Karlsruhe Freunde oft gefährlicher als Dealer

In der Regel beginnt die Sucht mit Zigaretten, dann kommt der Alkohol und dann der Griff zum Joint.
In der Regel beginnt die Sucht mit Zigaretten, dann kommt der Alkohol und dann der Griff zum Joint.

Einige Drogen haben es heute aus der gesellschaftlichen Nische in den Mainstream geschafft. Jüngst hat sogar der Bund Deutscher Kriminalbeamter die Legalisierung von Cannabis und die komplette Entkriminalisierung der Konsumenten gefordert. Aber dennoch: Wie sieht zur Zeit die Situation in jener Stadt aus, die für viele Südpfälzer das abendliche Zentrum von Party und Erlebnis ist?

Vor wenigen Wochen rückte der Tod einer jungen Frau im Berliner Kult-Club Berghain die fatale Verbindung von Spaß haben und Drogen konsum wieder kurz in die öffentliche Aufmerksamkeit. Die Amerikanerin hatte zwei Ecstasy-Pillen genommen und war wenige Stunden darauf an Multiorganversagen gestorben. Die Banalität solcher tragischen Geschehnisse wird dadurch hervorgehoben, dass sie nur dann etwas besonderes sind, wenn sie wie in diesem Fall in einem der berühmtesten Vergnügungsschuppen der Welt geschehen. Cordula Sailer hatte von diesem Vorfall dennoch nur vage etwas mitbekommen. Seit fast 30 Jahren ist sie städtische Mitarbeiterin und als solche mit Drogensucht und -konsum befasst. Und seit 2013 ist sie die leitende Drogenbeauftragte der Stadt. Diese Frau weiß also, was und wie viel hier „geht“. Sie muss nicht nach Berlin gucken, sondern hat in Karlsruhe ausreichend eigene Beschäftigung. Ihr Blick auf die aktuelle Situation ist nüchtern. Gründe zur Besorgnis gebe es nicht, alle Zahlen seien normal und nicht spektakulär. Auffällig sei jedoch, dass zunehmend junge Menschen zu Drogen greifen, „um in Studium oder Beruf zu funktionieren und leistungsfähig zu sein“. Andererseits ist das gefürchtete „Christal Meth in Karlsruhe bis auf ganz wenige Fälle nicht angekommen“. Auch selten : K. O.-Tropfen ins Glas geschüttet zu bekommen. Aber dennoch, „das passiert und ist für junge Frauen sicher eine Gefahr“, bagatellisiert sie diese Vorkommnisse nicht. Als zweifache Mutter weiß sie: „Junge Menschen wollen Party machen. Und wer etwas konsumieren will, der kriegt das auch.“ In der Regel läuft das Beschaffen „über Freunde, Verwandte oder Bekannte. Und wer keine Connections hat, der geht zum Kronenplatz, in den Schlossgarten oder ins Darknet“. In hiesigen Diskotheken oder Clubs komme man allerdings nicht mehr so leicht an Drogen. „Die Lokale werden zunehmend strenger, weil die Polizei dahinter her ist und die Besitzer nicht ihre Lizenz verlieren möchten“, sagt Sailer . Abseits der legalen und akzeptierten Suchtmittel wie Zigaretten und Alkohol bleibe der Klassiker Cannabis beim Konsum unangefochten an erster Stelle. Allerdings seien „der THC-Gehalt und damit die halluzinogene Wirkung heute weitaus höher, gerade bei den synthetisch hergestellten Cannabinoiden. “Der Stoff ist wesentlich gefährlicher als früher“, kritisiert sie ein entspanntes Umgehen mit dem Kiffen. Aber der Cannabis-Konsum steigt. Doch auch „das LSD scheint im Kommen, weil die Jugendlichen wieder mehr mit Halluzinogenen experimentieren“. Vor allem in der Party-Szene beliebt seien Speed, Amphetamine oder Ecstasy-Pillen: „Die neuen synthetischen Drogen sind sehr gefährlich, weil man nicht einschätzen kann, was effektiv drin ist. Die sind schon in kleinsten Dosierungen hochwirksam“. Gleich geblieben in all den Jahren ist laut Sailer allerdings der Weg von Abhängigkeit und Sucht. Es beginnt mit Zigaretten, dann kommen Alkohol und Drogen. Wenn Eltern etwas verdächtig vorkomme, sollten sie vor allem daran denken, „dass Jugendliche und hier besonders die Jungs ihren Weg ins Erwachsenenleben austesten und viel ausprobieren“. Hilfreich seien dann weder das Solidarisieren mit der Sucht, noch das Strafen und Verdammen. Sailer: „Das sind wie das einfache Tolerieren beides keine guten Haltungen“. Wichtig sei aber die klare Ansage „Finger weg! Es ist gefährlich und sei Dir über mögliche Konsequenzen bewusst!“. Eltern sollen das Gespräch suchen und hineinspüren, ob es einmalige Sache war. Oder ob der Heranwachsende mit sich und seinem Leben im Reinen ist und sich im Griff hat. Hierbei helfen thematische Eckpfeiler wie Schule, oder Freunde. Gibt es Hobbys, Pläne für die Zukunft. Und wenn man an die Betroffenen nicht mehr herankommt, dann sollte man die zuständige Drogenberatungsstelle aufsuchen. Da Karlsruhe für Betroffene in der Südpfalz nicht zuständig sei, ist deren Ansprechpartner die Fachstelle Sucht in Landau. Info Fachstelle Sucht, Reiterstraße 19, Landau, 06341 995267-0, www.evh-pfalz.de/suchtkrankenhilfe/fachstelle-sucht-landau.

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