ So gebe es die Möglichkeit, über den Arbeitgeber oder über Stiftungen einen Zuschuss für die Kursteilnahme zu bekommen. Nach ihrer Ausbildung können die Genesungsbegleiter in psychiatrischen Einrichtungen tätig sein. Die Spannweite bei der Bezahlung sei allerdings groß, sagt Wagner. Manche Einrichtungen beschäftigen Genesungsbegleiter auf 450-Euro-Basis, andere zahlen ihnen einen Stundenlohn, der sich an dem eines Sozialarbeiters orientiere. Info Interessierte können sich beim Landesnetzwerk Selbsthilfe seelische Gesundheit bewerben, telefonisch unter 0651 1707967 oder per E-Mail an F.J.Wagner@gmx.net.

x