Kreis Kusel Differenziert und flexibel

Dirigent Jan Michael Horstmann leitet das Orchester des Pfalztheaters Kaiserslautern sowie das Publikum moderierend durchs Neuja
Dirigent Jan Michael Horstmann leitet das Orchester des Pfalztheaters Kaiserslautern sowie das Publikum moderierend durchs Neujahrskonzert.

„Wie hätte es wohl geklungen, wenn der amerikanische Stardirigent Leonard Bernstein, der in diesem Jahr 100 Jahre alt geworden wäre, ein Neujahrskonzert in Wien dirigiert hätte?“ Diese Frage stellte sich Dirigent Jan Michael Horstmann, als er das Programm für das Neujahrskonzert 2018 des Pfalztheaters Kaiserslautern konzipierte. Tatsächlich war ein solches Dirigat für 1992 geplant, doch Bernstein verstarb 1990. Nun ging es in der Kuseler Fritz-Wunderlich-Halle über die Bühne.

Und so nahmen das Orchester des Pfalztheaters Kaiserslautern unter Leitung von Jan Michael Horstmann, der auch als Moderator durch das Programm führte, und Bassbariton Wieland Satter am Freitagabend die etwa 480 Besucher der bis auf den letzten Platz ausverkauften Fritz-Wunderlich-Halle auf eine musikalische Zeitreise von New York nach Wien mit. Den Spaß an diesem Abenteuer konnte man dem Orchester bei jedem Akkord, bei jeder Note anhören. Einen fulminanten Einstand gaben die Gäste aus Kaiserslautern mit der Ouvertüre zu Leonard Bernsteins Musical „Candide“, dann aber ließen die Musiker mit dem Walzer „Farewell to America“ von Johann Strauß Sohn die Neue Welt hinter sich und machten musikalisch Appetit auf die Alte Welt: Voller Gefühl, doch ohne Schmalz und Kitsch begeisterte das Orchester mit schönen weichen Klangbögen, wiegenden Rhythmen und einem ausgewogenen Klangbild. Auch stilsicher gestaltete Spannungsmomente und Lautmalerei hatten ihren Platz in diesem beschwingten Konzertwalzer. „Auf einer zwei- bis dreiwöchigen Schiffsreise über den Atlantik werden wir aber auch Böen und Stürme erleben und von ihnen durcheinander gewirbelt“, plauderte Jan Michael Horstmann gut gelaunt. Wie sich das anfühlen kann, demonstrierte das Orchester mitreißend mit Joseph Hellmesbergers „Danse diabolique“ und dem Walzer „Winterstürme“ von Julius Fucik. Rasante Flötenthemen, vom Orchester akzentuiert, leiteten im diabolischen Tanz ein Werk voller Schwung, Tempo und Spannung ein, dessen zügige Rhythmen, aparte Harmonien und malerische Klangfarben die Musiker in einem sehr lebendigen Spiel voll sprühendem Temperament interpretierten. Wuchtige Blechbläserakkorde über leise vibrierenden Streichern veranschaulichten die Ruhe vor dem Sturm bevor die Winterstürmen“ mit ihrer ganzen musikalischer Wucht in vollen und doch geschmeidigen Klängen losbrechen sollten. Das unter Jan Michael Horstmanns differenzierter Leitung sehr flexibel agierende Orchester faszinierte durch satten Streicherglanz bei federnden Rhythmen und Tempi. Auf die Stürme der Natur folgten emotionale Turbulenzen: Wieland Satter klärte als Kammerdiener Leporello die Ex-Frau seines Herrn Don Giovanni in der gleichnamigen Oper von Wolfgang Amadeus Mozart detailliert über dessen zahllose außereheliche Beziehungen auf. Subtil und voll dunkler Untertöne legte Wieland Satter diese Erzählung an, ohne marktschreierische Effekthascherei, dafür aber mit einer fast schon beängstigenden Distanz, in der immer wieder satirisch-ätzende Nuancen in seiner geschmeidigen, schlank geführten und doch vollen Stimme aufblitzten. Lockerer wird ein solcher Lebensstil im „Künstlerleben“ des Walzerkönigs Johann Strauß Sohn gesehen, dessen Interpretation sich durch markante und doch geschmeidig ausgeformte Themen voll nonchalanter Lässigkeit auszeichnete. Impulsiv und reflektiert zugleich spielten die Pfalztheater-Musiker auch das Finale aus der Sinfonie Nr. 88 in G-Dur Hob 1:88 von Joseph Haydn, deren fedrig-leichte Grundstimmung in fesselndem Gegensatz zu einem kurzen, markant umrissenen Thema stand. Nicht allzu schwer nahm Wieland Satter die Liebe in seiner humoristischen Interpretation des Liedes „Ja die Liebe ist so wie ein Schaukelbrett“ aus der Operette „Giuditta“ von Franz Lehar. Der schwungvolle ungarische Tanz Nr. 5 von Johannes Brahms sprühte anschließend vor Temperament. In Bernsteins „Lonely Town“ ging das Publikum mit Wieland Satter als Soldat auf Landgang in plastisch ausgeformten Klängen, die manchmal harsch, manchmal dunkel und elegisch waren. Und ein Neujahrskonzert wäre natürlich keines ohne den Walzer „An der schönen blauen Donau“ und den „Radetzky-Marsch“, die das Orchester des Pfalztheaters so bravourös und lebendig spielte, dass das Publikum im Stehen mit klatschte.

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