Kultur Südpfalz Ein Untoter im Blutrausch

Schon von außen ist zu sehen, dass Franco Fagioli wieder am Staatstheater singt.
Schon von außen ist zu sehen, dass Franco Fagioli wieder am Staatstheater singt.

Morgen um 20 Uhr ist im Badischen Staatstheater Karlsruhe erst die dritte und doch schon vorerst letzte Vorstellung der Oper „Lucio Silla“ von Mozart. Die Produktion ist sehens- und vor allem hörenswert. Von nah und fern ist das Publikum zu den ersten beiden, umjubelten Abenden angereist.

Optisch kommen in dieser spannenden Inszenierung nicht zuletzt Freunde blutsaugerischer Unterhaltung, speziell solche von Vampir-Geschichten jüngeren Datums („Twilight“) auf ihre Kosten, denn der römische Diktator Silla (der historische Sulla) ist in Tobias Kratzers Regie ein Untoter. Er überlebt den Anschlag auf ihn denn auch mühelos. Bei der schönen Giunia, der Tochter seines alten Rivalen, ist der mit digital auf den neuesten Stand ausgerüstete Silla vor allem auf den Lebenssaft aus. Der wird in den vier Stunden reichlich verströmt. Am Ende übt auch Giunia bei ihrem Geliebten Cecilio den Halsbiss aus. Es gibt also sehr viel zu sehen an diesem Opernabend in Koproduktion mit der Oper Brüssel. Auch einen Hund. „Gibt es eine Oper mit Hunden“, fragte einst Loriot in seiner Szene an der Theaterkasse. Hier ist eine. Yonna, laut Programmheft Showhund von Profession, läuft nicht nur zielgerichtet über die Bühne, sie tauscht zudem ganz offensichtlich die Gestalt mit Lucio Cinna. Der wird, wie in der Uraufführung in Mailand zu Weihnachten 1772, von einer Frau gesungen. Die andere hohe Männerpartie aber ist Sache von Franco Fagioli, der zum ersten Mal im Sommer in Karlsruhe und erstmals in der Fächerstadt nicht in einer Händel-Oper singt. Das muss man gehört haben, denn noch vor wenigen Jahrzehnten erschien es unvorstellbar, Partien wie die des Cecilio mit einem Sänger zu besetzen. Aber die Oper lohnt als Ganzes. Noch immer werden die frühen Opern des Salzburger Meisters unterschätzt. Dabei steckt in „Lucia Silla“ – der Komponist war damals knapp 17 Jahre alt – schon viel, was auf später Meisteropern vorausweist. Die Wahnsinnsarie der Elettra aus „Idomeneo“ wird ebenso vorweggenommen wie „Martern aller Arten“ aus der „Entführung“. Und der düstere Ton erinnert gelegentlich an die Musik des „Don Giovanni“. Der Ton der Opera seria, der ernsten Opern, in dem sich Mozart hier so meisterlich bewegt, hat den Komponisten sein ganzes Leben lang begleitet. Die Arien der Königin der Nacht in der „Zauberflöte“ sind nichts anderes als Stücke in diesem Stil. Es ist Zufall, aber eine reizvolle Fügung, dass just in den Tagen der Karlsruher „Lucio Silla“-Aufführungen 30 Kilometer weiter südlich im Festspielhaus Baden-Baden die „Zauberflöte“ gespielt wurde. Da wurde am Oberrhein der Bogen vom jungen zum vollendeten Opernkomponisten Mozart gespannt. Und da im letzten Karlsruher Sinfonie- und Sonderkonzert das letzte Klavierkonzert Mozarts, B-Dur KV 595, erklang, ergab sich fast ein kleines Mozartfest. So sehr zu bedauern ist, dass der „Lucio Silla“ erst mal im Magazin verschwindet, mit dieser Produktion und dem „Titus“ vor einem Jahr hat das Staatstheater in Sachen Mozart auch außerhalb des populären Opern endlich Zeichen gesetzt. Und höchst erfreulich ist, dass Franco Fagioli, in Karlsruhe gefeierter Publikumsliebling, in sieben Monaten schon wieder in Karlsruhe in der Oper singt, dann aber wieder Händel, nämlich den „Serse“, den der Meister für den Kastraten Caffarelli schrieb.

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