Kreis Südwestpfalz Ein Waisenhaus im Wald

MASSWEILER. Im Frühjahr erwacht die Natur zum Leben, so sagt man. Die Bäume und Wiesen werden wieder grün und die Füchse, Hasen und Rehe bringen ihren Nachwuchs zu Welt. Doch was sich so idyllisch anhört, ist oftmals harte Realität. In der vergangenen Wochen irrten vier kleine Fuchswelpen bei Zweibrücken über die Autobahn A 8. Die Mutter lag tot am Straßenrand, und einige Autofahrer schafften es, die Kleinen einzufangen. Doch dann stellte sich die Frage, was mit den Tieren passieren sollte. Einmal bekamen die Retter sogar die Antwort, sie sollten die Tierkinder in die Schwarzbach werfen, die neben dem Fundort fließt. Füchse gebe es schließlich genug. Etliche Telefonate waren notwendig, bis eine Unterkunft für die jungen Füchse gefunden wurde. Sie sind nun in Maßweiler in der Tierauffangstation Tierart untergebracht. „Zu Beginn waren sie noch so klein, dass eine Kollegin sie abends mit nach Hause genommen hat“, erzählt Diplom-Biologin Eva Lindenschmidt von Tierart. Doch mittlerweile sind die Nächte nicht mehr so kalt, und die Welpen haben auch schon kräftig zugelegt. „Sie wiegen jetzt ein knappes Kilo“, schätzt Lindenschmidt und schließt die Tür zum Gehege auf. Zwischen Strohballen, Holzstämmen und Holzröhren haben sich die kleinen Fellknäuel zusammengekauert. Neugierig kommen sie näher und finden gefallen an den Überschuhen, die die Biologin trägt. Ein ganz mutiges Fuchskind traut sich sogar, an dem Schuh zu knabbern. „Noch sind sie zahm. Doch wenn sie größer sind, kommen sie in ein anderes Gehege“, erklärt die Mitarbeiterin von Tierart, die im Hauptstudium Zoologie und Verhaltensforschung belegte. Dann sind die Füchse im Wald untergebracht, in dem Gehege finden sie auch Erdhöhlen, in denen sie sich verstecken können. „Sie werden ganz schnell wieder scheu.“ Das ist wichtig, denn im Herbst werden die Füchse ausgewildert – wenn sie groß genug sind, um ihren eigenen Weg zu gehen. Dabei werden sie in der Nähe des Fundortes wieder ausgesetzt. Das passiert nach Rücksprache mit dem in diesem Gebiet zuständigen Jäger, weiß die Expertin. „Einige Jäger sind mittlerweile auch Mitglied bei Tierart geworden.“ Man habe erkannt, dass Füchse eine Gesundheitspolizei in der Natur sind. „Sie fressen hauptsächlich Mäuse und Ratten.“ Auch das Thema Tollwut sei kein Argument, die Füchse nicht auszuwildern: „Deutschland ist seit einigen Jahren tollwutfrei.“ Wenn noch mehr Füchse gefunden werden, werden sie gemeinsam mit den vier Geschwistern hier bei Tierart im Gehege aufwachsen können. Auch sie werden an ihrem Fundort wieder ausgesetzt. Es sei keinesfalls so, dass die Füchse alle in Maßweiler ausgewildert werden, stellt Lindenschmidt klar. „Die Tiere brauchen auch Raum, um ein Revier zu bilden.“ Deshalb sei es wichtig, dass man die Tiere wieder in der Nähe des Fundortes nach Rücksprache mit den Jägern in die Freiheit entlässt. Doch nicht nur Fuchswaisen werden in der Tierauffangstation gerade aufgepäppelt. Zwei kleine Feldhasen sitzen vor gepflücktem Löwenzahn. „Das Interesse der Hasen an dem Grünfutter ist allerdings noch nicht so groß“, sagt Lindenschmidt schmunzelnd. „Sie bekommen noch Katzenaufzuchtmilch und nehmen nur ab und zu mal einen Halm.“ Die Feldhasen nimmt die Biologin abends mit nach Hause: „Bis um zwölf in der Nacht wird noch alle paar Stunden mit der Flasche gefüttert.“ Gefunden wurden die kleinen Feldhasen in Pirmasens. „Ein Mädchen hatte sie schon eine Woche großgezogen. Das hat sie ganz toll gemacht, die Kleinen bekamen sogar nachts alle zwei Stunden ihre Milchflasche und hinterher eine Bauchmassage“, lobt Lindenschmidt. Feldhasen seien – unter anderem wegen der auftretenden Koliken – sehr schwierig aufzuziehen. In den nächsten Wochen werden bestimmt noch weitere Waisen bei Tierart großgezogen, weiß die Mitarbeiterin. Oft kommen noch Eichhörnchen, Igel und Siebenschläfer hier an. „Ab Mai werden auch kleine Waschbären öfter gefunden.“ Die dürfen allerdings nicht ausgewildert werden, sondern bleiben bei Tierart oder werden an Zoos vermittelt. Auch wenn derzeit viele Jungtiere vermeintlich ohne das Muttertier auf einer Wiese liegen, so wurde nicht jedes Tier von der Mutter verlassen, warnt die Mitarbeiterin von Tierart: „Die Tiere dürfen nicht angefasst werden, sonst kommt die Mutter wirklich nicht mehr.“ Viele Jungtiere werden von dem Muttertier auf einer Wiese abgelegt, während die Mutter selbst auf Futtersuche geht. „Besser ist es deshalb, die Kleinen über einen Zeitraum von einigen Stunden zu beobachten“, rät Lindenschmidt. „Wenn sich dann wirklich herausstellt, dass die Mutter nicht mehr kommt, ist in jedem Fall der Jäger zu informieren.“ Wer nämlich ein Wildtier einfach so mitnimmt, macht sich der Wilderei schuldig, klärt sie auf. „Das darf man auf keinen Fall.“

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