Kreis Südwestpfalz Warum der Kreis die Geschichte fälscht

Die „Hindenburg“ über dem Würzbacher Weiher.
Die »Hindenburg« über dem Würzbacher Weiher.

Was unternimmt der Saarpfalz-Kreis, wenn er anderthalb Millionen Euro von der Kulturstiftung des Bundes bekommt, um das Landleben noch schöner zu machen, als es ist? Er engagiert Leute, die sich etwas einfallen lassen. Einer mit Einfällen ist Stefan Ochs. Der Architektur-Professor und das Team von „PlanB“ wollen am Freitagnachmittag mit einer Expedition „zu Wasser, zu Lande und in der Luft“ der Geschichte des Würzbacher Weihers auf den Zahn fühlen. Alle Niederwürzbacher sind zu diesem Kunstprojekt eingeladen.

Es erscheint in der Tat frappierend, wie sehr der Würzbacher Weiher den Umrissen nach dem Bodensee ähnelt. Für Professor Ochs ist diese Erkenntnis ein Anlass zu umfangreichen Recherchen in den Archiven. Vorallem in den alten Dokumenten der Niederwürzbacher Vereine. Blieskastel wäre nicht Blieskastel ohne Marianne von der Leyen, Stefan Ochs kein Wissenschaftler, ohne neue Fragen. In den Tiefen und Untiefen der Würzbacher Geschichte stieß Ochs auf folgendes Problem: Wurde der Würzbacher Weiher dem Bodensee nachgebildet? Als Antwort hat der Professor der Saarbrücker Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) eine Erzählung parat. Die führt zurück in die Zeit vor Ausbruch der französischen Revolution 1789, welche wenige Jahre später der Von-der-Leyen-Herrschaft den Garaus machen sollte. Die Geschichte geht ungefähr so: Das Auftauchen bisher unbekannter Dokumente wirft nun ein neues Licht auf die Familie von der Leyen und den Ursprung der heutigen Gestalt der Wasserfläche. So soll Marianne von der Leyen, 1745 als Maria Anna Helene Josephina Kämmerer von Worms geboren, eine drei Jahre jüngere Schwester namens Henriette Josephina Felitia Kämmerer gehabt haben. Mariannes kleine Schwester soll einer überaus pikanten Tätigkeit nachgegangen sein. Als Konkubine am Hof von König Wilhelm I. (1781–1864) von Württemberg soll sie vor allem in dessen Sommerresidenz „Friedrichshafen“ am Bodensee“, als „Schöne Wormserin“, ein lasterhaftes Leben verbracht haben. Ochs’ Erzählung – so die Anmerkung des Professors – sollte nicht unbedingt als hartes Faktum verstanden werden. „Kunst darf alles“, sagt der Künstler. Es sei sogar eine Aufgabe der Kunst, Geschichten und sogar Geschichte zu erfinden. Die Geschichte des Würzbacher Weihers eben. Die dem Bodensee ähnliche Form sei demnach das Ergebnis des Konkubinats, der heimlichen Liebschaft, von Mariannes Schwester Henriette. So geht die Geschichte weiter: Henriettes Erzählungen von den extravaganten Bootsfahrten über den See hätten ihre Schwester Marianne dazu bewegt, den Würzbacher Weiher ab 1789 zu einem „Würzbach-See“ mit den Umrissen des „Lac de Constance“ – der gebildete Adel sprach Französisch – und eigenem Bootsverkehr umzuwandeln. Der Mariannenhof auf der Südseite läge fortan in der Schweiz, der Annahof auf der Nordseite entspräche der königlichen Sommerresidenz Friedrichshafen: Der Gutshof Junkerswald am westlichen Zipfel würde die Lage der deutschen Reichsstadt Konstanz einnehmen. „Ist das schon eine Fake-News?“, fragt Stefan Ochs, der sich natürlich als Künstler ungern mit US-Präsident Donald Trump gleichgesetzt werden will. Dennoch: „Wir wollen die Vereine mit einer fiktiven Geschichte dazu bewegen, sich mit uns am späten Freitagnachmittag am Würzbacher Weiher zu treffen.“ Fiktion oder Wahrheit? Eine Vermutung: Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, in denen Marianne zu der Zeit steckte, könnten durch diese aufwendigen Arbeiten verursacht worden sein. Am 14. Mai 1793 floh Marianne vor den Truppen der Französischen Revolution. Sie starb 1804 in Frankfurt am Main. In ihrem Tagebuch fehlt allerdings jeder Hinweis auf ihre leichtlebige Schwester. Stefan Ochs will sich am Freitag mit den Niederwürzbachern auf den Weg machen, und mittels einer Forschungs-Expedition nach eventuellen Belegen für die Existenz Henriettes und deren Konkubinat suchen. Schließlich soll schon ein Schriftstück über herrliche Bodenseeballaden am und auf dem „Würzbach-See“ gefunden worden sein, das als Notiz von Marianne an Henriette gelten könnte. „Kann man das glauben?“, fragt Ochs. Immerhin: „Vergleicht man die Umrisse der beiden Gewässer ist man baff; die Geschichte könnte wirklich stimmen.“ Schließlich gibt es noch einen weiteren Hinweis auf die Verbindung des Würzbach-Weihers zum Bodensee. Während seines Jungfernfluges tauchte das in Friedrichshafen gestartete Luftschiff „Hindenburg“ völlig überraschend über dem Würzbachtal auf. Schon damals fragten sich die Leute: Warum? Durch die neuen Funde des Forschungsteams um Professor Ochs deuten sich Antworten auf bis jetzt fast unlösbare Fragen an. Auch das Festival „Vereint euch!“ reagiert auf diese Erkenntnisse. „Vereint sich jetzt Friedrichshafen mit Blieskastel, Marianne mit Henriette, Zeppelin mit Baladenschiff und der Bliesgau mit der Insel Mainau?“ Fragen, die Ochs am kommenden Wochenende klären will. Am Freitagnachmittag – eine genaue Zeitangabe wollte der Professor nicht machen – soll an der Alten Feuerwehr in Niederwürzbach mit Unterstützung der Vereine und anderer Freiwilliger das Expeditionsfahrzeug gebaut werden. Sobald dieses am Samstagabend fertig ist, werde es durch den Ort gertagen und zu Wasser gelassen. Am Sonntag wird das Team der HTW voraussichtlich erste Einblicke in die Forschungsergebnisse geben können und das Expeditionsfahrzeug zurück zur Alten Feuerwehr bringen. Das Projekt „Vereint Euch“ und wird mit anderthalb Millionen Euro von „Trafo – Modelle für Kultur im Wandel“, einer Initiative der Kulturstiftung des Bundes gefördert und mit weiteren 160 000 Euro vom Saarpfalz-Kreis finanziert. Das Geld wird bis 2020 über fünf Jahre verteilt. Laut Kreisverwaltung soll die Aktion der Belebung des ländlichen Raumes und der Vereine dienen. Das Geld werde hauptsächlich für Künstlerhonorare ausgegeben, so Mark Herzog vom Saarpfalz-Kreis.

Umriss des Bodensees.
Umriss des Bodensees.
Umriss des Würzbacher Weihers.
Umriss des Würzbacher Weihers.
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