Südwestpfalz Von der Provinz bis Brüssel: Bauernverband mit Kritik-Rundumschlag

Bevor es an die Agro-Photovoltaik - wie auf dem Bild zu sehen - geht, sollten erst vorhandene Potenziale genutzt werden, kritisi
Bevor es an die Agro-Photovoltaik - wie auf dem Bild zu sehen - geht, sollten erst vorhandene Potenziale genutzt werden, kritisiert der Bauernverband.

Jede Menge konstruktive Kritik äußerte Vorsitzender Uwe Bißbort auf der Bauernversammlung des Kreisverbandes Pirmasens-Zweibrücken. Insbesondere geißelte er das aggressive Werben um Ackerflächen für Photovoltaik-Freiflächenanlagen.

Bißbort forderte zu Gesprächen mit allen Beteiligten auf, um dem ungesteuerten Flächenfraß und dem exorbitanten Anstieg der Pachtpreise entgegenzuwirken. „Letzte Woche hat unser Bundeskanzler Olaf Scholz unter anderem gefordert, dass täglich die Fläche von 40 Fußballfeldern mit Photovoltaik zugelegt werden muss, um die Energiewende zu schaffen“, erinnerte Uwe Bißbort aus Windsberg die Landwirte, die sich in der Gaststätte „Zum Hannes“ in Niederhausen versammelt hatten. Er rechnete vor: 40 Fußballfelder entsprechen 28,4 Hektar. Mal 365 Tage macht 10 366 Hektar im Jahr. „Jeder der die Grundschule erfolgreich abgeschlossen hat, weiß, wohin das führt“, so der Bauernvorsitzende. Das Land Rheinland-Pfalz verfolgt das Ziel, bis zum Jahr 2030 seinen Stromverbrauch bilanziell zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien zu decken. Photovoltaik-Anlagen sollen 25 Prozent des Stroms liefern. Bißbort forderte die Verbandsbürgermeister und die den Vorstand des Landkreises Südwestpfalz auf, intensiv miteinander zu reden.

Das größte Problem für die Landwirte seien nicht die Wetterkapriolen, sondern die mangelnde Unterstützung durch die Politik; angefangen auf Gemeindeebene bis hin nach Brüssel. „Wie kann es sein, dass eine Gemeinde einstimmig beschließt, die Abgabe für den Feld- und Waldwegeunterhalt in den nächsten drei Jahren auf 70 Euro pro Hektar anzuheben?“, fragte Bißbort in die Runde. Die Maßnahme sei von der Verbandsgemeindeverwaltung vorgeschlagen worden, weil die vorhandenen Rücklagen in der Vergangenheit zweckentfremdet verausgabt wurden.

Bißbort: Kreis ist Verhinderungsbehörde

Auch der Kreis musste sich Kritik anhören. Bißbort: „Was sich in Pirmasens in der Bauabteilung und bei der unteren Naturschutzbehörde abspielt, hat mit Dienstleistung überhaupt nichts mehr zu tun.“ Investitionsverhinderungsbehörde sei für ihn die richtige Bezeichnung. Seit einigen Jahren werde von der Landesregierung versprochen, aufgrund der stark zurückgegangenen Tierzahlen für die Tierkörperbeseitigung und die Fleischbeschau Lösungen hinsichtlich Entlastung der Tierhalter und Metzger zu finden. „Bis zum heutigen Tage ist nichts, aber auch gar nichts passiert“, prangerte der Windsberger auch die Regierung in Mainz an.

Er könne nicht verstehen, meinte Bißbort, dass ein Land, das seit vielen Monaten in den Bereichen Energie und Industriebauteilen erlebt, wie es ist, wenn man sich vom Ausland komplett abhängig macht, denselben Fehler im Bereich der Nahrungsmittelproduktion wiederholt. Den Verbrauchern sei es scheinbar gleich, ob das Schweinefleisch aus großen Mastanlagen in Spanien kommt statt vom lokalen Markt. Oder ob die Eier mit dem Airbus aus Buenos Aires hergeflogen werden. Der Schlusssatz des Bauernvorsitzenden: „Wir sind dabei, unsere Bundesrepublik zu deindustrialisieren und unsere heimische Landwirtschaft an die Wand zu fahren.“

Bauern sollen sich nicht ständig bemitleiden

Eberhard Hartelt, Präsident des Bauern- und Winzerverbands Rheinland-Pfalz Süd, fand, dass konstruktive Kritik der richtige Weg sei. Die Bauern sollten sich nicht ständig als Opfer bemitleiden. „Raus aus dem Isolationsstatus“, forderte der Göllheimer sie auf. Schilder hochzuhalten mit dem Slogan „Wir machen euch satt“ sei vernünftig, reiche aber nicht aus. Das Thema Nahrungssicherheit interessiere die Bevölkerung kaum. Die Beteiligung an der Umsetzung von Umwelt- und Klimazielen biete eine öffentlichkeitswirksame Plattform. Die Frage sei nicht ob, sondern wie der Verband das machen soll. Der Umweltbeauftragte des Deutschen Bauernverbandes: „Wir müssen uns als Zukunftsbauern präsentieren“. Jürgen Vogelgesang, Vizepräsident des Bauernverbandes und Vorsitzende des Kreisverbandes Kaiserslautern, pflichtete Bißbort und Hartelt bei: „Wir sitzen alle im selben Boot. Die Landwirte vor Ort und die Kommunalpolitiker müssen zuallererst miteinander reden.“ Fast alle Gemeinden seien klamm. Dies sei aber kein Grund vorschnell zu handeln.

Hartelt äußerte sich auch klar zu den Photovoltaik-Freiflächenanlagen. „Die Vorschläge zur Doppelnutzung, sprich Agro-Photovoltaik, zeigen, wie bekloppt diskutiert wird. Solarzellen auf Stelzen in 3,50 Meter Höhe und Getreide- und Maisanbau schließen sich aus.“ Man sollte die vorhandenen Potenziale ausschöpfen. In Grünstadt habe Amazon eine 1000 Quadratmeter große Fläche für Autos versiegelt. Über ihnen könnte man Solarstrom erzeugen. Und eventuell E-Autos direkt laden. Auch stillgelegte Deponien eigneten sich zur Erzeugung von Ökostrom.

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