Kreis Südwestpfalz Sitzplatz in der Kirche zu versteigern
Mit einem Festgottesdienst feiert Wiesbach morgen das 100-jährige Bestehen der katholischen Kirche Mariä Himmelfahrt. Zum Kirchenjubiläum wurden zwei Bilder von Edith Stein und Pfarrer Paul Josef Nardini in zwei Nischen aufgehängt. Für den selig gesprochenen Nardini und die heilig gesprochene Edith Stein hatte man sich in Wiesbach entschieden, weil beide einen regionalen Bezug haben.
Nardini gründete in Zweibrücken die Mallersdorfer Schwestern, Edith Stein habe ebenfalls einen Bezug zur Diözese Speyer, begründet der Wiesbacher Friedrich Weber die Wahl. Weber beschäftigt sich seit Jahren mit der Geschichte der Wiesbacher Pfarrei. Er verfasste die dazu die Chronik „Parochia Wisbacensis“ im Jahr 2001. Die Idee, die Nischen in Zukunft zu verkleiden, entstand bereits im Jahr 2003, als die Kirche saniert wurde. Weber erzählt, dass man mit Nardini und Stein auch zwei Menschen gefunden habe, die zu einer Zeit lebten, in der die Kirche gebaut wurde. Die beiden Gemälde sind jeweils über sechs Quadratmeter groß und wurden auf Platten von dem bekannten Kunstmaler Hermenegild Peiker gefertigt. „Die Nischen wurden jetzt durch die Bilder komplett verdeckt und ausgefüllt“, beschreibt Weber das neue Aussehen im Innern der Kirche. „Die Platten sieht man auch nicht, es sieht aus wie ein Wandgemälde.“ Bischof Karl-Heinz Wiesemann wird bei dem Festgottesdienst am Sonntag eine Reliquie von Paul Josef Nardini mitbringen. „Dafür hat man unter dessen Bild einen Schrein, etwa in Augenhöhe, angebracht“, erklärt Weber, worin die Reliquie aufbewahrt werden soll. „Leider gibt es von Edith Stein keine Reliquien, weil sie im Konzentrationslager von Auschwitz starb“, bedauert der Historiker. Finanziert wurden die Bilder durch Spenden sowie von der Daniel-Theysohn-Stiftung, verrät Pfarrer Bernhard Selinger. 1896 wurde der Kirchenbauverein gegründet. Die Katholiken wünschten sich damals eine eigene Kirche, denn sie mussten mit der evangelischen Kirche vorliebnehmen. Das führte immer wieder zu Konflikten. „Da gibt es Aufzeichnungen, dass der evangelische Pfarrer noch eine Beerdigung hielt, da fing der katholische Pfarrer schon an, zum Gottesdienst zu läuten“, erzählt Weber schmunzelnd. Trotzdem war es den Katholiken nicht so einfach möglich, ihre Gottesdienste nicht mehr in der evangelischen Kirche abzuhalten. 2600 Mark Ablösesumme mussten sie an die Protestanten zahlen. „Immerhin sind die Katholiken über Jahre auch für die Unterhaltung der evangelische Kirche aufgekommen und fielen nun als Mitfinanzierer natürlich weg.“ Am 30. Juni 1912 erfolgte in Wiesbach dann der erste Spatenstich für den ersehnten Bau der katholischen Kirche. Die Aufregung war groß, als man bereits nach kurzer Zeit feststellen musste, dass der Boden fast nur aus Morast bestand, gibt Weber einen Einblick in die 100-jährige Geschichte des Bauwerks. Nach vielen Diskussionen habe man sich dann entschieden, trotzdem die Kirche an dieser Stelle zu errichten: „Es ist die Dorfmitte, und es ist der schönste Platz.“ Mit einem Holzwschwellenrost und Eisenverankerungen versuchte man dem Gebäude den notwendigen Halt zu geben. „Doch der Turm war ja später viel schwerer als der Rest“, weiß der Chronist. „So drückte der Turm mehr als das Kirchenschiff und schon nach wenigen Jahren – im Jahr 1929 – machten sich in der Außenwand die ersten Risse bemerkbar. „Sogar die Fußbodenplatten wellten sich.“ 1936 wurden die Risse und der Boden im Innern dann saniert. Von den ursprünglichen Glocken ist heute keine mehr im Glockenturm vorhanden. Bereits im Ersten Weltkrieg wurden die Glocken abgehängt. „Sie sollten eingeschmolzen werden.“ Doch dazu kam es nicht, Pfarrer Ferdinand Deusch fand die Glocken am Landstuhler Güterbahnhof und brachte sie wieder zurück nach Wiesbach. Die Freude darüber war nur von kurzer Dauer, denn im zweiten Weltkrieg verschwanden die beiden größten Glocken wieder – dieses Mal endgültig. Weber fand Aufzeichnungen, dass 1953 dann ein kompletter Satz von drei Glocken wieder angeschafft wurde. Es entstanden weitere Kosten. Geld für die Kirche wurde zum Teil durch eine Versteigerung eingenommen. Jedes Jahr wurden an Pfingsten die Bänke für ein weiteres Jahr versteigert. Jede Familie konnte für ein Jahr ihren ganz persönlichen Sitzplatz ersteigern. „Da die Kirche große Pfeiler hat, wollte dort natürlich niemand sitzen.“ Wer also neu ins Dorf zog, musste meist an den Pfeilern mit einem Platz vorlieb nehmen, denn die Einheimischen hatten „ihre“ Bank oft über Jahre. „Natürlich kam es manchmal bei den Versteigerungen auch zu Überbietungen und dann sagte man: „Der hat denen den Platz verteuert“, erzählt Weber und lacht. Er selbst habe als Kind geglaubt, dass das Versteigern der Kirchenbänke in jeder Pfarrei gemacht wird. „Für mich war das etwas ganz Normales.“ Bis in die 70er Jahre sicherten sich die Wiesbacher auf diese Art und Weise für ein Jahr die Sitzplätze. „Mittlerweile galt es vor allem, dass die Frauen mit ihren Fuchspelzen gesehen wurden“, erinnert sich Weber. „Die beliebtesten Plätze waren deshalb die am Gang, weil man dort am ehesten gesehen wurde.“ (rnk)