Kusel Kusel: Zweifel an Pflege-Reformpaket

Hochbetrieb in den Senioreneinrichtungen – doch überall fehlt es an Personal.
Hochbetrieb in den Senioreneinrichtungen – doch überall fehlt es an Personal.

Das Reformpaket zur Pflege, das der Bundestag beschlossen hat, wird die Situation in Alten- und Pflegeheimen nicht spürbar verbessern. Dies geht aus einer Umfrage bei Einrichtungen im Kreis Kusel hervor. Das Vorhaben von Gesundheitsminister Jens Spahn wird zwar als positiver Ansatz gewertet, sei aber nur „ein Tropfen auf den heißen Stein“.

Wie berichtet, sieht das Reformpaket 13.000 zusätzliche Stellen in der Altenpflege vor. Diese sollen ab 1. Januar den Berufsalltag in der Pflege verbessern. Aktuell sind in der Alten- und Krankenpflege etwa 35.000 Helfer- und Fachkräftestellen nicht besetzt. Erika Zapp, Leiterin von Pro Seniore in Lauterecken, sieht in dem Plan zwar einen Schritt in die richtige Richtung. Dieser könne jedoch die vielschichtigen Herausforderungen der modernen Pflege nicht von heute auf morgen lösen. „Es dürfte schwierig werden, die geplanten 13.000 Stellen überhaupt zu besetzten“, sagt Zapp. Der Arbeitsmarkt gebe diese Zahl an Fachkräften gar nicht her. Gleichzeitig werde die notwendige Zuwanderung so erschwert, dass kurzfristige Verbesserungen nicht zu erwarten seien.

Nur eine Stelle mehr

Ähnlich sieht es auch die Leiterin des Hauses im Glantal in Altenglan, Monika Jochum-Werth. Pro Einrichtung sei dies ein Plus von nur einer Stelle, die aufgrund des Fachkräftemangels auch noch schwer zu besetzen sei. Zu den bestehenden 45 Pflegekräften benötige die Einrichtung mit 86 Plätzen zusätzlich sechs volle Stellen. In Lauterecken kalkuliert Zapp den zusätzlichen Bedarf auf zehn bis 20 Prozent. Ähnlich sieht es beim Kuseler Zoar aus: „Um eine spürbare und nachhaltige Verbesserung zu erzielen, sehe ich einen aktuellen zusätzlichen Bedarf von etwa acht Vollzeitstellen“, sagt Leiterin Jutta Kunz auf Anfrage der RHEINPFALZ. Laut Sofortprogramm stünden der Einrichtung mit 108 zu betreuenden Menschen nur 1,5 Stellen mehr zur Verfügung. Umgerechnet auf die Arbeitszeit stellt Kunz ernüchtert fest, dass den Pflegekräften damit gerade einmal 4,6 Minuten mehr für einen Bewohner täglich zur Verfügung stünden. „Auf kurze oder auch lange Sicht wird diese Maßnahme die Situation in den Pflegeeinrichtung nicht ausreichend verbessern“, folgert sie. Kritisch bewertet auch Marcel Goll-Gregorius vom Ingweilerhof in Reipoltskirchen den Plan. Er bemängelt, dass das Programm nicht kläre, woher die Fachkräfte für die neuen, offenen Stellen kommen sollen. Dazu profitierten Pflegeheime je nach Bewohneranzahl unterschiedlich stark. Da der Eigenanteil, der je nach Pflegeheim für die Bewohner anfällt, stabil bleiben soll, sollen die Zusatzkosten der zusätzlichen Stellen über die gesetzlichen Krankenkassen abgefangen werden – was der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung jedoch skeptisch sehe. „Es bleibt daher abzuwarten, welche Entscheidungen in dieser Angelegenheit in der Zukunft getroffen werden“, sagt Goll-Gregorius. Keine Verbesserungen erwartet Leiterin Heike Lenhardt vom Caritas Seniorenhaus in Schönenberg-Kübelberg. Ob mit den 13.000 neuen Stellen nun alles besser wird? „Definitiv nein“, betont Lenhardt. Sie wünscht sich „mehr Köpfe in der Pflege“, jedoch gebe es nicht genügend Personal auf dem freien Markt. Auch stelle sich die Frage, wer das noch bezahlen soll.

"Branche wird negativ dargestellt"

Eine große Herausforderung sehen alle Alten- und Pflegeheime im Landkreis in der Rekrutierung des Fachpersonals. „Der Beruf muss attraktiver gestaltet werden, um das Interesse junger Menschen an dieser Ausbildung zu wecken“, betont Leiterin Isabell Zimmer von der Protestantischen Altenhilfe Westpfalz, die das Pflegeheim in Wolfstein betreibt. Der Pflegeberuf und die komplette Pflegebranche würden in den Medien sehr negativ dargestellt, lautet ihre Erfahrung. Dies trage nicht dazu bei, dass junge Menschen sich für diesen Beruf entscheiden. Weitere Möglichkeit: die eigene Ausbildung. Der Schwesternverband bilde Fachkräfte selbst aus. Er investiere in die Ausbildung durch eigene Fachschulen für Altenpflege und Heilerziehungspflege, erläutert Monika Jochum-Werth. Auch Pro Seniore betreibt zwei eigene Pflegefachschulen. Eigene Ausbildung, Umschulung und Zuwanderung nennt Erika Zapp als Möglichkeiten, Personal zu rekrutieren. So könne die Pflege vor allem Frauen, die nach einer Familienphase wieder ins Berufsleben einsteigen wollen, aufgrund ihrer sozialen Kompetenz gut gebrauchen, weiß sie. Der demografische Wandel mache es zudem zwingend notwendig, Mitarbeiter aus dem Ausland anzuwerben und auszubilden. „Daran führt nach heutigem Stand kein Weg vorbei“, sagt die Leiterin in Lauterecken. In diesem Zusammenhang fordert sie eine Vereinfachung und Beschleunigung der Anerkennungsverfahren für Pflegefachkräfte aus dem Ausland.

"Neue Zuwanderungsbürger" als Chance

Um den Personalbedarf sichern zu können, plädiert Jutta Kunz für eine Veränderung der Arbeitsbedingungen im Bereich der Altenpflege. Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Vergütung, Wertschätzung sowie Personalschlüssel müssten verbessert werden. Sinnvoll sei auch eine Weiterentwicklung spezieller Programme für Neueinsteiger und Menschen, die eine berufliche Umorientierung anstreben. Ähnlich sieht es Goll-Gregorius vom Ingweilerhof: „Es muss darum gehen, mehr Menschen für die Pflege zu begeistern und die vielschichtigen Perspektiven in diesem Berufsbild aufzuzeigen und früh zu kommunizieren.“ In puncto Fachkräftemangel ist es nach Meinung von Heike Lenhardt seit Bekanntwerden des demografischen Wandels auf politischer Ebene versäumt worden, den Pflegeberuf attraktiver zu gestalten und gesellschaftswürdig zu etablieren. „So lange Politiker dem Beruf keine Anerkennung und Lobby geben, wird dies scheitern“, warnt die Leiterin des Caritas-Seniorenhauses. Sie plädiert für bessere Rahmenbedingen, um die zukünftigen Ausbildungsstellen zu besetzen. Eine weitere Möglichkeit sieht auch sie in der Rekrutierung von Pflegepersonal aus dem Ausland. Allerdings müssten dabei die Deutschkenntnisse sehr gut und die Ausbildungsabschlüsse auf vergleichbarem Niveau sein. Eine Chance eröffneten auch „unsere neuen Zuwanderungsbürger, die noch eine andere gesellschaftliche Wertevermittlung im Bereich der Versorgung von Senioren in ihren Kulturen erlebt haben“. Wobei auch bei diesen Voraussetzungen wie Sprache und Ausbildung erfüllt sein müssten.

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