Karlsruhe „Als der Krieg den Fußball fraß“

Der SV Waldhof spielt als SVW Mannheim in der Regionalliga, der VfR Mannheim steckt in der Verbandsliga fest, der VfB Mühlburg und der FC Phönix Karlsruhe verschmolzen 1952 zum KSC und den in frühen Zeiten so erfolgreichen Karlsruher FV gab es vorübergehend sportlich überhaupt nicht mehr. Seit 2007 wird beim KFV, der einst Nationalspieler wie Julius Hirsch und Gottfried Fuchs in seinen Reihen hatte, wieder gekickt – in der Kreisklasse C. Mit dem VfL Neckarau (Landesliga) und dem Freiburger FC (Oberliga) haben alle diese Vereine eines gemeinsam: Von 1933 bis 1945 spielten sie in der Gauliga Baden.

Die Fußball-Gauligen waren im Dritten Reich die höchste Spielklasse, die es gab. Zwar war der Fußball seinerzeit nicht annähernd so kommerzialisiert wie heute. Aber schon das „Gau“ im Liganamen signalisiert, dass auch der Fußball politisch vereinnahmt wurde. Mit Folgen für Funktionäre, Mitglieder und natürlich auch Spieler, die aus so genannten rassischen oder politischen Gründen nicht mehr ins Bild vom „deutschen Sport“ passten. Unter dem Titel „Als der Krieg den Fußball fraß“ hat sich der aus Leimen stammende und dort auch wohnende Jurist, Autor und Fußballfan Andreas Ebner diesem Thema gewidmet und damit eine Lücke in der geschriebenen badischen Fußballgeschichte geschlossen. Der 512 großformatige Seiten starke Band ist kein Buch für flotte Leser und als solches auch nicht gedacht. Ebner, Jahrgang 1963, hat aber mehr abgeliefert als eine Fleißarbeit. In zwölf Hauptkapiteln (einschließlich kompletter Statistik der einzelnen Spiele) werden Spieler, Trainer, Schiedsrichter und auch Funktionäre wie etwa Gaufachwarte lebendig. Gerade Funktionsträger hatten nach 1945 das Entnazifizierungsverfahren zu bestehen, wobei zwar nicht alle den erhofften Mitläuferstatus erhielten, aber selbst SS-Angehörige erstaunlich glimpflich davon kamen. Mit Kriegsbeginn lichteten sich die Spielerkader. Es spielten dann schon mal nur zehn gegen zehn Mann, in einem Fall auch nur sieben gegen sieben. Stammspieler waren an der Front, nicht immer konnten die Lücken aufgefüllt werden und auch der Versuch, Kriegsspielgemeinschaften zu bilden, brachte nichts. Auch die Zuschauerreihen lichteten sich merklich: Wo ehedem 10.000 oder mehr Besucher kamen, waren es schon mal nur 26. Für den, der sich nicht so für Details badischer Fußballhistorie interessiert, sind vor allem die Lebensläufe interessant. Wie etwa der des aus Durlach stammenden Otto Kamenzin, der 96 Gauliga-Spiele für den VfR Mannheim bestritt, dann zur Marine nach Wilhelmshaven eingezogen wurde, dort nochmals mit der SpVgg seine vierte Meisterschaft erleben durfte (nach dreien mit dem VfR Mannheim) und mit 34 Jahren 1944 tödlich verunglückte. Oder der aus München stammende SA-Standartenführer Georg Brechenmacher (1896-1944), der zeitweilig als der zweitwichtigste Mann im gesamten badischen Sport galt. Unschöne Begleiterscheinungen gab es auch damals schon: Nach Ausschreitungen beim 1:2 verlorenen Spiel gegen Phönix Karlsruhe wurde der SV Waldhof 1934 mit einer Platzsperre bestraft. Und es gab durchaus auch Spieler mit ausländischer Herkunft, wie den aus der Türkei stammenden Rafet Bekir, der bereits 1921 zum 1. FC Pforzheim kam und später für den Karlsruher FV noch 26 Gauligaspiele absolvierte. Lesezeichen Andreas Ebner, „Als der Krieg den Fußball fraß – die Geschichte der Gauliga Baden 1933-1945“, 512 Seiten mit 510 Abbildungen, verlag regionalkultur, Ubstadt-Weiher, 39,80 Euro.

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