Lokalsport Südpfalz Die „Eventisierung“ des Fußballs

«KARLSRUHE.» Unter dem Slogan „Kommerz und Korruption – ein neues Wort für Sport?“ lockte eine Podiumsdiskussion ins Karlsruher Zentrum für Kunst und Medien (ZKM).

Sechs Podiumsgäste waren am Donnerstagabend geladen: Thomas Kistner (Sportredakteur Süddeutsche Zeitung), Jonathan Koch (Athletenkommission), Ulrike Spitz (Pressesprecherin Deutscher Olympischer Sportbund), Jürgen Walter (Staatssekretär a. D.), Autor Klaus Zeyringer und Ines Geipel (Leichtathletin, Opfer des DDR-Doping-Systems). Der Karlsruher Sport-Journalist Christoph Ruf moderierte. Doch die erste Überraschung: Geipel fehlte. Die Leichtathletin, kürzlich als Vorsitzende der Doping-Opfer-Hilfe zurückgetreten, war für den Impulsvortrag zum staatlich verordneten Doping im DDR-Sport vorgesehen. Allerdings: kein klärendes Wort, warum Geipel fehlte. Etwas enttäuschend für manchen im spärlich besetzten Publikum mit etwas mehr als einem Dutzend Zuhörern. Das Grußwort übernahm ZKM-Chef Peter Weibel. Er erinnerte daran, dass sich die Löhne im Fußball völlig von der Realität entkoppelt haben. „Früher haben Fußballer nach ihrer Karriere eine Tankstelle oder einen Tabakladen für ihren Lebensunterhalt geleitet. Heute bekommen sie 400.000 Euro die Woche.“ Auch stellte er die These auf, dass Fans nur noch als Staffage und Stimmungsmacher für das TV- und Online-Publikum dienten. Denn die enormen Summen, die kursieren, stammen aus TV-Geldern und der Werbewirtschaft. „Es wird längst nicht mehr für das Realpublikum gespielt. Irgendwann werden die Fans für den Stadionbesuch entlohnt.“ Für das ausgefallene Impulsreferat las Zeyringer aus seinem aktuellen Buch. Darin sind etliche interessante Thesen, allerdings war die Lesung kein idealer Ersatz für den Einstieg in die Runde. Zeyringer sprach über die Neoliberalisierung des Sports und dessen Entwertung durch Übersättigung sowie die Konversion des Fans zum Kunden. Die Fifa nannte er Feudalherren wie „Ritter einer Tafelrunde“, deren Gefolgsleute intern aus „Fürsten“ bestimmt würden. Die Ultras dagegen, die derzeit „bedeutendste Jugendkultur“, kämpfe gegen das Abkappen der kulturellen Wurzeln des Fußballs, die „auf dem Altar der Profitgier“ geopfert würden. Er zitierte den neoliberalen Wirtschaftswissenschaftler Milton Friedman als Kronzeuge für seine Thesen. In der Runde erinnerte sich Walter daran, dass er als Kind für Olympia gefiebert hätte, das sei aufgrund des Kommerzes längst vorbei. Oder: „Dass eine Fußball-WM einmal in Katar stattfinden würde, wo Menschenrechte mit Füßen getreten werden - unvorstellbar.“ Spitz als DOSB-Pressesprecherin brach naturgemäß eine Lanze für Olympia: „Olympia übt nach wie vor eine Faszination aus.“ Aber auch sie kritisierte, dass Sportstätten zu horrenden Summen zur einmaligen Nutzung gebaut würden. Allerdings seien die Bedingungen künftig geändert. „Paris und L. A. machen mir Hoffnung. Das werden Spiele, für die nicht die ganze Stadt umgegraben werden muss.“ SZ-Redakteur Kistner stellte fest, dass Fußball längst eine Art Ersatzreligion sei. Es finde eine Art „Eventisierung“ für Konsumenten statt Fans statt. Er erinnerte daran, dass nach Blatter mit Infantino wieder ein Mann aus dem Schweizer Wallis den internationalen Fußball kontrolliere. Ob Football Leaks, WM-Aufblähung oder die angedachten neuen Wettbewerbe (Nations League, reformierte Club-WM) mit nebulösen Geldgebern – einiges wurde im ZKM thematisch angerissen.

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