Pfalz Visitenkarte, hörbar: Wie Stimmtrainer arbeiten

Abgedunkelt: Die Stimmlagen von Frauen werden seit Jahrzehnten tiefer. Weil im Job eine tiefe Stimme gefragt ist – die strahlt K
Abgedunkelt: Die Stimmlagen von Frauen werden seit Jahrzehnten tiefer. Weil im Job eine tiefe Stimme gefragt ist – die strahlt Kompetenz aus.

Die Stimme offenbart viel von der Persönlichkeit des Sprechers. Und sie kann zum beruflichen Fortkommen beitragen oder es behindern. Stimmtrainer sind da durchaus gefragt, gerade von Berufstätigen, die besser Gehör finden wollen.

Mo, mo, mo“ raunt es durch den Raum, volltönend, wenn auch inhaltlich zunächst ein wenig rätselhaft. Des Rätsels Lösung: Zwölf Menschen testen aus, wie sie stimmlich am besten klingen. Workshop von Andrea Stasche, und das Ziel ist die Stimmoptimierung. Stasche, Stimm-, Sprech- und Kommunikationstrainerin aus Mannheim, ist diplomierte Schauspielerin – und in dem Job sollte man ja wissen, wie man seinen Worten den gewünschten Ausdruck verleiht.

Genau daran hapert es bei den meisten Teilnehmern. Die Folgen kennt wohl jeder aus seiner eigenen Erfahrung. „Ich habe das Gefühl, manchmal kein Gehör zu finden, vor allem in einer Gruppe “, sagt Sonja und empfindet ihre Stimme als zu wenig tragend. Claudia hat ein Problem damit, sich gegen Dauerredner durchzusetzen. Bekannte Probleme also – und zu Corona-Zeiten müssen viele abhängig Beschäftigte nur bis zur letzten Telefonkonferenz zurückdenken, um Beispielfälle zu finden.

Längst nutzen deshalb nicht nur Bühnenkünstler das Training bei einem Profi. „Die meisten meiner Kunden haben beruflich mit Menschen zu tun, darunter viele Führungskräfte“, sagt Stasche. „Viele kommen aus eigenem Antrieb, einige von der Firma aus, in Vorbereitung auf eine höhere Position.“ Entsprechend gefragt sind Stimmtrainer landauf und landab.

„Hörbarer Fingerabdruck“

Weil die Stimme eben so etwas wie eine Visitenkarte ist, in manchen Situationen die erste und entscheidende: „Man hat jemanden am Telefon und entscheidet in Sekundenbruchteilen, ob er einem sympathisch ist oder nicht“, sagt Bettina Baumann aus dem südpfälzischen Herxheim. Baumann selbst hat eine ausgesprochen sympathische Stimme, das fällt schon beim Abhören des Anrufbeantworters auf. Eine gut geschulte zudem – Baumann ist ausgebildete klassische Sängerin, hat unter anderem bei der Sopranistin Edda Moser studiert. Und bietet neben der Gesangsausbildung schon länger auch Stimm- und Sprechtraining an. „Jede Berufssparte braucht Stimmtraining“, sagt sie, und der richtige Einsatz der Stimme, der könne gelernt werden „wie Klavier, wie Englisch oder Deutsch“. Wenn denn erst mal ein Bewusstsein für eine Problemlage da ist.

Manchen Leuten sei es gar nicht bewusst, dass sie nuscheln, zu laut oder zu leise reden, sagt Stasche. Oft reagierten sie überrascht, wenn man es ihnen sage – obwohl man sich mit seiner Stimme ganz direkt offenbart. Die Stimme sei „eine Art hörbarer Fingerabdruck, den es wahrscheinlich nur einmal auf der Welt gibt. Sobald wir den Mund aufmachen, verraten wir viel über uns: Alter, Geschlecht, teils auch die soziale Herkunft, ob wir erkältet sind, unsicher oder emotional bewegt“, so Stasche.

Stimme – das ist ein Zusammenspiel mehrerer physischer Faktoren wie Lunge, Kehlkopf mit den Stimmlippen, Mund- und Rachenraum und Zunge. Aber es sind eben nicht nur körperliche Faktoren, die zum Stimmklang beitragen: „Als Kind schauen wir uns viel von den Eltern ab“, sagt Stasche. „Redet die Mutter mit einer hohen oder sehr leisen Stimme, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die Tochter das übernimmt“, sagt sie.

Baumann hat einige Jahre an einem Herxheimer Gymnasium Stimmunterricht gegeben und sieht einen deutlichen Wandel in der Sprechkultur schon der Kinder: „Die Kids verlernen total zu sprechen“, sagt sie – schon, weil in vielen Familien inzwischen zu wenig kommuniziert werde.

Schlecht: schrill oder piepsig

Das Ergebnis könnte gerade in der Berufswelt zum Problem werden. „Wer da seinen Mann oder seine Frau stehen will, darf nicht piepsig oder schrill klingen, sonst wird er oder sie nicht ernst genommen“, sagt Stasche. Der Wandel der Zeitläufte schlägt sich dabei auch in der Stimme nieder: Laut Untersuchungen der Uni Leipzig sprechen Frauen heute viel tiefer als noch vor 20 Jahren – während Männer ihre Stimmlage behalten haben. Hängt wohl mit der zunehmenden Integration von Frauen in die Arbeitswelt zusammen – und damit, dass tiefe Stimmen dort Kompetenz ausstrahlen. Gerade von Frauen wird Baumann „oft gefragt: Kannst du meine Stimme tiefer machen?“

Einen sauberen Stimmsitz gelte es beim Training zu erarbeiten, daneben die Kunst des drucklosen, nicht gepressten Sprechens zu üben. Letztlich gehe es darum, „das Instrument ressourcenschonend benutzen zu können“, sagt Baumann, als Bühnenkünstlerin lernt man dergleichen.

Im Stasches Seminar stehen derweil erst mal Lockerungsübungen an – weil der lockere Körper besser resoniert. Die Teilnehmer stehen auf, strecken sich von Kopf bis Fuß, wippen in den Knien und lassen die Arme schlenkern. Das Lockern des Kiefers lässt die Gesichtszüge seltsam entgleiten und ist manchem peinlich. „Da müssen alle durch beim Stimmtraining, meint die Trainerin, die neben einer Ministerin schon andere Prominente sowie Mitarbeiter von ARD, ZDF und Lufthansa stimmlich auf Trab gebracht hat.

Die Schultern lockern hilft

Da sich Lockerungsübungen schlecht vor Publikum machen lassen, noch ein kleiner Tipp: Kurzzeitiges Heben und Senken der Schultern soll den gleichen Effekt haben. Auch ein Seufzer der Erleichterung baue Spannung ab. Ein höfliches Gähnen unterstütze obendrein die Weite im Hals und sei stimmhygienisch wichtig. Wie bei vielem im Leben komme es auch beim Sprechen auf die Haltung an. „Eine aufrechte Haltung, selbst im Sitzen, lässt die Stimme voller klingen, als eine zusammengesunkene Position. Denn sie erleichtert die Atmung, idealerweise durch den Bauch, und die spielt stimmlich eine große Rolle“, sagt Stasche. Es sei wichtig, „den Body wieder sprechen zu lassen“, sagt Baumann – also mit dem Körper und dem Instrument Stimme zu arbeiten statt gegen sie.

Was im Übrigen schon für die richtige Stimmlage gilt. Um ihr auf die Spur zu kommen, müssen Stasches Schüler ein zustimmendes „Mmhmm“ anstimmen, das durch ein gelangweiltes „Ja, ja, jaa“ abgelöst und auf unterschiedliche Weise wiederholt wird. Tatsächlich klingen die „Jaas“ nach einer Weile tiefer, die eigene, natürliche Stimmlage ist entdeckt. Daneben sei eine ausgeprägte, abwechslungsreiche Sprechmelodie gefragt, um die Zuhörer bei der Stange zu halten, meint Stasche. Allerdings ohne zu übertreiben, sonst gehe es auf Kosten der Glaubwürdigkeit. Stimmtraining kann eben auch eine Rückkehr zur Natur sein, der eigenen nämlich. „Und reden Sie bloß nicht zu schnell. Wenn die Informationsdichte zu hoch ist, können die Zuhörer nicht mehr folgen und schalten ab“, sagt Stasche.

Grundkenntnisse in angewandter Akustik sind daneben sicher hilfreich, Sängerin Baumann versucht sie zu vermitteln: Gerade Lehrer, regelmäßige Besucher ihrer Trainingsstunden, seien „oft nicht in der Lage, so zu sprechen, dass es einen Raum ausfüllt“, sagt Baumann. Wichtig ist also nicht nur, was man sagt und wie man’s sagt – sondern auch wohin.

Verzögerungslaute vermeiden

Und das Ganze dann auch noch recht flüssig bitte: Verzögerungslaute der Sorte „äh“ à la Franz Beckenbauer oder Boris Becker sollten unbedingt vermieden werden, meint Stasche. Das gelte auch für eine typisch weibliche Eigenart, mit der Stimme am Satzende nach oben zu gehen, selbst wenn es sich nicht um eine Frage handelt. „Das signalisiert Unsicherheit“, sagt Stasche – und die versucht das Stimmtraining eben zu überwinden.

„Um so weit zu sein, muss ich wohl noch ein bisschen üben“, meint Workshop-Teilnehmerin Heidi, der es um mehr stimmliche Durchsetzungskraft geht, da sie in einer Männerdomäne arbeitet. „Aber ich habe an diesem Tag viel an die Hand bekommen, was ich nutzen kann.“ Der Meinung sind auch die anderen Teilnehmer an Stasches Workshop, so unterschiedlich ihre Anliegen auch sind. Ein geschützter Beruf ist Stimmtrainer im Übrigen nicht. Baumann rät Ratsuchenden, bei der Auswahl erst einmal ein oder zwei Probestunden zu buchen, um zu sehen, ob’s passt.

Und um noch mit einem Vorurteil aufzuräumen: Lautstärke gehöre nicht zwingend zu gutem Sprechen, meint Baumann. Dafür gibt’s ja auch andere Artikulationsgelegenheiten als das Gespräch bei der Mittagspause oder die Telefonkonferenz: Baumann bringt unter anderem Heavy-Metal-Sängern das richtige Schreien bei. Will nämlich auch gelernt sein.

Unter Mitarbeit von Daniel Krauser

x