Dahn
Die Geschichte der Juden bewahrt: Hohe Ehrung für Otmar Weber

Am Donnerstag wird Otmar Weber eine der höchsten Ehrungen erhalten, die die Bundesrepublik zu vergeben hat: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat ihm das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik verliehen. Geehrt wird der 82-Jährige für seine Verdienste um die Gesellschaft, vor allem im Bereich der Gedenkarbeit, so heißt es in der Begründung – und insbesondere bei der Aufarbeitung der Geschichte des Nationalsozialismus in der Südwestpfalz.
Otmar Webers Antrieb war und ist es, seine Forschungsergebnisse zur Verfolgung der Juden im Wasgau einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Ihre Geschichte soll für andere Generationen wachgehalten werden, die Verjagten und Ermordeten sollen ein ehrendes Gedenken erhalten. „Fremdenfeindlichkeit und Judenhass sollen keine Chance bekommen; das verlangt von uns allen die Zivilcourage“, sagt er.
Auf Umwegen zur Geschichte
Sein Interesse für Geschichte und Religion spiegelt sich in der Wahl seiner Studienfächer wider. Dazu kam er allerdings auf Umwegen. Denn Otmar Weber, im Landkreis Kusel geboren, absolvierte nach dem Besuch der Volksschule zunächst eine Lehre zum Großhandelskaufmann, sammelte nach erfolgreichem Abschluss Berufserfahrungen, entschied sich jedoch für den zweiten Bildungsweg. 1965 legte er in Neuss sein Abitur ab. Anschließend studierte er katholische Theologie, Geschichte und Politik in Mainz und Tübingen, schloss sein Studium mit dem Zweiten Staatsexamen und dem Diplom im Fach Theologie ab. Nach einer kurzen Station am Sebastian-Münster-Gymnasium in Ingelheim unterrichtete er von 1979 bis 2002 am Leibniz-Gymnasium in Pirmasens.
Nach Archivstreit verstärkt geforscht
Schon in den 1970er Jahren besuchte er mit seinen Abiturklassen jüdische Einrichtungen in Prag. Doch der Anlass für seinen verstärkten Einstieg in das Thema datiert im Jahr 1988. Damals wollte er zur 50-jährigen Wiederkehr der Reichspogromnacht einen Bericht über das Geschehen von 1938 verfassen. Dazu wollte er auch in das Archiv der Stadt Dahn, das seit 1985 von der Verbandsgemeinde verwaltet wird. Weber wurde jedoch die Einsicht in die Akten verweigert. Und danach seien die „Judenakten“ verschwunden gewesen, stellt er fest – für ihn ein Anlass, um nachzuforschen. Dabei erhielt er Unterstützung aus der Bevölkerung, vertriebene Juden lieferten ihm zudem Informationen und Unterlagen.
In späteren Jahren habe es dann eine gute Zusammenarbeit mit Verbandsgemeinde und Stadt gegeben, blickt Otmar Weber zurück, etwa mit Wolfgang Bambey und Manfred Schreiner. Mit ihrer Unterstützung wurde eine jährliche Veranstaltung zum 9. November organisiert, die inzwischen von Alexander Waschow weitergeführt wird. Diese Veranstaltungen hatten immer eine bestimmte Opfergruppe, die von den Nationalsozialisten verfolgt wurde, zum Thema.
Otmar Weber hat viele Schicksale von Juden erforscht und dokumentiert, auch ohne Zugang zum Archiv. Dies leistete er durch viele Gespräche mit Zeitzeugen und mit überlebenden Juden. So entstanden ein umfangreiches Archiv und eine Judaica-Sammlung, das heißt mit Gegenständen, die einen Bezug zum jüdischen Leben haben. Beides will er auch der Stadt Dahn zur Verfügung stellen.
„Mit ausgestreckter Hand nach Dahn gekommen“
Ein Höhepunkt war für Otmar Weber ein Heimattreffen 1991, das der Vermittlung von Karl-Heinz Levy zu verdanken war. Für die Beteiligten war es keine einfache Reise in das Land, aus dem ihre Verwandten verjagt und in dem viele ermordet wurden. Karl-Heinz Levy schrieb damals: „Ich komme mit ausgestreckter Hand nach Dahn.“
Otmar Weber ist dankbar und glücklich, dass durch dieses Treffen der Prozess der Versöhnung zwischen den vertriebenen Dahner Juden mit der Heimat begonnen hat. Seit dieser Zeit besuchen deren Kinder und Enkelkinder aus den USA, aus Israel und Frankreich die Heimat ihrer Vorfahren. Schon 1999 bestimmten Karl-Heinz Levy und seine Frau Hannah, dass sie auf dem jüdischen Friedhof Busenberg zwischen den Gräbern der Großeltern beerdigt werden wollen, was später geschah.
Trotz vieler Erfolge in über 30 Jahren Einsatz für Aufklärung: Es gab auch Rückschläge zu verkraften. Anfängliche Anfeindungen im Alltag, die es inzwischen aber nicht mehr gibt. Der Archivstreit und das Verschwinden der „Judenakten“ schmerzen Weber immer noch. Sehr bedauert er außerdem, dass es ihm nicht gelungen ist, die Untere Denkmalbehörde und die Politik zum Erhalt der Mikwe, einem rituellen Reinigungsbad in Busenberg, zu überzeugen. Das Mikwehaus in Privatbesitz wurde im Oktober 2017 abgerissen. Bis zu diesem Datum besaß die Region Dahn als einzige in der Pfalz auf engstem Raum das gesamte jüdische Ambiente: Synagoge, Mikwe und jüdischer Friedhof. Dieses Alleinstellungsmerkmal ging damals verloren.
Trotz „heftiger Widerstände“ weiter geforscht
Für seine Beharrlichkeit und seinen Einsatz wider das Vergessen wird er nun von höchster Stelle ausgezeichnet. Vorgeschlagen dafür hat ihn der pensionierte evangelische Pfarrer Hans-Joachim Heil aus Fischbach. „Ich habe Otmar Weber vorgeschlagen, weil er sich trotz heftiger Widerstände nicht entmutigen ließ, die Verbrechen an den Juden und deren Schicksale aufzudecken“, sagt Heil. Für ihn steht zweifelsfrei fest, dass Otmar Weber der Demokratie und der Versöhnung damit einen wichtigen Dienst geleistet hat. „Durch seinen Einsatz kann jeder erfahren, was damals passierte, und so kann man aus der Geschichte lernen.“
Aufgrund der Pandemie kann Otmar Weber die Auszeichnung nicht in Berlin in Empfang nehmen, sondern erhält sie in Mainz von Minister Konrad Wolf. Am Freitag wird sein Engagement in einer Feierstunde im Dahner Rathaus gewürdigt.