Kusel Wolfstein: Am Pfingstmontag startet wieder die Maikur

Hunderte Teilnehmer sammeln sich alljährlich an Pfingstmontag zur Maikur.
Hunderte Teilnehmer sammeln sich alljährlich an Pfingstmontag zur Maikur.

Mehrere hundert Teilnehmer starten um 7 Uhr an der Ruine der Burg Neuwolfstein zur traditionellen Wanderung. Aber woher stammt dieser Brauch? Wer sich auf die Suche macht, bekommt unterschiedliche Antworten.

Die lustigste Erklärung über den Ursprung der Maikur konnte man vor vielen Jahren im Wolfsteiner Heimatblatt lesen. Dort stand, dass Wolfsteiner Bürger am Hambacher Fest teilnehmen wollten, aber den Zug versäumten. Daraufhin hätten sie statt der Fahrt in der Vorderpfalz eine Wanderung auf den Königsberg gemacht. Vielleicht wollte der Autor mit der Anekdote die Geschichtskenntnisse seiner Leser prüfen, denn die erste deutsche Eisenbahn fuhr erst drei Jahre später zwischen Nürnberg und Fürth. Auch heute bekommt man die Geschichte gelegentlich in einer etwas anderen Version zu hören. Nicht mehr der verpasste Zug wird als Grund genannt, sondern die Kutschen und Wagen hätten für den Transport nicht ausgereicht.

Festes Ritual für Umgänge

Als häufigste Erklärung hört man von Wolfsteinern, dass die Maikur auf mittelalterliche Flurumgänge zurückgeht, wie sie etwa zur Grenzkontrolle gemacht wurden. Solche Umgänge sind für viele Dörfer bezeugt und finden in einigen Gemeinden auch heute noch in der überlieferten Form statt. Sie entstanden aber wahrscheinlich erst in der frühen Neuzeit, weil man sich im Mittelalter an natürlichen Grenzen wie Höhenrücken oder Bächen orientierte. Für diese Umgänge gab es ein festes Ritual. Die Dorfbewohner zogen an der Gemarkungsgrenze entlang und überprüften die Markierungen, die aus Steinen oder Zeichen an den Bäumen bestanden. Da es noch keinen Kataster gab, musste die Erinnerung wachgehalten werden. Deshalb hatte man Kinder dabei, die an wichtigen Plätzen kleine Geschenke erhielten. Eine andere Sitte war aber auch, ihnen die Erinnerung durch eine Ohrfeige oder eine Tracht Prügel „einzubläuen“.

Oft religiöse Funktion

Die Flurumgänge hatten oft auch eine religiöse Funktion. Sie dienten zum Segnen der Felder oder als Bittprozession für eine gute Ernte. So entstand ein „enges Nebeneinander zwischen profaner Grenzkontrolle und kirchlicher Benediktion“, wie das Handwörterbuch der deutschen Rechtsgeschichte schreibt. Auch Essen und Trinken kamen nicht zu kurz, so dass die Umgänge sich zu einem Gemeindefest entwickelten. Diese Erklärung liest man auch in dem Buch „Von friedlichen Leuten“, das die Wolfsteiner Schriftstellerin Pauline König 1920 veröffentlichte. In dem Roman, der in Wolfstein spielt, verklärt sie den Ursprung der Maikur und verlegt ihn in eine germanische Frühzeit: „Ein eigenartiger Name und eine eigenartige Sitte, diese „Maikur“! Die wenigsten derer, die voll Eifer mitgingen und sich schon wochenlang darauf gefreut hatten, wussten wohl etwas von den Fäden, die sie da mit uralten, heiligen Überlieferungen verbanden, von den Opfergängen, mit denen ihre Vorfahren die verborgenen Kräfte der Natur zu ehren und sich geneigt zu machen suchten.“

"Vergesst nicht die alten Sitten eurer Ahnen!"

Ein weiterer Vertreter dieser Entstehungstheorie war der Roßbacher Volksschullehrer Josef Sprißler, der 1936 in der Zeitschrift „Saarpfalz“ einen Artikel veröffentlichte. Er schrieb, die erste Maikur habe am Pfingstmontag, 2. Juni 1602, stattgefunden. Dabei berief er sich auf das Wolfsteiner Stadtbuch, das von einem Waldumgang zur Kontrolle der Grenze („das Ablochen der Bäume“) berichtet. Doch Sprißler ging mit seiner Quelle zu großzügig um, denn das Stadtbuch verzeichnet nicht den Pfingstmontag, sondern den 2. Juli 1600 als Datum. Der Schlusssatz seines Artikels verrät auch die Absicht, in der er geschrieben wurde: „Ehret die Bräuche eurer Väter und vergesst nicht die alten Sitten eurer Ahnen!“ Die älteren Quellen sind also keineswegs so eindeutig, wie viele Wolfsteiner glauben. Außerdem gibt es auch eine andere Erklärung für die Entstehung der Maikur. In dem Buch „Das alte Wolfstein“, das Otto Jung 1950 anlässlich der 675. Jahrestags der Stadtgründung herausgab, beschreibt Mathilde Jung die früheren Grenzbegehungen sehr genau und fährt dann fort: „Dieser Grenzumgang wird in neuerer Zeit oft mit der am zweiten Pfingsttage abgehaltenen Maikur verwechselt. Die Maikur hat mit dem Grenzumgang nichts zu tun. Sie ist ein etwa um 1890 durch einen Pfingstausflug des Wolfsteiner Kirchenchores entstandener Brauch.“

Kirch hat in seinem Leben fast keine Maikur versäumt

Dieses Datum stimmt mit dem ältesten Beleg des Wortes „Maikur“ im Pfälzer Wörterbuch überein. Es steht in einem Gedicht, das der Kaiserslauterer Lehrer und spätere Archivar Ludwig Schandein (1813-1894) im Jahr 1891 veröffentlichte. Dort erzählt er, wie ein Vorderpfälzer sich mit einem Westricher unterhält und erklärt: „Ja, ’s Frühjahr un’ die Maikurzeit! Familjeweis geht’s uf die Schlesser.“ Auch die Verwendung des Begriffes „Kur“ lässt sich erklären, denn man glaubte früher, der Tau im Mai sei besonders heilkräftig. Gerhard Kirch, der frühere Wolfsteiner Stadtbürgermeister, erklärt die Maikur ebenfalls als Familienausflug, der mit dem Grenzumgang weder den Namen noch den Verlauf gemeinsam hat. Denn würde er an der Gemarkungsgrenze entlang gehen, wäre die Strecke mindestens doppelt so lang. Kirch hat in seinem Leben fast keine Maikur versäumt und erinnert sich noch gut an ihren Verlauf nach dem Krieg: „Wir versammelten uns um 6 Uhr an der Ruine der Burg, denn erst mit der Einführung der Sommerzeit wurde der Beginn auf 7 Uhr verlegt. Von dort aus wanderten wir zum Schmelzerkopf, wo das Gastwirtsehepaar Adolf und Jenni Neu für die Bewirtung sorgten. Eine andere Einkehr gab es nicht, denn die CVJM-Hütte wurde erst am Ende der 50er Jahre gebaut. Nach der Wanderung ging es nach Hause, wo die Oma inzwischen eine Suppe gekocht hatte.“

Maikur hat sich verändert

Aber da war das Fest nicht zu Ende. Am Nachmittag feierten die Kinder mit Kletterbaum, Wurstschnappen, Sackhüpfen oder Eierlauf. „Sehr beliebt war der Blaubeerkuchen, bei dem man sich ohne Hände zur Mitte durchessen musste, um an ein Geldstück zu gelangen“, erzählt Kirch. „Am Abend machten sich die Erwachsenen fein und gingen zum Tanzen auf den Turnplatz. Vor der Tanzfläche standen zwei Kassen, an denen man für jede Runde 20 Pfennig bezahlen musste.“ Die Erinnerungen Kirchs zeigen, wie sich die Maikur verändert hat. Der Weg ist aber immer noch der gleiche und erhielt vor einigen Jahren neue Schilder. Die Verpflegung haben inzwischen zum größten Teil die Wolfsteiner Vereine übernommen. Wanderer können sich auf dem Schmelzerkopf, in der CVJM-Hütte, in Laufhausen und am Schießhaus stärken. Die „Kur“ endet auf dem Turnplatz, wo man sie mit Musik ausklingen lässt. Auch in diesem Jahr werden wieder viele junge und alte Wolfsteiner und ihre Gäste auf einen warmen und trockenen Pfingstmontag hoffen.

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