Kreis Südliche Weinstraße „Es stimmte etwas nicht mit ihm“

Der Vorsitzende Richter Jörg Bork (Mitte) wollte gestern mittels Zeugenaussagen den Charakter des Angeklagten ergründen.
Der Vorsitzende Richter Jörg Bork (Mitte) wollte gestern mittels Zeugenaussagen den Charakter des Angeklagten ergründen.

Was ist das für ein Mensch, der zu solch einer Tat fähig ist? Der Vorsitzende Richter Jörg Bork versuchte sich am gestrigen Verhandlungstag eine Vorstellung über den Charakter des Angeklagten zu machen, der im vergangenen Herbst in einer beschaulichen Wohnsiedlung in Gommersheim den Lebensgefährten seiner Mutter mit seinem Kleintransporter heimtückisch angefahren und dabei getötet haben soll. Verschiedene Zeugen wurden vor der Ersten Großen Strafkammer am Landgericht Landau gehört, denn der 35-jährige Mann schweigt sich über den Tathergang und das Mord-Motiv aus. Überwiegend schilderten die Zeugen den Angeklagten als einen zurückhaltenden Menschen. Er sei aber stets höflich und hilfsbereit aufgetreten. Eine böse Tat habe man ihm niemals zugetraut. Im Gegenteil habe er immer versucht, Streit aus dem Wege zu gehen, stattdessen lieber zu schlichten versucht, so sagte sein Jugendfreund aus. Auch in der Familie sei alles „super“ gewesen. Dass der 35-Jährige in psychischer Behandlung gewesen sei, davon habe er nichts gewusst, so der Freund weiter. Der Angeklagte, der seinen Beruf wegen einer Herzmuskelerkrankung hatte aufgeben müssen, habe bei seinem Schwager einen Job beginnen wollen, berichtete der Freund. Aber die Ärzte hätten ihm wegen seiner Herzprobleme davon abgeraten. So habe er ein Geschäft eröffnet, es später aber wieder aufgegeben. Über persönliche oder finanzielle Probleme sei nicht gesprochen worden, auch nicht darüber, dass die Eltern sich getrennt hatten und der neue Lebensgefährte der Mutter die Absicht gehegt habe, zu ihr zu ziehen. Später war nach vorherigen Zeugenaussagen sogar von Heiratsplänen die Rede. Der Angeklagte habe sich geradezu aufopfernd um ihren Sohn, dessen Schwager, gekümmert, als der wegen eines Motorradunfalls längere Zeit im Krankenhaus gelegen habe, erzählte eine Rentnerin. Sogar kurz vor dem Tattag sei er noch bei ihm gewesen. Dass der 35-Jährige sehr hilfsbereit gewesen sei, bestätigte auch die 31 Jahre alte Stiefschwester. Geklagt habe er nie. Sie habe von psychischen Problemen bei ihm nichts festgestellt, auch nicht von gelegentlichen Depressionen. Für sie sei von vornherein klar gewesen: Es war ein Unfall. Von Alkohol und Drogen bei ihm wisse sie nichts. Er sei übrigens ein sicherer und beherrschter Motorradfahrer gewesen. Er habe sie öfter mitgenommen. Am Nachmittag verlas Richter Bork das polizeiliche Protokoll über die Vernehmung der Mutter zum Tathergang. Es sei warm gewesen. Zu dritt hätten sie draußen beim Nachmittagskaffee gesessen, später seien ihr Sohn und ihr Lebensgefährte getrennt gegangen. Ihr Lebensgefährte habe noch einmal zur Arbeit fahren wollen. Nach etwa 20 Minuten sei ihr Sohn, der habe tanken wollen, zurückgekommen. „Ich sah, es stimmte etwas nicht mit ihm“, so die Mutter gegenüber der Polizei. Obwohl an seinem Fahrzeug ein Außenspiegel abgerissen war und vorne rechts Blut geklebte, habe er nicht gewusst, was passiert sei. Streit hätten die beiden Männer nie gehabt. Offenbar habe er nicht mehr klar denken können. Die Medikamente, die ihm wegen der Depressionen verschrieben worden waren, habe er nicht mehr genommen. Eine Nachbarin hatte mit dem Lebensgefährten kurz vor seinem Tod noch gesprochen. Er habe vor seinem Auto gestanden, die Türen alle offen. „Ich freue mich auf einen Kaffee“, habe er gesagt. Dann sei sie in ihr Haus gegangen, habe kurz danach laute Motorgeräusche gehört, dann einen Knall. „Jetzt ist was passiert“, fuhr es ihr in die Glieder und sie sei ans Fenster gerannt. Die Nachbarin habe gerufen: „Der hat ihn umgebracht.“ Der Lebensgefährte habe kerzengerade auf dem Rücken gelegen, der rechte Unterschenkel sei aus dem Gelenk gerissen gewesen. Sie war überzeugt: „Ich denke, dass es gezielt war. Es war doch genug Platz zum Fahren da.“ Man habe den Angeklagten im Tatfahrzeug an seiner roten Mütze erkannt, bestätigte ein anderer Zeuge. Er sei mit großem Tempo in der Sackgasse zurückgefahren und dann beschleunigt nach vorne, mit stoischem Blick an seinem Opfer vorbei.

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