Kreis Germersheim Eine „Lernfabrik“ für die Berufsschule

Klaus Gartner erklärt den Grundlagenteil der „Lernfabrik 4.0“ an der Carl-Benz-Schule. Die Delegation um Landtagsabgeordnete Ank
Klaus Gartner erklärt den Grundlagenteil der »Lernfabrik 4.0« an der Carl-Benz-Schule. Die Delegation um Landtagsabgeordnete Anke Beilstein vom Bildungsausschuss der CDU-Landtagsfraktion sowie Landrat Fritz Brechtel und beigeordneter Christoph Buttweiler (rechts) vom Schulträger hören aufmerksam zu.

Wie von Geisterhand bewegt fährt die Plastikhülle im Handyformat von einem Arbeitsschritt zum nächsten. Fräsen, bohren, kleben, kontrollieren. Nur ein leises Surren zeugt von den Elektromotoren, die Werkstück und Maschinen antreiben. Der Mensch steht staunend daneben. Staunt über das, was ihm seit geraumer Zeit als „Industrie 4.0“ , als „Internet der Dinge“ oder schlichtweg „die Zukunft“ präsentiert wird. Die Staunenden sind CDU-Abgeordnete des rheinland-pfälzischen Landtages und Vertreter des Landkreises Germersheim. Sie sind aber nicht bei Siemens, SEW oder sonst einem Hightech-Unternehmen. Die Fabrik 4.0 arbeitet in der Carl-Benz- und der Heinrich-Hertz-Schule in Karlsruhe. Sie zeigt, wie die Industrieproduktion der Zukunft aussehen wird, und soll helfen, Arbeitnehmer der Zukunft auf diese Produktion vorzubereiten. „Wir können hier eine Industrieproduktion an zwei Standorten perfekt simulieren“, erklärt Lehrer und Maschinenbauingenieur Klaus Gartner. Und mit dieser Simulation werden beispielsweise Auszubildende als Industrie- oder Feinwerksmechaniker an die Fabrik 4.0 herangeführt. „Die Zeiten, als der Industriemechaniker mit dem 32er-Schlüssel durch die Werkshalle lief, sind vorbei“, sagt Gartner. Die Auszubildenden müssen sich mit den Logiken der „intelligenten Fabrik“ auseinandersetzen, schreiben Programm und Ablaufpläne. „Metaller und Elektrotechnik rücken enger zusammen“, sagt Gartner. Respektvolles Kopfnicken bei den Zuhörern. Sie sind nicht zum Spaß da. Sie wollen sehen, wie dieses baden-württembergische Modell der „Lernfabrik 4.0“ funktioniert - und es nach Rheinland-Pfalz importieren. Wenn es nach Martin Brandl (Rülzheim) geht, der den Termin in Karlsruhe organisiert hat, wird die Berufsbildende Schule Germersheim-Wörth Pilotprojekt für die „Lernfabrik 4.0“ in Rheinland-Pfalz. „Aber wir sind ja nur Opposition“, erinnert Brandl daran, dass wohl viel Überzeugungsarbeit in Mainz zu leisten sein wird. Die ist nicht mehr nötig beim Schulträger, dem Landkreis Germersheim. Landrat Fritz Brechtel und Schuldezernent Christoph Buttweiler sind angetan von dem Modell. „Ich will das Thema schnellstmöglich in die Gremien bringen“, sagt Buttweiler. Das heißt im Klartext: Noch vor den Sommerferien soll sich der Kreisausschuss mit dem Thema befassen, gleich nach den Sommerferien der Kreistag. „Dann können wir das Projekt während des nächsten Schuljahres zum Laufen bringen“, gibt er sich optimistisch. Dass das nicht einfach werden wird, lässt sich aus den Worten von Andreas Hörner, dem Leiter der Heinrich-Hertz-Schule, schließen. Seine Schule ist der zweite Standort der „Lernfabrik 4.0“. Hier werden, wie Projektleiter Timm Schunck erklärt, die in der Nachbarschule produzierten Kunststoffhüllen mit elektronischen Bauteilen bestückt. Selbstredend ebenso ohne menschliches Zutun wie bei der vorherigen Produktion. Die angehenden Mechatroniker sitzen paarweise an Computerarbeitsplätzen, an denen der komplette Ablauf der „Fabrik 4.0“ simuliert werden kann. Auch hier, im elektrischen Bereich, geht es nicht um Schlitze klopfen oder Strippen ziehen, es geht um Logiken, Programmierung – vor allem um Verständnis der Abläufe in der „Fabrik 4.0“. Denn, das ist die gute Nachricht, Menschen werden in der „Industrie 4.0“ immer noch gebraucht. Aber mit völlig anderen Qualifikationen als im traditionellen Berufsbild der Industriemechaniker oder Elektroniker. „Wir sind stolz darauf, mit dieser ’Lernfabrik 4.0’ ganz vorne in der technischen Entwicklung der Industrieproduktion dabei zu sein“, sagt Schunck und erntet Zustimmung bei seinem Chef. Der erklärt den Besuchern nach der Vorführung, was notwendig war, bis die Schulen ihre Lernfabriken hatten. „Unsere“, damit sind beide Standorte gemeint, „hat eine Million Euro gekostet.“ 100.000 davon mussten die Schulen über Spenden auftreiben, 400.000 steuerte das Land bei, 500.000 Euro blieben beim Schulträger (Stadt Karlsruhe) hängen. Man könnte glauben, die Wirtschaft unterstütze solche Projekte mit Begeisterung, schließlich werden hier die Fachkräfte der Zukunft (auf Staatskosten) ausgebildet. Falsch. „Wir haben politische Unterstützung gebraucht, sonst hätten wir die 100.000 Euro nicht zusammengebracht“, sagt Hörner. Etwas besser sei es bei der Anschaffung von Tablets für die Auszubildenden gewesen, da hätten Firmen wie Siemens oder EnBW schnell den Vorteil erkannt. In der Schule werden Tablet-Unterricht und „Lernfabrik 4.0“ kombiniert. Im Unterrichtsraum, der eher aussieht wie ein Techniklabor, schreibt auch niemand mit Kreide an eine Tafel. Erklärt wird an „Whiteboards“, der modernen Kombination aus Bildschirm und Tafel, erzählt Schulleiter Hörner nicht ohne Stolz. Der Germersheimer Schulleiter Rainer Sprotte war zwar nicht mit in Karlsruhe dabei, gleichwohl kann man sich vorstellen, dass ihm so eine „Lernfabrik 4.0“ für seine Schule sehr zusagen würde. Sprotte: „Wir haben Nachholbedarf. Baden-Württemberg ist uns um 5 Jahre voraus.“ Sprotte und seine Kollegen haben sich bereits die „Lernfabrik 4.0“ in Gaggenau angesehen. Dort ist Mercedes-Benz ein Kooperationspartner. Und genau das wäre natürlich für den Standort Wörth der Berufsbildenden Schule Germersheim-Wörth ideal. Rund 500 Auszubildende des Wörther Mercedes-Benz Lkw-Werkes besuchen die Berufsschule in Wörth. „Wir müssen den Kreistag überzeugen, damit er das Projekt angeht“, sagte Sprotte gegenüber der RHEINPFALZ. „Es geht um die Sicherung der Fachkräfte vor Ort. Wir haben gerade noch rechtzeitig gemerkt, dass da 5 vor 12 ist.“ Der Landkreis als Schulträger jedenfalls ist willig, aber auch finanziell ziemlich klamm. „Es gibt in Wörth bereits Gespräche mit Mercedes-Benz“, sagte Buttweiler. In Mainz müsse Überzeugungsarbeit geleistet werden“, schloss sich Brandl an. „Wir würden gerne Vorreiter in Rheinland-Pfalz.“

Standort 2 der „Lernfabrik 4.0“ ist die Heinrich-Hertz-Schule. Hier werden die Formen des ersten Produktionsschrittes mit Elektr
Standort 2 der »Lernfabrik 4.0« ist die Heinrich-Hertz-Schule. Hier werden die Formen des ersten Produktionsschrittes mit Elektronik bestücket. Projektleiter Timm Schunck (links) erklärt die »Maschine«.
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