Kreis Germersheim „Der Ton ist schärfer geworden“

Ist der Ton in den politischen Debatten rauer geworden? Mit dieser Frage eröffnete Moderator David Emling am Mittwochabend im Bellheimer Bürgerhaus den politischen Dialog zum Thema „Kritik ja, Anfeindung nein? Über mögliche Grenzen der politischen Auseinandersetzung“, zu dem der SPD-Ortsverein eingeladen hatte.

Gäste bei diesem Gespräch in lockerer Atmosphäre, zum dem lediglich acht Zuhörer kamen, waren die Landtagsabgeordnete Katrin Rehak-Nitsche (SPD), Andy Becht (FDP), Staatssekretär im Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau, sowie Rülzheims Verbands- und Leimersheims Ortsbürgermeister Matthias Schardt (CDU). „Ich finde schon, dass sich etwas geändert hat. Die Ordnungsrufe im Landtag haben gefühlt zugenommen“, berichtete Rehak-Nitsche von ihren Erfahrungen aus dem Mainzer Parlament. Es sei schon so, dass der Ton ruppiger geworden ist. Das stellt auch Becht fest, wenn er als Staatssekretär im Land unterwegs ist. So sei er zwar nicht immer direkt in die politische Debatte involviert, „ich merke aber schon, dass die Debattenkultur etwa bei Bürgerinitiativen sich verändert hat“. Die Kritik werde jetzt direkt auf einzelne Personen bezogen, sagte Becht. So ist seiner Ansicht nach früher schon heftig debattiert und auch kritisiert worden, in den meisten Fällen ging es dabei aber um Themen. „Der Ton ist schärfer geworden“, pflichtete auch Schardt seinen beiden Politiker-Kollegen bei. Gerade wenn es etwa um Beschwerden gegen Gebührenbescheide geht. Besonders schlimm ist für ihn aber der Vertrauensverlust, den er in der Bevölkerung ausmacht. „Die Leute schauen dich an und du merkst, dass sie dir nicht glauben.“ Das habe ihn schon belastet. Dieser Verlust an Vertrauen in die politischen Akteure führt zu einer gewissen Politikverdrossenheit. „Vielleicht passt die Debattenkultur auch nicht mehr ganz zur Gesellschaft“, mutmaßte Becht. Möglicherweise seien große Foren wie Bürgerversammlungen nicht mehr gefragt, daher müsste man andere Formen der Bürgerbeteiligung finden. Eine Form seien sicherlich die sozialen Medien im Internet. Wobei es hierzu durchaus unterschiedliche Auffassungen gibt. Wenn er Leute, die bei Facebook und Co. politische Themen kommentieren, auffordere, sich aktiv zu beteiligen, dann komme meist keine Reaktion, merkte ein Zuhörer an. Becht entgegnete, dass für viele der Kommentar im Internet bereits eine Beteiligung sei. Rehak-Nitsche sieht in diesem Bezug einen Lernprozess im Gange. „Durch die neuen Möglichkeiten kann jeder alles ins Internet rotzen“, sagte sie. Wobei sie „rotzen“ nicht ausschließlich negativ verstanden wissen will. „Das ist eine wirklich wichtige Plattform. Wir müssen aber noch lernen, diese konstruktiv zu nutzen.“ Jedenfalls habe man bislang noch keinen Weg gefunden, dort respektvoll miteinander umzugehen. Zustimmung erhielt Rehak-Nitsche dafür von allen Beteiligten. Bei allen Überlegungen, wie die Debattenkultur verändert werden könnte, darf laut Schardt aber eines nicht außer Acht gelassen werden. „Es besteht die Gefahr, dass man Dinge totredet. Es muss immer auch etwas herauskommen“, mahnte er an. Am Ende lieferten in anderthalb Stunden alle, sowohl die Gäste auf dem Podium als auch einige der Zuhörer, interessante Aspekte, über die es sich lohnt nachzudenken – auch wenn im Gespräch phasenweise vom eigentlichen Thema abgeschweift wurde. Rehak-Nitsche wollte doch noch einmal darauf zurückkommen. Sie stelle fest, dass heute Hass eine Rolle spiele und es nicht bei Anfeindungen bleibt, sondern einzelne Personen bedroht werden. Das sehe man beim Kandeler Verbandsbürgermeister Volker Poß, auch sie und ihr Mann seien davon betroffen. „Das scheint mittlerweile möglich zu sein, diese Grenze weicht offenbar auf.“

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