Kultur Südpfalz Getanzte Wonnen

Am Liebeshof: Rafaelle Queiroz (Mitte) und das Ensemble des Staatsballetts.
Am Liebeshof: Rafaelle Queiroz (Mitte) und das Ensemble des Staatsballetts.

Lüsterne Mönchlein und liebesfrohe Mädchen – die Welt der „Carmina Burana“ ist bunt und lebensfroh, auch wenn sie unter dem Zeichen des Glücksrads steht, das die Menschen zwischen Freudenhimmel und Jammertal schweben lässt. Die berühmte mittelalterliche Liedersammlung wurde 1937 von Carl Orff zu einer farbenreichen Galerie unterschiedlicher Gefühle vertont, die der Choreograf Germinal Casado 1983 in Karlsruhe zu einem erfolgreichen Tanzreigen von praller Vitalität gestaltete. Ganze 21 Jahre lang hat Casado seine Compagnie „Danza Viva“ am Badischen Staatstheater geleitet und dabei als Tanzschöpfer wie als opulenter Ausstatter einen unverwechselbaren Stil entwickelt. Unter seinen zahlreichen, oft ein wenig ausufernden Produktionen sind die „Carmina Burana“ von geradezu wohltuender, unaufwendiger Schlichtheit – was die Neueinstudierung des Werks durch den ehemaligen Casado-Tänzer Pierre Tavernier in Karlsruhe begünstigte. Ein halb versenktes Schicksalsrad im Hintergrund und eine ausgepichte Beleuchtung (Gerd Meier) markieren den abstrakten Wunschort, in dem das 22-köpfige Ensemble plus zehn Solisten die Szenenfolge von frühlingshafter Anmut „Primo Vere“, volkstümlichen Tänzen „Auf dem Anger“, deftiger Kneipenlaune, zierlichen Idyllen am Liebeshof und erotischen Tändeleien in sinnliche, mythologische Bilder übersetzt, die von den getanzten Wonnen des Diesseits künden und gerahmt sind von der Beschwörung der launischen Göttin Fortuna als Beherrscherin der Welt. Dabei scheint das klassisch geprägte, stilistisch festgelegte Staatsballett mit Casados Tanzsprache auf flacher Sohle und mit lasziven Akzenten nicht immer ganz glücklich zu werden. Namentlich in den großen Ensembles wie bei den mystisch tanzenden Kapuzenbrüdern oder dem turbulenten Dorfplatz-Reigen „Swaz hie gât umbe“ weist der Abend durch asynchrone Abläufe und Unregelmäßigkeiten der Formation ungewohnte technische Schwächen auf, die durch den mitreißenden Sog der Orff-Musik wie in dem stampfenden Sauflied „In taberna quando sumus“ freilich immer wieder aufgewogen werden. Namentlich bei den Solisten hat die Aufführung schöne, dekorative Höhepunkte. Moeka Katsuki und Pablo Octávio tanzen als jugendliches Pärchen eine entzückende Szene maienseliger Verliebtheit. Als sterbender Schwan in der Pfanne demonstriert Pablo Octávio überdies sein Talent für groteske Komik. Rafaelle Queiroz gibt den kapriziösen Ritualen des „Cour d’Amour“ elegante Würde, Olgert Collaku verleiht der liebeswunden Klage „Dies, nox et omnia“ melancholische Akzente, Andrey Shatalin stattet den prahlenden Schlaraffen-Abt („Ego sum abbas“) mit protzender Chauvi-Allüre aus, und Blythe Newman macht mit Admil Kuyler das Lied von der freudenvollen Zeit zu einem Moment animierter Daseinslust. Der Abend leidet unter der misslichen Entscheidung des Theaters, die Aufführung ohne dringend notwendige Übertitelung laufen zu lassen. Die reizvollen Texte sind in lateinischer, mittelhochdeutscher und altfranzösischer Sprache geschrieben. Die Mehrheit des Publikums wird schwerlich verstehen, worum es da auf der Bühne geht und was die Grundlage der Tänze ist. Schade, denn die Lieder sind es wert, gelesen und verstanden zu werden. INFO Die nächsten Aufführungen sind heute, am 26. Mai, 9. Juni, 1., 13. und 22. Juli sowie am 26. Mai 2019. Karten gibt es unter Telefon 0721 933333 sowie im Internet unter www.staatstheater.karlsruhe.de.

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