Massweiler/Rieschweiler-Mühlbach Schade, dass Adebar bald aufbrechen wird

Flugübungen sind notwendig, aber sie bringen Unruhe in die enge Kinderstube.
Flugübungen sind notwendig, aber sie bringen Unruhe in die enge Kinderstube.

Vom Mühlenland bis zur Klosterstadt Hornbach und dem Kirschbacherhof gibt es derzeit sehr wahrscheinlich die meisten Storchenkinder in ganz Rheinland-Pfalz.

Eine vorbildliche Kinderbetreuung macht es möglich, dass heuer mindestens 90 junge Klapperstörche im Schwarzbachtal flügge werden könnten. In einem Nest auf dem Hitscherhof gibt es sogar fünf Langschnäbel, die jetzt gefüttert werden wollen.

In großer Zahl hatten die Störche schon Ende Februar die Nester im Zweibrücker Land besetzt. Alte Besitzrechte wurden unverkennbar für jeden Nebenbuhler zeitig in Anspruch genommen, berichtet Henning Götz vom Kirschbacherhof. Auch um die Getreidemühlen in Rieschweiler seien die Störche noch nie so früh wie diesmal aufgetaucht, um zügig mit dem Brutgeschäft zu beginnen, wie Müllermeister Hans Isemann erzählt. Nur in seinem Garten, in dem vor Jahren eines der ersten Nester am Schwarzbach besiedelt wurde, hat kein Storchenpaar Lust gezeigt, die vorhandene Kinderstube zu belegen. Isemann hofft nun für das kommende Frühjahr auf die gerngesehenen Bewohner. Die Müllerfamilie vermisst derzeit das Storchenglück unmittelbar vorm Wohngebäude. Nun musste sie sich also über den Nachwuchs auf der hohen Fichte überm Schwarzbach freuen, auf dem Sendemast der Bahn oberhalb des Bahnüberganges und den Nachwuchs auf der Birke über der Bahnlinie. Zum Glück alles in Sichtweite des Mühlengutes.

Gute Anpassungsfähigkeit

Peter Spieler aus Zweibrücken und Norbert Fakundiny aus Kleinsteinhausen, die erfahrenen Vogelkenner vom Naturschutzbund Deutschland (Nabu), sind überzeugt, dass die Weißstörche Effekte des Klimawandels zu ihrem Vorteil genutzt haben. Die Vögel kämen zwar besorgniserregend frühzeitig, um ihre Nester auszubessern und sogar viele neue Naturnester an allen bisher bevorzugten Wohnplätzen zu bauen. Die Hochzeit mit der Auserwählten, die Eiablage und das Brutgeschäft liefen fast im Eiltempo ab.

Bleibt der durch Frostnächte gefährdete Nachwuchs von Wetterstürzen verschont, dann kann schon früh die Futtersuche beginnen. In diesem frühen Zeitraum ist in der Region der Tisch für die Störche noch reichlich gedeckt. Das zeitige Mähen des Grünlandes durch das immer mehr nach vorne verschobene Frühjahr und die Bestellung des Ackerlandes schaffen weitere Nahrungsquellen, die die Stelzvögel eifrig nutzen. So gedeiht der Nachwuchs gut und kommt schnell zu Kräften.

Storchenkinder und ihre Eltern leiden unter Hitze

Schon vor Beginn des allzu trockenen Sommers haben die Störche ihren Nachwuchs robust aufgepäppelt. Die Natur sei erstaunlich anpassungsfähig, wenn es der Arterhaltung dient, sagen die Fachleute vom Nabu. Kommt es jedoch zu einem verregneten Frühjahr mit vielen Frostnächten, werde es in vielen Kinderstuben kein Gedränge wie in diesem Jahr geben, verdeutlicht Fakundiny.

Helma Ziehl aus dem Hechtloch in Rieschweiler-Mühlbach gerät ob der Störchen in ihrer Nachbarschaft ins Schwärmen: „Einmalig, wie die sich um ihren Nachwuchs kümmern!“ Die innige Begrüßung der Altstörche mehrmals am Tag beeindruckt sie immer wieder. Nur jetzt, an den unerträglichen Hitzetagen, hätten die Storchenkinder und ihre Eltern erkennbar zu leiden gehabt, sagt die Naturbeobachterin. Es sei wunderschön, wenn man zum blauen Himmel blickt, an dem viele Störche ihre Runden drehen. „Die Klapperstörche seien eine besondere Vogelart, die einem einfach Freude machen“, findet Ziehl. Schon komme Wehmut auf: Nicht nur, dass die Nester nun über viele Stunden leer sind. Bald wird Adebar wieder für einige Monate Adieu sagen. Helma Ziehl hofft, dass viele Störche im Frühjahr wieder gesund ins Schwarzbachtal kommen.

Im Winter nur bis Spanien?

Weißstorchenkinder sind Nesthocker, die trotzdem schon nach wenigen Tagen ihre Muskulatur und später die Flügel trainieren. Dazu haben sie mindestens bis zu 60 Tage Zeit, bis es zum ersten Rundflug kommen kann. Durch die längere Brutzeit und der Aufteilung der Nahrung auf fünf Schnäbel verzögert sich auf dem Hitscherhof das Ausfliegen der Storchenkinder bis Anfang August. Darum nutzen die Jungstörche die Übungsmöglichkeiten noch, um richtig fliegen zu können. Das Trockentraining ist in dem eng gewordenen Nest nicht ungefährlich, da es leicht zum Absturz kommen könnte. Nach dem Jungfernflug müssen die Jungvögel noch die erfolgreiche Nahrungssuche von den Eltern lernen. Also beginnt ihr Abflug nach Süden vielleicht etwas später. Dann wird ihre Reise ins Winterquartier nach den Erfahrungen der Ornithologen vom Schwarzbachtal höchstens bis nach Spanien führen.

Wenn Storcheneltern fünf hungrige Storchenbabys zu versorgen haben, ist das eine gewaltige Herausforderung. Nur, wenn genügend Futter in unmittelbarer Umgebung gefunden werden kann, haben alle Jungschnäbel eine Überlebenschance. Dies muss bei Meister Adebar und seiner Gattin auf dem Hitscherhof in den vergangenen Woche offensichtlich der Fall gewesen sein. Für eine Familie in dieser Größenordnung muss das Storchenpaar etwa 5000 Gramm Futter täglich anschleppen. In dem Nest auf den bewohnten Nebengebäuden zum ansteigenden Golfgelände herrscht großes Gedränge. Gleich fünf Geschwister üben fleißig ihre Flügel für den ersten selbstständigen Rundflug.

Männchen und Weibchen brüten abwechselnd

Störche legen in der Regel drei bis vier Eier. Höchst selten sind es mehr. Der Legeabstand zwischen jedem Ei beträgt zwei bis drei Tage. Bei einem Gelege mit vier Eiern dauert die Legezeit neun bis zwölf Tage. Im Falle des Hitscherhofs darf man von 15 Tagen ausgehen, bis das letzte Ei im Nest lag. Mit der Bebrütung wird meistens nach Ablage des zweiten Eis begonnen. Von diesem Zeitpunkt an werden die Eier stets warm und frei von Nässe gehalten.

Die Brutdauer beträgt bis zu 33 Tage. Männchen und Weibchen bebrüten abwechselnd die etwa 110 Gramm schweren Eier. Immer wieder kommt es vor, dass ein Ei ins tiefere Geäst abrutscht, wo es nicht mehr ausreichend Wärme bekommt. Dann kann dort kein Jungvogel schlüpfen.

Eltern bei der Futtersuche enorm erfolgreich

Die leicht gelblichen Eier sind mit dunklen Pünktchen gesprenkelt. Durch die verzögerte Eiablage schlüpfen die Storchenbabys auch an unterschiedlichen Tagen, sodass später oft sehr unterschiedliche Größen an Küken im Nest zu beobachten sind. Bei den fünf Storchenkindern auf dem Hitscherhof sind aber kaum Größenunterschiede vorhanden. Dies zeigt, dass die Eltern bei der Futtersuche enorm erfolgreich waren.

Höchstens 80 Gramm wiegen die winzigen Jungstörche, die in den ersten Stunden ihres Lebens noch blind sind. Nun ist ständig ein Altstorch unterwegs, um Nahrung herbeizuschaffen. Der andere hält am Nest Wache, um die empfindlichen Jungen gegen Kälte, Regen und Hitze zu schützen. Außerdem werden Feinde wie Rot- und Schwarzmilan oder der Marder abgewehrt. Streitsüchtige Junggesellen aus der Storchenfamilie werden in die Flucht geschlagen.

Das erste Storchenei liegt im Nest. Es wiegt 110 Gramm.
Das erste Storchenei liegt im Nest. Es wiegt 110 Gramm.
Weißstörche sind elegante Gleitflieger.
Weißstörche sind elegante Gleitflieger.
Kräftige Fünflinge leben auf dem Hitscherhof.
Kräftige Fünflinge leben auf dem Hitscherhof.
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