Kultur Südpfalz Helden als Spießbürger

„Uns ist in alten Maeren wunders vil geseit“: Szene mit Daniel Pastewski, Volker Hanisch, Michael Dahmen, Tiny Peters, Ina Schli
»Uns ist in alten Maeren wunders vil geseit«: Szene mit Daniel Pastewski, Volker Hanisch, Michael Dahmen, Tiny Peters, Ina Schlingensiepen, Edward Gauntt und Rebecca Raffell (von links).

Treffen sich die Nibelungen beim Frühstück… Beim Frühstück? Nein, am Badischen Staatstheater Karlsruhe wird nicht der eben frisch vollendete „Ring“ von Richard Wagner noch einmal neu inszeniert. Am 15. Dezember um 19 Uhr kommen „Die lustigen Nibelungen“ auf die Bühne des Großen Hauses. In der 1904 uraufgeführten Operette nahmen der Komponist Oscar Straus und der Textdichter Rideamus den grassierenden Nibelungenkult auf die Schippe. Und das betraf keineswegs nur Wagners Operntetralogie, im wilhelminischen Kaiserreich war die alte Nibelungensage so etwas wie ein Gründungsmythos. „Die Folie des Nibelungenkults ist weg, aber gemeint sind nach wie vor dieselben Dinge“, sagt Regisseur Johannes Pölzgutter. Nachdem die Charaktere aus der Nibelungensage spätestens bei Wagner überlebensgroß wurden, schrumpfen sie in der satirischen Operette auf bürgerliches Normalmaß. Drachentöter Siegfried ist Schaumweinfabrikant, der sein Geld in Aktien der Rheinischen Bank angelegt hat. Noch beim Frühstück einigt sich die angeheiratete Sippe darauf, Siegfried zu ermorden und sein Geld einzustreichen. Doch dieses aktienbasierte Rheingold erweist sich als Blase, die Aktien fallen ins Bodenlose, und es fragt sich, ob die Ermordung überhaupt noch lohnt? Die einzelnen Bilder der Operette funktionieren bestens als Satire, erklärt Pölzgutter. Er will „Die lustigen Nibelungen“ nicht als Parodie auf den Karlsruher „Ring des Nibelungen“ inszenieren. Aber ein paar Details habe er diskret eingebaut, ebenso dezent, wie Komponist Oscar Straus in seinem Stück ein paar Motive aus Wagners Musik versteckt hat. Aber „Die lustigen Nibelungen“ sollen ja auch den Zuschauern Spaß machen, die nicht im „Ring“ waren. Der österreichische Regisseur hat sich den Karlsruher Zyklus natürlich angesehen, „Siegfried“ und „Die Götterdämmerung“ live, „Rheingold“ und „Die Walküre“ auf Video, und oft genug musste er feststellen, dass Ideen, die er für „Die lustigen Nibelungen“ hatte, schon von einem der vier „Ring“-Regisseure gebracht wurden. Johannes Pölzgutter hat Erfahrung in Sachen Humor auf der Bühne. Ob es um barocken Witz geht wie in Pergolesis „La serva padrona“ oder um eine romantische Verwechslungskomödie wie Flotows „Martha“, entscheidend sei, dass man keine Angst habe. Das gelte auch für die Solisten auf der Bühne, so der Regisseur: Witze könne man nicht proben, witzig sein nicht befehlen. Man brauche die Fähigkeit, über sich selbst lachen zu können, und Mut. Viele Intendanten würden sich freuen, wenn ein Regisseur bereit sei, Komödien zu inszenieren, anstatt dergleichen Angebote abzulehnen aus der Angst, dann in der Komödien-Schublade stecken zu bleiben. Und noch etwas sei wichtig: man müsse aufpassen, nicht zu viel Bedeutungsschwere zuzulassen, damit das Stück eine Komödie bleibt. Pölzgutter ist praktisch im Theater aufgewachsen. Als Angestellter am legendären Wiener Burgtheater bekam sein Vater immer Freikarten, und das galt damals nicht nur für das Burgtheater, sondern für alle staatlichen österreichischen Bühnen. Schon als Kind ging er mit Begeisterung ins Theater. Besonders fasziniert hätten ihn damals gerade die Stücke, die nicht für Kinder geschrieben wurden. Es sei nie sein Traum gewesen, als Held auf der Bühne stehen, erzählt der Regisseur. Ihn hätte von Anfang an die szenische Umsetzung gefesselt. Also studierte er Musik- und Theaterwissenschaft und machte in Wien 2008 seinen Abschluss in Musiktheaterregie. Besonders reizvoll findet Pölzgutter die Inszenierung weniger bekannter Stücke. „Die lustigen Nibelungen“ sind in Karlsruhe zuletzt in den 1990er-Jahren gespielt worden, und nur Urgesteine wie die Sopranistin Tiny Peters können sich noch daran erinnern. Solche Stücke böten mehr Freiraum als oft Gespieltes wie beispielsweise eine „Tosca“, von der jeder Zuschauer bereits eine feste Vorstellung im Kopf habe, meint der Regisseur. Am Freitag wird sich zeigen, mit welchen Zutaten er das Frühstück bei den Nibelungen zubereitet hat. Info Infos, Karten und Termine unter www.staatstheater.karlsruhe.de, Telefon 0721 933333. Am 19. Dezember um 20 Uhr ist die B-Premiere in anderer Besetzung.

Johannes Pölzgutter setzt die Operette am Staatstheater in Szene.
Johannes Pölzgutter setzt die Operette am Staatstheater in Szene.
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