Karlsruhe „Die Menschen werden die Verlierer sein“

Robert Trusch bei der Arbeit im Naturkundemuseum.
Robert Trusch bei der Arbeit im Naturkundemuseum.

Die Grün-Rote Regierung in Baden-Württemberg will als erstes Bundesland überhaupt etwas für den Erhalt der Artenvielfalt (Biodiversität) unternehmen. Ein Sonderprogramm für die nächsten zwei Jahre wurde aufgelegt. Mit 36 Millionen Euro jährlich sollen beispielsweise bisherige Programme zusammengeführt, Landwirte auf dem Weg hin zu mehr Artenvielfalt begleitet, Imker unterstützt, Streuobstwiesen gefördert und Biotopstreifen an Feld- und Straßenrändern angelegt werden. Dass diese Maßnahmen viel bewirken, glaubt Robert Trusch am Staatlichen Museum für Naturkunde in Karlsruhe nicht. „Aber man versucht wenigstens, etwas zu tun, ich sehe Bemühen und es ist ein Anfang. Wir brauchen eigentlich die Agrarwende. Und das habe ich auch mehrfach im Ministerium gesagt“, so der Kurator für Schmetterlinge. Natürlich sind Monokulturen, Klimawandel, das vermehrte Aufbringen von Gülle auf Feldern (beispielsweise wird holländische Gülle bis in den Schwarzwald gebracht) auch Gründe für das Insektensterben. Der Hauptgrund liegt für Trusch und andere Insektenforscher auf der Hand: der vermehrte Einsatz von systemischen Insektiziden. Leider müsse in Deutschland nicht die Industrie nachweisen, dass ihre Mittel unschädlich sind, bedauert Trusch. Allerdings liegen jetzt einige Langzeituntersuchungen vor, die eindeutiger nicht sein könnten: Seit 1992 werden sogenannte Neo-Nikotinoide eingesetzt, das sei ziemlich zeitgleich mit dem starken Rückgang der Insekten. Und dabei seien keine landwirtschaftlich genutzten sondern Naturschutz- und andere geschützte Gebiete untersucht worden, so Trusch. Eine Langzeitstudie in seinem Fachgebiet kann der Forscher dafür auch nennen. So seien 200 Jahre lang bei Regensburg Schmetterlinge untersucht worden. Bis 1970 sei im Jahrzehnt etwa eine Art verschwunden. Bis etwa 2005 eine Art im Jahr und seitdem schon 26 Arten. Trusch ist sicher: Da das Überleben auf dem Land für Insekten schwer geworden ist, werden jetzt sogar die Städte, in denen ja nicht flächendeckend gespritzt wird, als Rückzugsgebiete genutzt werden. Neo-Nikotinoide sind Nervengifte. Da reiche es schon, das beispielsweise Bienen über behandelte Felder fliegen. Sie finden dann nicht mehr zu ihrem Stock zurück, erklärt Trusch. Zudem schade das Gift dem Immunsystem der Insekten, sie sind anfälliger für Schädlinge und Krankheiten. Eigentlich sollte man nur nach an Landwirte Gelder vergeben, die auf Insektizide verzichten und ökologische Landwirtschaft betreiben, so der Forscher. Denn nicht nur Bienen, über die zur Zeit viel gesprochen wird, sind wichtig für den Bestand des Ökosystems, sondern alle Insekten tragen ihren Beitrag dazu bei, so Trusch. Wenn man jetzt nicht schnell etwas tue, werde es einen Verlierer geben. „Am Schluss werden die Insekten übrig bleiben, nicht wir. Die Menschen werden die Verlierer sein“, ist sich Trusch sicher.

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