Kreis Germersheim Die Sorge um Tommi

Tommi und Angelika Rapp erfahren große Unterstützung im Dorf.
Tommi und Angelika Rapp erfahren große Unterstützung im Dorf.

Tommi geht es gut. Das ist nicht selbstverständlich, denn sein Start ins Leben war denkbar schwer: Ein Arzt hatte die Schwangerschaftsvergiftung von Mutter Angelika Rapp nicht erkannt, in der Klinik verzögerte sich die Einleitung der Notgeburt, weil der Schlüssel zum OP-Saal nicht auffindbar war. Nach dem Kaiserschnitt gab es Komplikationen, der Säugling musste dreimal reanimiert werden. Heute ist Tommi 31 Jahre alt. Tagsüber besucht er eine Einrichtung der Lebenshilfe, ansonsten kümmert sich – wie seit dem Tag seiner Geburt - seine Mutter Angelika um ihn. Tommi ist ein fröhlicher junger Mann, der Musik liebt und gerne verreist. Seine Mutter kommt mit den mehrfachen Behinderungen ihres Sohnes zurecht. Sie beklagt sich nicht darüber, dass ihre Ehe angesichts der Herausforderung zerbrochen ist, sie nie wirklich Urlaub hat oder wegen der nächtlichen Schreianfälle keinen Schlaf bekommt. Doch die juristischen Auseinandersetzungen haben die 57-Jährige mürbe gemacht. Es begann mit einem Prozess gegen ihren damaligen Gynäkologen. Fünf Jahre musste sie für eine monatliche Rente für ihren Pflegeaufwand kämpfen und es sollte fast 20 Jahre dauern, bis aus der Arzthaftpflichtversicherung eine Einmal-Abfindungszahlung geleistet wurde. Unterschiedliche Anwälte haben die Interessen der Familien vertreten – wie es rückblickend scheint, nicht immer zu deren Besten. In den Dokumenten finden sich mehrdeutige Klauseln und fragwürdige Passagen, die bis heute für Komplikationen sorgen. In der Zwischenzeit hatte Rapp eine Wohnung bei der Lebenshilfe gekauft, in der ihr Sohn einmal wohnen soll. 2013 wurde die Abfindung gezahlt, kurz darauf kam ein sogenannter Ergänzungsbetreuer ins Spiel, ein vom Gericht bestellter Betriebswirt. Hintergrund ist das „In-sich-Geschäft“: Tommi war inzwischen volljährig und seine Mutter konnte nicht sein Geld für ihn verwalten und gleichzeitig für sich Summen auszahlen, die sie für die Wohnung ausgelegt hatte - denn diese läuft auf ihren Namen, nicht auf den ihres Sohnes. Zunächst ging es nur um den Abschluss eines Vertrags, der die Auszahlung eines regelmäßigen Betrags aus der frisch ausgezahlten Arzt-Haftpflichtversicherung regeln sollte. Aber der Betreuer und Angelika Rapp fanden keinen Konsens: „Er ist nicht an einer konstruktiven Zusammenarbeit interessiert“, sagt Rapp. Wieder zog sie vor Gericht, als Folge bekam der Betreuer Anfang 2018 zusätzlich die komplette Vermögensvorsorge für Tommi zugesprochen. Das bedeutet, dass Rapp nun ihre Ausgaben akribisch mit dem Betreuer abrechnen muss. Dieser hat ihr wiederum ihre monatliche Auszahlung gekürzt und will ihre Ansprüche prüfen lassen. Auch sonst wirft Rapp ihm vor, nicht zum Wohle ihres Sohnes zu handeln. Ein Beispiel: Wenn der Fahrdienst ab Neuburg zur Lebenshilfe nicht funktioniert, setzt sie sich ans Steuer und chauffiert ihren Sohn selbst. „Das mache ich alles nur, um Kosten zu sparen, ich könnte auch ein Taxi nehmen“. Gleichzeitig hat sie das Gefühl, dass der Betreuer zu viel Geld abrechnet. Das sehen auch viele Freunde und Bekannte der Familie so und haben eine Petition initiiert. Innerhalb von drei Wochen hatten Rapps langjährige Freundinnen Barbara Schöppenthau und Gaby Bader etwa 500 Unterschriften beim Bäcker, Friseur und in der Kita gesammelt. Für 31. März haben sie ein Unterstützungsfest für Tommi organisiert. Seit 8. Februar läuft eine Online-Petition, die schon von über 2100 Menschen unterschrieben wurde, über 500 von ihnen haben bewegende Kommentare verfasst. Die Forderungen: Mehr Transparenz rund um den Betreuer, eine Absetzung des Betreuers und die Rückgabe der Vermögenssorge an Angelika Rapp. „Ein Wechsel in der Person des Ergänzungsbetreuers würde nicht zu einem Ende dieser juristischen Auseinandersetzung führen“, lautet hingegen die Einschätzung von Herbert Schmitt, Direktor des Amtsgerichts Kandel, und gleichzeitig Betreuungsrichter in der Sache Tommi Rapp. Auf Anfrage der RHEINPFALZ erläutert er, wie der Betreuer auf den in der Petition kritisierten Stundensatz von 110 Euro kommt: Bei Anwälten und Betriebswirten könnten für die Regelung schwieriger Sachverhalte Stundensätze bis zu 120 Euro bewilligt werden. Das regele ein Paragraf im Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz (VBVG). „Die Festsetzung erfolgt aufgrund einer Einzelfallprüfung durch den zuständigen Rechtspfleger.“ Anders als in der Petition gefordert könne auch nicht kurzfristig ein – mit 44 Euro die Stunde billigerer – ehrenamtlicher Betreuer einspringen, sagt Richter Schmitt: Hier fehle das Wissen, um eine Pflegevereinbarung abzuschließen. Zudem sei der Ehrenamtliche in einem solchen Fall „komplett in der Haftung“ - auch deshalb müssten Profis ran. Der Betreuer selbst äußert sich, mit Verweis auf seine Verschwiegenheitspflicht, nur knapp: Er vertrete im vorliegenden Fall ausschließlich die Interessen des Betreuten Tommi Rapp, „welche in finanzieller Hinsicht den Interessen von Frau Rapp entgegenstehen“. Dies hätten verschiedene Urteile gezeigt. Richter Schmitt kennt Familie Rapp und ist voll des Lobes für das Engagement der Mutter. Er hätte sich eine andere Lösung gewünscht, sagt er. Doch auch wenn er keinen Anlass zum Wechsel des Betreuers sieht, gibt es für ihn eine Chance, die juristischen Auseinandersetzungen zu beenden: „Wenn es eine Einigung über die monatlichen Zahlungen gibt, könnte eine Aufhebung der Ergänzungsbetreuung in Betracht kommen.“ Wobei die im Raum stehenden Summen erheblich auseinander liegen. Info Die Online-Petition findet sich im Internet unter www.openpetition.de/petition/online/wir-fordern-die-absetzung-von-tommis-berufsbetreuer-und-das-recht-auf-vermoegenssorge-fuer-die-mutte (bitte beachten: Die Website wird nur bei dieser Schreibweise – Mutter ohne r – gefunden. Oder in der Suchmaschine Open Petition und Tommi eingeben.) Das Unterstützungsfest „Konzert für und mit Tommi“ findet am Sonntag, 31. März, ab 14 bis zirka 15.30 Uhr in der evangelischen Kirche in Neuburg statt. Pfarrer Heiko Schwarz übernimmt die Moderation, Adelheid von Stösser , Vorsitzende der Pflegeethik-Initiative, wird ebenfalls anwesend sein. Danach gibt es einen Umtrunk im Bürgerhaus.

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