Kreis Südwestpfalz Der Zoll hatte stets ein Auge auf die „Schnapsfabrik“

„Ich habe schon etliche Millionen Liter Schnaps gebrannt“, sagt Wilhelm Jung, der Verschlussbrenner von Wallhalben. Mit dem Ende des Branntweinmonopols zum 30. September 2013 endete seine „hochgeistige“ Beschäftigung (wir berichteten am 6. März 2013). Doch auch nach dem Abriss der „Schnapsfabrik“ wird Jung die ehemalige Gemeinschaftsbrennerei nicht vergessen. Jung erzählt, wie dort 55 Jahre lang aus Kartoffeln und Triticale Rohalkohol hergestellt wurde.

„Im Delirium ist das Leben ein Plesirium.“ Dieses geflügelte Wort war um 1800 in der Westpfalz öfter zu hören. Das Branntweinbrennen aus „Grundbirnen“, wie anfänglich die Kartoffeln bezeichnet wurden, hatte Verbreitung gefunden. Und die Obrigkeit machte sich Sorgen um den Zerfall der Moral. Im Jahr 1814 gab es im Arrondissement Zweibrücken, das zum Departement Donnersberg gehörte, in 52 Gemeinden 131 Brenner. Den Zweiten Weltkrieg überlebte nur die Kartoffelgemeinschaftsbrennerei Gerhardsbrunn, die im Jahr der Reichsgründung 1871 entstand. „Die erste Gemeinschaftsbrennerei nach dem Krieg wurde 1957 in Wallhalben gegründet“, erzählt Wilhelm Jung. „Im Ort gab es drei bestehende Brennereien. Dreimal Schäfer. Die Geschwister beschlossen eines Tages: Wir machen etwas Großes.“ Sie erwarben das Anwesen von Otto Martin in der Landstuhler Straße in Oberhausen. Der durch die Brücke von Wallhalben getrennte Ort war damals noch selbstständig und gehörte zum Kreis Zweibrücken. Das zweistöckige Gebäude mit Brennhaus und Kartoffelkeller entstand weitgehend in Eigenleistung. Die Firma Jakob Carl aus Göppingen baute die Armaturen ein. „Neun Landwirte hatten sich zum gemeinsamen Betreiben der Brennerei zusammengeschlossen“, erinnert sich der 63-Jährige. „Schäfers erwarben Brennrechte von Bauern, die aufhörten. Diese wurden dann aufgeteilt. Am Ende des Zukaufs hatte man ein Jahresbrennrecht von knapp 500 Hektolitern.“ Der Brennbetrieb starte im Februar 1958. Im Januar 1960 wurde die Brennerei von August Bold, dem damaligen Präsidenten der Landwirtschaftskammer der Pfalz, offiziell eingeweiht. Jung arbeitete bereits mit 15 Jahren in der Kartoffelbrennerei. Sein Vater Karl Jung war nach Gustav Schäfer lange Zeit der zweite Vorsitzende der Genossenschaft. Darauf folgten Hans Ritter und zuletzt Fritz Lauer. Die Brennerei sei auf insgesamt 912 Hektar Fläche gekommen. Im Jahr seien über 1000 Hektoliter Alkohol gebrannt worden. Bis zu 10 000 Doppelzentner Kartoffeln habe man dazu benötigt. Sie mussten laut Gesetz aus eigenem Anbau sein. Im Keller konnten bis zu 5000 Doppelzentner gelagert werden. Für die Brennerei wurden spezielle Kartoffeln mit einem Stärkegehalt von 16 bis 20 Prozent angebaut. „Je mehr Stärke, desto mehr Traubenzucker und letztendlich mehr Alkohol“, erklärt der Fachmann. Von Anfang an habe man mit einer gusseisernen Destillierkolonne mit einer Leistung von 800 bis 1000 Litern pro Stunde gearbeitet. Jung: „Als 1974 das Brennrecht aufgestockt wurde, haben wir eine gebrauchte Kolonne mit 2500 bis 3000 Litern Leistung gekauft. Damit wurde gearbeitet bis zum Schluss.“ Gebrannt habe man in der Regel an 220 bis 240 Tagen im Jahr. Am Ende habe man allerdings nur noch 840 Hektoliter gebrannt: Das Jahresbrennrecht war herabgesetzt worden. Die ersten zehn bis 15 Jahre sei in einem eigenen Malzkeller noch Gerste zu Grünmalz verarbeitet worden. Da es sich aber nur wenige Tage aufbewahren ließ, konnte kein größerer Vorrat angelegt werden. „Weil wir zu viel Malz gebraucht hätten, haben wir später dann für die Verzuckerung und Verflüssigung Enzyme verwendet. Ein halber Liter wurde zugesetzt und fertig“, erzählt Jung. Der Kartoffelanbau wurde mit der Zeit immer schwieriger, da unter anderem keine Helfer für die Ernte zu bekommen waren. Ab dem Betriebsjahr 1996/97 durfte Branntwein auch aus „selbstgewonnenem anderem Getreide als Korn“ bis zu einem Anteil von 45 Prozent der Jahreserzeugung hergestellt werden. Dies führte zu einem starken Anbau von Triticale, einer Kreuzung aus Weizen und Roggen. Für die Brennerei bedeutete das, dass ein Schrotmühle angeschafft wurde. Das einfache Kaltmaischverfahren − Maischen bei Verzuckerungstemperatur − hielt Einzug. Gegenüber dem bisherigen Hochdruckdämpfverfahren konnte damit deutlich Energie eingespart werden. „Das Getreide wurde angeliefert, wie es gebraucht wurde. Pro Tag wurden etwa ein bis zwei Tonnen benötigt“, berichtet Jung. An jedem Brenntag seien 8000 Liter Schlempe angefallen. Am Anfang sei laut Gesetz die Abnahme dieses „Abfallprodukts“ Pflicht gewesen. Später konnte man sich vom Verfütterungszwang befreien lassen. Doch auf das besonders für die Wintermonate wertvolle Viehfutter habe keiner verzichten wollen. Mancher Betrieb habe sogar wegen der Schlempe seinen Viehbestand aufgestockt. Knapp 20 Jahre wurde der Agraralkohol in Fässern abgeholt und zur Reinigung in eine Anstalt der Bundesmonopolverwaltung gebracht. Alle zwei bis drei Wochen kamen zwei Beamte vom Zoll nach Wallhalben; mit zwei Genossen erfolgte dann die Übergabe der 16 bis 20 Fässer. Später wurde auf Tankwagen und auf einen Drei-Wochen-Rhythmus umgestellt. Die Lagerkapazität betrug 13 000 Liter. Auch außerplanmäßig tauchten die Kontrolleure in der Verschlussbrennerei auf. Um zu verhindern, dass dem Staat durch Schwarzbrennen Steuern entgingen. Alle Brenngeräte waren mittels Plomben „zollbehördlich verschlossen“. Der Alkohol konnte nur über eine amtlich genehmigte Messuhr entnommen werden. Die Herstellung des Rohalkohols, meist mit einem Alkoholgehalt von 88 Prozent, musste lückenlos im Betriebsbuch protokolliert werden. Im Laufe der Jahre seien auch Bauern aus Hermersberg, Herschberg und Gerhardsbrunn in die Brennerei eingestiegen. Doch irgendwann ging’s rückwärts. „Wie bei den zehn kleinen Negerlein. Am Schluss waren war wir noch fünf Genossen“, resümiert Jung. Der frühere Brenner ist nach dem Wegfall des Branntweinmonopols ausschließlich Landwirt. Seine Aufmerksamkeit gilt nun sieben Milchkühen.

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