Kreis Germersheim Führerschein für ein neues Leben

Führerschein und Autoschlüssel – Garanten für Mobilität.
Führerschein und Autoschlüssel – Garanten für Mobilität.

Alles ist neu für den Führerscheinprüfling. Obwohl er in Syrien gleichzeitig mit vielen Mitfahrern sprechen, ein Sandwich essen, eine Notiz aufschreiben, einem Schlagloch ausweichen, hupen und auf verschiedene Situationen reagieren konnte. Jetzt muss er in Deutschland auf viele Regeln achten, die es in Syrien gar nicht gibt. In weniger als einer Sekunde muss man die Geschwindigkeit im Auge behalten, reihenweise Verkehrsschilder beachten, sie schnell verstehen und auch noch auf den Fußgängerübergang aufpassen.

Mehr als 5000 mühsam zusammengesparte Euro haben einige Syrer bezahlt, um einen deutschen Führerschein zu bekommen. Andere scheitern, obwohl sie so viel Geld ausgegeben haben. Wieder anderen geht mittendrin das Geld aus. Das Hauptproblem ist die Sprache. Alle Araber haben auf die Entscheidung gewartet, dass sie die Theorieprüfung auf Arabisch absolvieren können. Seit Oktober 2016 stehen Prüfungsunterlagen auch in arabischer Sprache zur Verfügung. Mobilität ist für Flüchtlinge wichtig. Sie müssen zum Sprachkurs, zur Behörde oder zum Arzt zu kommen. Auf dem Arbeitsmarkt geht es meist nicht ohne Führerschein. Viele haben Interesse, als Taxi-, Bus- oder Lkw-Fahrer zu arbeiten. Wenn sie Aussicht auf einen Arbeitsplatz haben, wird der Führerschein vom Jobcenter ganz oder teilweise bezahlt. Ein Führerschein aus einem Land außerhalb der EU ist in Deutschland ein halbes Jahr ab Ankunft gültig. So lange können die Flüchtlinge ihren Heimatführerschein nutzen. Wer nachweislich nicht länger als ein Jahr in Deutschland bleiben wird, kann eine Verlängerung um weitere sechs Monate beantragen. Mehr geht nicht. Die ersten syrischen Flüchtlinge, die einen deutschen Führerschein machen wollten, waren vor über drei Jahren Familien, die schon in Syrien ein Auto besaßen und diese Mobilität gewohnt waren. Mit einem gültigen syrischen, deutsch übersetzten Führerschein muss man nicht alle Pflichtfahrstunden machen und auch den Unterricht nicht besuchen. Man muss ihn nur umschreiben lassen. Vorher ist allerdings die theoretische Prüfung notwendig. Die kann man in zwölf verschiedenen Sprachen ablegen. Der Prüfer beim TÜV stellt am Computer die entsprechende Sprache ein und sieht, ob die richtige Antwort angekreuzt ist. Das geht auf Englisch oder Arabisch, auch wenn die Deutschkenntnisse noch nicht ausreichen würden. Lernen kann man mit einer App in der jeweiligen Sprache für die mehr als 1000 Fragen. Etwa die Hälfte davon ist gut verständlich und mit Bildern, Videos und Zeichnungen erklärt. Aber der Rest führt viele arabische Prüflinge in die Irre, da es viele beschriebene Verkehrssituationen in Syrien nicht gibt und man sie deshalb nicht gut verstehen kann. Das sind zum Beispiel Straßenbahnen, die Rechts-vor-links-Regel, Vorschriften für Anhänger und vieles mehr. Die Übersetzung einiger Fragen in der App ist unklar und die Unterrichtsstunden in den meisten Fahrschulen sind nur auf Deutsch. Einige Fahrschulen in großen Städten wie Ludwigshafen haben arabische Lehrer und dort findet der Kurs auf Arabisch statt. Eine Methode, die Prüfung zu bestehen ist Antworten auswendig zu lernen, ohne deren Sinn tatsächlich zu verstehen. Auch weil es auch keine arabische Version des Lehrbuchs gibt, mit dem man die Situationen gut verstehen könnte. Deshalb haben viele Araber die Prüfung mehr als einmal wiederholt. Der praktische Teil ist nicht weniger kompliziert. Die Verständigung mit dem Fahrlehrer ist deutsch, oft gibt es deshalb Missverständnisse und der Fahrschüler macht Fehler. Da nützen auch 20 Jahre Fahrerfahrung in Syrien nichts. Der Fahrschüler verliert Konzentration und Selbstbewusstsein und fährt weiter stressig. Er ist am Ende enttäuscht, verliert sein Selbstvertrauen. Viele wechseln in diesem Moment auch an eine Fahrschule, wo es einen arabischen Fahrlehrer gibt. Einige Fahrschulen machen die praktische Prüfung in Wörth, das kleiner als Speyer ist und deshalb ein Vorteil für die Syrer. Nachteil ist die Straßenbahn, die es in Syrien nicht gibt. Ein erfahrener Syrer, der seinen Führerschein bereits gemacht hat, empfiehlt, dass man die Stadt, in der man die praktische Prüfung machen wird, kennenlernen muss und möglichst alle Verkehrszeichen und Straßen auswendig lernt. Wie für alle Führerscheinneulinge gilt eine Probezeit von zwei Jahren. Wer bereits einen Führerschein hatte, der umgeschrieben wurde, für den entfällt die Probezeit, der arabische Führerschein muss aber abgegeben werden. Zur Person Bahaa Abou Asaly lebt seit drei Jahren in Germersheim. Er hat in Syrien Kommunikationswissenschaften studiert mit dem Hochschulabschluss, der dem deutschen Bachelor entspricht. Bei einer Zeitarbeitsfirma hat er als Personalberater gearbeitet. Zurzeit macht Bahaa Abou Asaly ein Praktikum in der Lokalredaktion Germersheim der RHEINPFALZ und berichtet über seine Zeit in Deutschland. Er ist auf der Suche nach einem festen Arbeits- oder Ausbildungsplatz.

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