Kreis Südwestpfalz Sie dachte immer groß

91-84483294.jpg

Else Mußler, Gründerin und langjährige Prinzipalin der Studiobühne Pirmasens (Stip) ist in der Nacht zum Montag im Alter von 88 Jahren verstorben. Mit einer Resolutheit, die keinen Widerspruch duldete, setzte die rothaarige Dame ihre Ideen durch. Auch wenn die gelernte Schauspielerin mit Studienabschluss an der Alten Oper Frankfurt manchmal vergaß, dass noch in der letzten Probe alles anders gedacht und geübt worden war. Aber wehe, ihre Schauspieler widersprachen oder kamen ungelernt zur Probe!

Sie konnte gurrend schmeicheln oder einen aus hellwachen Augen anblitzen, wenn sie ihr dünnes Zigarillo zum Glühen brachte und hauchte: „Find’ ich gut. Ich find’s gut!“ Bis Mitte der 1990er Jahre sind mehr als 300 Laiendarsteller seit der Stip-Gründung 1979 durch Else Mußlers Schule gegangen. 40 Eigenproduktionen erlebten 240 Vorstellungen. Die Bandbreite der Inszenierungen umspannt fast sämtliche Genres von Klassikern wie „Maria Stuart“ über Absurdes wie „Warten auf Godot“ bis zu Wildem wie der „Rocky Horror Show“. Sie hat Massenszenen auf der kleinen Stip-Bühne im Mezzanin der Festhalle genauso gemeistert wie Zwei-Personen-Stücke auf der großen Bühne. Sie praktizierte auf dem Schlossplatz, im Alten Friedhof, im Steinbruch im Schweinstal und auf der Bitscher Zitadelle. Detailverliebt und voller Organisationsgabe trieb sie vom ausgestopften Federvieh, vom Planwagen bis zur Kanone und Pferden jedes denkbare Dekor für ihre Stücke auf. Nicht einmal das Wetter hielt sie auf, als die Aufführung „Schinderhannes“ zum Rheinland-Pfalz-Tag 1997 bei strömendem Regen mit Pferden und Reitern im Alten Friedhof ihre Premiere feierte. Die Fähigkeit, in Laien das schlummernde Potenzial zu entdecken und eigentlich Unbeteiligte für die Theaterarbeit derart zu begeistern, dass sie ganze Abende und Wochenenden opferten, ließ auch jene hilflos zurück, die schon jahrelang zum Inventar gehörten. Else Mußler dachte immer groß: Den „Faust“ hat sie aufgeführt, Brechts „Mahagonny“, den „Käfig voller Narren“, „Bel Ami“, „Alexis Sorbas“ inklusive Bergwerk und lebender Ziege. Dann Walter Bockmeyers „Geierwally“ und Ambros’ „Watzmann“. Die im Oktober 2013 in der Kulisse veranstaltete Retrospektive mit vielen ehemaligen Stip-Schauspielern, kurzen Spielszenen und vielen Filmen dauerte beinahe zwölf Stunden. Und Else Mußler hätte immer noch mehr Material gehabt. Ihr großer Wunsch, ihre eigene Bühne zu haben, hat sich nicht erfüllt. Das hat die gebürtige Karlsruherin gefuchst, aber nicht gebremst. Die Stip war ihr Kind, hinter dem auch Sohn und Ehemann zurückstehen mussten. Manchmal bedauerte sie das, zumal ihr Sohn schon in jungen Jahren starb und auch ihr Mann vor ihr ging. (tz)

x