Kultur Südpfalz Bildgewaltige Worte

Buchstäblich Mensch – diesem Motto ist die intermediale Lesung „Lyrik im Anthropozän“ im Künstlerhaus Edenkoben gefolgt. Ein kreatives Gespann, bestehend aus drei Lyrikern und acht Medien-Studenten, ging eine fruchtbare Symbiose ein. Heraus kam ein ebenso wort- wie bildgewaltiges Gesamtkunstwerk.

Im weitestgehend dunklen Saal entfaltete sich das kunstvolle Potenzial des Abends. Minimalismus respektive Konzentration war in gewisser Weise das Gebot der Stunde. Auf der Bühne stand nur ein Tisch, ein Stuhl und eine kleine Leselampe. Dahinter die große Leinwand, auf der Filmbeiträge zu den Gedichten projiziert wurden. Mit dem Gedicht „Fleisch der Wörter“ von Hans Thill, Leiter des Künstlerhauses, begann die Interaktion zwischen Bild und Wort. Während er über das physische Menschsein rezitierte, erschien hinter ihm in kaleidoskopischer Brechung ein Frauenkörper, der zusehends von geschriebenen Wörtern übersät wurde. Grafik und Bild gingen im Verlauf der Darbietung zusehends einen Dialog ein und erweiterten gegenseitig ihren Interpretationsraum. Tatsächlich ist die Bebilderung von Gedichten kein ganz neues Phänomen in der Lyrikvermittlung, aber einige der Grafiken der Studenten der Hochschule Mainz für Mediengestaltung zeichneten sich durch eine hohe poetische Wirkkraft aus. In manchen Fällen bildete diese sich auch durchaus unabhängig von den Texten aus. Im Vorfeld standen die Studenten im regen Austausch mit den Stipendiaten. Dennoch, so Anja Stöffler, Dozentin an der Universität Mainz und Inhaberin der künstlerischen Gesamtleitung des Abends, ging es nicht um eine Eins-zu-eins-Visualisierung der Texte. Vielmehr sollte, erläuterte Stöffler, eine Metaebene geschaffen werden, die den Raum für Assoziationen erweiterte. Das Experiment um animierte Grafik und gesprochene Lyrik glückte – in der Tat stellten die Animationen durchweg eine reizvolle Bereicherung der literarischen Beiträge von Thill und Manuel Niedermeier sowie Rike Scheffler, beides Stipendiaten des Künstlerhauses, dar. Besonders beeindruckend breitete sich der Webteppich aus Text und Bild bei Rike Schefflers Gedicht „angenommen aber“, das von Jonathan Kaiser und Katharina Jorendt eine Visualisierung erfuhr. Entsprechend des Gedichtssujets, das die Melancholie und den Müßiggang an einem Tag am See heraufbeschwor, durfte der Zuschauer in Bilderwelten aus der Natur abtauchen. Die Bühne war dabei kaum beleuchtet. So konnte Schefflers sprachgewaltige Lyrik den Raum in mystischer Finsternis für sich einnehmen. Die Stimme erfuhr in dieser konzentrierten Form eine ungemeine Schärfe. Einziges Manko des Abends war die Kürze. Gerne hätten die Zuschauer, die sich trotz des widrigen Wetters zur Lesung doch recht zahlreich eingefunden hatten, noch länger den Darbietungen gefolgt. Das abschließende Gespräch zum Making-of rundete den Abend jedoch aufschlussreich ab.

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