Kultur Südpfalz Gefühl für Frauen und Serienkiller

Die Realität sei oft viel unglaubwürdiger als die Fiktion, erklärte der Autor Sebastian Fitzek in der Festhalle.
Die Realität sei oft viel unglaubwürdiger als die Fiktion, erklärte der Autor Sebastian Fitzek in der Festhalle.

Was hat Sebastian Fitzek mit Daniel Kehlmann, Rafik Schami und Theresia Walser gemeinsam? Der Thriller-Autor Fitzek wurde ebenso wie die drei Literaten von Anja Ohmer, der Leiterin des Zentrums für Kultur- und Wissensdialog, nach Landau eingeladen, als Inhaber der elften Poetik-Dozentur.

Als poetisch bezeichnet den 46-jährigen Berliner nicht jeder. „Klischeebehaftet, dumm, talentlos“ urteilt etwa der Literaturkritiker Denis Scheck. „Missgünstig, rückwärtsgewandt, einfach sowas von gestern“ nennt Ohmer solche Ansichten und plädiert für einen „zeitgemäßen, offenen und modernen Literaturbegriff“. Bei der Poetik-Dozentur gibt der Autor Einblicke in seinen Schreibprozess und lässt die Zuhörer so nicht nur am fertigen Buch, sondern vor allem an dessen Entstehung teilhaben. Eine Aufgabe, die dem redseligen Fitzek nicht schwerzufallen scheint. „Wohl kaum jemand pflegt den Kontakt zu seinen Fans so intensiv und aufrichtig wie er“, betont Ohmer. Zu dieser „Kontaktpflege“ hatte Fitzek in den vergangenen Tagen viele Gelegenheiten. Ob er nun am Mittwoch mit Schülern und Studenten in der Bibliothek einen Thriller entwarf, in der Thalia-Buchhandlung Bücher signierte, Interviews gab oder am Donnerstag mit Studenten des Fachs Darstellendes Spiel in den absurdesten Rollen durch die Räume flitze. Sehr nahbar und einfach „mittendrin“ wirkte der erfolgreiche Autor auch beim Betreten der Bühne der Festhalle am Donnerstagabend. „Fiktive Realität statt Fake News“ kündigte die Präsidentin der Universität May-Britt Kallenrode seinen Vortrag an und übergab ihm die Urkunde der Poetik-Dozentur. Schon am Mittwochabend beim „Best-of Sebastian Fitzek“ im Universum-Kinocenter schien der Autor auf der Bühne am richtigen Platz zu sein. Wer ihn am Donnerstag sah, dachte sich vielleicht: „Eine richtige Rampensau“ – im positiven Sinn. Am Donnerstagsabend wurde eine andere Sprache verwendet als am Abend zuvor. So waren es auch nicht mehr „Leute, die einen Pfeil im Kopp haben“, sondern „verhaltensauffällige Mitmenschen“, die Fitzek zu seinen Charakteren inspirieren. Den leger-sportlichen Look vom Vortag hatte Fitzek durch einen Anzug ersetzt. Auf Understatement setzte Fitzek aber nach wie vor: „Ich habe es heute mit einem Publikum zu tun, das wahrscheinlich belesener und studierter ist als ich selbst“, sagte er. Für gewöhnlich klingen solche Aussagen nach der Befolgung allgemeiner PR-Tipps. Doch bei Fitzek erschienen sie authentisch und als gelungener Einstieg in seine Dozentur. Die Realität sei oft sehr viel unglaubwürdiger als die Fiktion, erklärte Fitzek. So sei es nicht verwunderlich, dass sich viele Menschen einen Plan hinter den Ereignissen wünschen. So auch die Leser seiner Psychothriller. Das Suchen und Finden von Gründen und Motiven spiele für den Rezipienten eine zentrale Rolle. „Der Leser möchte abschalten, dem Alltag entfliegen, den Kopf freibekommen“, sagte Fitzek. All dies gelinge aber nur dann, wenn die Figuren nachvollziehbar handeln. Von der ersten bis zur letzten Seite mache der Leser einen ständigen Faktencheck. „Obwohl wir die Fiktion akzeptieren, wissen, dass wir angelogen werden, überprüfen wir ständig, ob diese Lüge realistisch ist, ob sie also theoretisch auch wahr sein könnte“, erklärte er. Nur dann, wenn Literatur glaubwürdig sei, könne sich der Leser in ihr „verlieren“. Der Autor müsse also eine „fiktive Realität“ erschaffen, so Fitzek. Doch wie gelingt dem Autor nun die große Herausforderung, eine „wahre Lüge“ zu erschaffen? „Die Lüge innerhalb der Fiktion muss so beschaffen sein, dass sie noch glaubhaft wirkt. Die Figur muss besonders sein, detailreich ausgestattet, lebensecht und authentisch, aber so außergewöhnlich, dass man sie miterleben möchte, ihr folgen möchte“, erklärte Fitzek im Gespräch mit der RHEINPFALZ. Doch was genau eine Figur authentisch mache, daran habe jeder andere Maßstäbe. Individuelle Maßstäbe zeigen sich auch bei den Reaktionen der Leser: „Ich werde nur sehr selten gefragt, wie ich es schaffe, mich in einen Serienkiller hineinzuversetzen. Viel häufiger wollen Leser wissen, wie es mir gelingt, mich in eine Frau hineinzuversetzen“, berichtete Fitzek amüsiert. Langer Applaus und viele Lacher standen am Donnerstag am Ende eines kurzweiligen und spannenden Abends. „Es war wirklich toll. Man hat jetzt ein ganz anderes Gefühl für seine Literatur“, schwärmte eine Zuhörerin.

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