Rheinpfalz Das Mühlrad dreht sich längst nicht mehr

Senior-Müllermeister Gerhard Sties zeigt ein Gemälde der Mühle aus dem Jahr 1947.
Senior-Müllermeister Gerhard Sties zeigt ein Gemälde der Mühle aus dem Jahr 1947.

Brot war das wichtigste Grundnahrungsmittel unserer Vorfahren. Wer jedoch Brot genießen wollte, der brauchte zuerst Mehl. Der 80 Jahre alte Müller Gerhard Sties aus Rieschweiler-Mühlbach erinnert sich noch an die Zeit, als der Mehlstaub silbern den Dielenboden der Mahlmühle bedeckte. 300 Jahre ist die Mühle nun alt, und vieles hat sich im vergangenen Jahrhundert verändert.

Eine wichtige Urkunde hat der Mühlenbesitzer Samuel Buchheit am 23. November 1717 unterzeichnet. Die im Landesarchiv Speyer verwahrte Originalurkunde hat der Onkel der Familie Sties, Adolf Rinner, übersetzt. Gerhard Sties besitzt vermutlich eine Abschrift, die kaum mehr zu lesen ist. Samuel Buchheit baute eine neue Mühle nahe dem heutigen Bahnhof. Dort konnte der Müllermeister Gerhard Sties im November mit seinen beiden Söhnen Thomas und Jürgen, die die Mühle 2005 übernahmen, das 300-jährige Bestehen der Getreidemühle feiern. Die Familie ist in der sechsten Generation auf der Mühle. Die erste urkundliche Erwähnung der Rieschweiler Mühle ergibt sich aus der Kellerei-Rechnung des Jahres 1479 des Amtes Zweibrücken. Daraus lässt sich ableiten, dass die Mühle zwei bis drei Jahre vorher erbaut wurde. In seiner Beschreibung über die Ämter Zweibrücken und Kirkel des Jahres 1563 erwähnt Tilemann Stella auch die Mühle zu Rieschweiler. Die Hechtlocher Mühle soll 1635 im 30-jährigen Krieg von kaiserlichen Truppen zerstört worden sein. Es gab noch eine weitere verfallene Mühle in Rieschweiler, an der heutigen Straße zur Pottschütthöhe. Die neue Hechtlocher Mühle auf der Insel zwischen Mühlgraben und Schwarzbach nahm ihren Anfang mit dem Jahr 1717. Zehn Jahre später übergab Samuel Buchheit die neu erbaute Mühle an seinen Sohn Valentin Buchheit. Als der Vater 1740 starb, bekam der Sohn Hans Adam Buchheit die Alte Hechtlocher Mühle, die heute von der Familie Hans Isemann betrieben wird. Die 1717 erbaute Mühle kam 1831 in den Besitz der Familie Sties. Die Hechte, die in frühester Zeit wohl sehr zahlreich am Wehr der Mühle auf Jagd nach anderen Fischen gingen, haben auch den Mühlennamen in der Bevölkerung geprägt. Das über dem Bahnhof beginnende Baugebiet auf Mühlbacher Seite heißt ebenfalls Hechtloch. In Wirklichkeit stehen beide Mühlen und der Rieschweiler Bahnhof auf der Gemarkung Höhmühlbach. Der Schwarzbach war schon immer die natürliche Grenze zwischen beiden Dörfern. Demnach gehörten die Rieschweiler Mühlen zum Dorf Höhmühlbach und zum Landkreis Pirmasens, als es bis zur Verwaltungsreform 1972 noch einen eigenen Landkreis Zweibrücken gab. Nahe der Mühle steht noch eine kleine Scheune aus Sandstein. Der Schlussstein im Torbogen trägt die Jahreszahl 1747. Außerdem sind die nur noch schwer lesbaren Namenskürzel „VBH“ unter der Jahreszahl zu sehen, die wohl für den Besitzer Valentin Buchheit von der Hechtlocher Mühle stehen. Gerhard Sties’ Vorfahren stammen aus Hornbach. Seinen Ururgroßvater Jakob Sties zog es ins Schwarzbachtal, wo er im November 1831 die Mühle kaufte. Aus alten Katasterakten und Überlieferung seiner Vorfahren ist Sties bekannt, dass 1841 eine neue Scheune an den Bach gebaut wurde. In diesem Zeitraum wurden auch neue Wasserbauten an der Mühle errichtet, um die Wasserkraft wieder richtig nutzen zu können. Ab 1840 gab es eine große Bachregulierung des Schwarzbachs von der Biebermühle bis nach Zweibrücken, um Überschwemmungen zu verhindern, erzählt Sties. Dadurch sei der Wasserspiegel in der Tallandschaft, um fast 1,20 Meter abgesenkt worden, was für die Mühlen große Probleme brachte. Aus diesem Grund sei auch der Bau des Wehrs notwendig geworden. 1848 wurde die Mühle durch ein Wohnhaus erweitert. Zur Mühle gehörte neben der Landwirtschaft noch eine Brennerei. Ab 1868 setzte sich die Mühlentradition mit dem Sohn Jakob Sties fort. In der Mühle brach 1888 ein Brand aus, und das Mühlengebäude und der Dachstuhl des Wohnhauses wurden ein Raub der Flammen. Die genaue Brandursache wurde nie geklärt. Ab 1894 betrieb Gerhard Sties’ Großvater Adolf Sties die Mühle. Er verunglückte im März 1917 bei Arbeiten am Wasserbauwerk. Es blieb ungeklärt, ob er abrutschte oder von einem Räderwerk erfasst und so unter Wasser gezogen wurde. Für Erwin Sties, den Vater von Gerhard Sties, begann das Mühlenleben nach dem Unfall des Vaters bereits mit 16 Jahren, als er sich in das Handwerk einarbeiten musste. Die Großmutter sei mehr als eine tüchtige Müllerin gewesen, da sie es geschafft habe, den Mühlenbetrieb am Leben zu erhalten, meint Sties. Die Mühle wurde 1932 von Erwin Sties umfassend modernisiert. Nur so war es möglich, mit der technischen Entwicklung Schritt zu halten. Die Mühle belieferte in jener Zeit die Bäcker im Landkreis und der Stadt Pirmasens mit Mehl, das mit einem Pferdefuhrwerk angeliefert wurde. Als sich nach dem Krieg die Wirtschaftskraft wieder entwickelte, hat Gerhard Sties’ Vater mit Silos, Reinigungsmaschinen und der Aufstockung der Lagerkapazität den Mühlenbetrieb den neuen Herausforderungen angepasst. Ein riesiger Schritt war der Einbau einer Wasserturbine in den Mühlgraben, um Strom zu gewinnen. Das Wasserrad hatte ausgedient. Am 1. Juli 1979 übernahm Gerhard Sties von seinem Vater das Mühlengut. Bereits 1980 entschied er sich für einen radikalen Umbau. Es wurde eine neue Technik mit höherer Leistung angeschafft, sodass das Mehl in einem fortlaufenden Mahlgang bis in den Mehlsack oder die Vorratsbehälter lief. Die frühere Rückschüttmühle mit zwei Mahlvorgängen hatte ausgedient. Es kamen Lastwagen für den Transport des Mehls und Getreides, sodass man die Sackbäcker bedienen konnte und die Bäckereien, die ihr Mehl schon im Silo aufbewahrten. Deshalb gab es einen Tankwagen für die Mühle, der über das große Mehlsilo befüllt wird, das 2008 gebaut wurde. Seine Mühle beliefert Bäcker im Gebiet Zweibrücken, Pirmasens, Kaiserslautern und Kusel. Die Mühle pflegt zudem eine Kooperation mit dem Fachgroßhandel für Bäckereien und Konditoreien, Bäko Westpfalz. Dass das Geschäftsgebiet der Mühle immer weiter wuchs, liegt auch am Niedergang des Mühlenhandwerks: Im Landkreis Südwestpfalz gibt es mit der Würschhauser Mühle bei Wallhalben, der Isemannmühle und der Stiesmühle in Rieschweiler-Mühlbach nur noch drei aktive Getreidemühlen, im Kreis Kaiserslautern gar keine mehr.

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