Landau Der Wingert auf dem Smartphone

20 Programmierer haben über ein halbes Jahr an der Geschäftsidee von Marcel Sambale-Lergenmüller gearbeitet.
20 Programmierer haben über ein halbes Jahr an der Geschäftsidee von Marcel Sambale-Lergenmüller gearbeitet.

«Burrweiler.»Marcel Sambale-Lergenmüller kommt eigentlich aus der Hotelbranche, und Pfälzer ist er auch nicht, sondern Osnabrücker. Aber „jo alla“ gehört bei ihm schon zum Sprachgebrauch. Und im Pfälzer Weinbau ist der Niedersachse ebenfalls schon aufgegangen. Tja, wenn man in die Winzerfamilie Lergenmüller, die in Burrweiler das St.-Annagut betreibt, hineinheiratet, bleibt so etwas nicht aus. Aber er nähert sich dem Weinbau auf eine andere Art. Weinbau 4.0, sozusagen. Er hat ein Start-up gegründet, über das Winzer ihre Weinberge digital verwalten können. Damit Winzer und Mitarbeiter punktgenau und in Echtzeit erfahren, was schon erledigt und was noch zu tun ist. Die Idee entstand vor zwei Jahren bei der Weinlese. „Mein Schwiegervater hat mich raus in den Weinberg zu einer bestimmten Zeile geschickt: ,Da links, da rechts, dann wieder links und du bist da.’ Ich hab nichts gefunden“, erinnert sich Sambale-Lergenmüller. Da muss es doch eine Möglichkeit geben, um das Ganze dank Smartphone einfacher zu machen, dachte er sich und ließ von einer Kaiserslauterer IT-Agentur ein Programm entwickeln. 20 Programmierer hätten daran 6,5 Monate gesessen, berichtet er. Die Software werde stetig weiterentwickelt. Schlussendlich hat der Winzer eine digitale Datei für seine Weinberge – mit Flurnummer, Lage, Hektargröße, Zeilenzahl, Rebenzahl, Sorte, Pflanz-, Rodungs- und Spritzdaten, Befall und mehr. Über eine Google-Maps-Karte kann er seinen Mitarbeitern, die ebenfalls im System hinterlegt werden, Aufgaben zuweisen. Die wiederum können auf ihrem Smartphone sehen, was zu erledigen ist, wo sie sich im Weinberg befinden und wohin sie müssen, was schon gemacht wurde, was noch aussteht und was die optimalen Wege wären. Auch eine Notruf-Funktion ist integriert, falls dem Mitarbeiter im Weinberg etwas passieren sollte. So weiß der Rest des Teams punktgenau, wo er sich befindet. An wiederkehrende Aufgaben wie Spritzen wird der Winzer erinnert. Auch die Arbeitsgeräte können über das System verwaltet werden. Das Ganze gibt’s schon in den Sprachen Deutsch, Englisch, Polnisch, Rumänisch, bald in Französisch, Italienisch und Spanisch. Danach sind Ungarisch und Russisch geplant. So einfach wie möglich sei die digitale Schlagdatei gestaltet. „Wir wollen den Winzer nicht überfordern“, sagt Sambale-Lergenmüller, dessen Vision es ist, dass der Winzer zu Hause auf dem Sofa sitzen könnte und trotzdem den Überblick hat, was in seinen Weinbergen passiert. Das Ganze lehne sich an „smart farming“ an – also die Digitalisierung der Landwirtschaft, damit Bauern einen Überblick über ihre landwirtschaftlichen Prozesse haben und diese effektiv steuern können. Doch bei solchen Programmen reiche die GPS-Genauigkeit meist nur bis 20 Meter. Das nützt im Weinberg mit seinen engen Zeilen recht wenig. Dafür hat Sambale-Lergenmüller ein System entwickelt, um die Abläufe im Weinberg zeilengenau dokumentieren zu können. Ein Patent dafür sei bereits angemeldet. Das bringt später eine große Erleichterung, ist am Anfang aber erst einmal viel Arbeit. Denn Sambale-Lergenmüller muss zunächst jeden Weinberg-Schlag ablaufen, jedes Eck mit Sendern versehen, um ihn so digital kartographieren zu können. Bei seinem Schwiegervater habe er bereits 80 Prozent der 120 Hektar Wingerte erfasst und dafür sechseinhalb Tage gebraucht, berichtet Sambale-Lergenmüller. Diese Arbeit übernehme er für den Winzer und sei auch später stets ansprechbar. „Das ist nicht irgendeine Internet-App, sondern eine richtige Software-Firma.“ Aktuell noch als „One-Man-Show“ will Sambale-Lergenmüller im nächsten Jahr so weit sein, fünf Mitarbeiter einstellen zu können und einen Anfangsumsatz von 100.000 Euro zu erwirtschaften. Ab 2020 ist eine halbe Million Euro und mehr angepeilt, denn das Programm komme gut an, erleichtere es doch die Arbeit im Weinberg ungemein, ist der Wahl-Burrweilerer, der bisher etwa 300.000 Euro in seine Geschäftsidee investiert hat, überzeugt. Für den Winzer soll das Programm bezahlbar sein. Dieser zahle einmalig für die Sender, die an den Flurstückecken angebracht werden, und dann einen monatlichen Betrag je Flurstück. Bei 250 Flurstücken käme ein Winzer auf einen Einstiegswert von etwa 13.500 Euro und eine monatliche Gebühr von 155 Euro. Seit 4. Juni ist Vineyard Cloud online, fünf Winzer arbeiteten bereits damit, mit weiteren liefen Gespräche. Auch ins europäische Ausland habe er das Programm schon vermarktet. Der Schritt in die Selbstständigkeit bedeutet für den Wahl-Pfälzer derzeit, rund um die Uhr mit der Produktneuheit beschäftigt zu sein. Aber er habe schon immer sein eigener Herr sein wollen, sagt Sambale-Lergenmüller. „Früher habe ich Micky Maus gelesen und mir gesagt: Irgendwann bin ich auch mal Daniel Düsentrieb.“ Er sei dann immer mal wieder über interessante Ideen gestolpert. „Aber bei dieser habe ich mir gedacht, dass sie das Risiko wert ist.“ Im Netz www.vineyard-cloud.com

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