Kreis Südliche Weinstraße Streit um Stolpersteine
Schon vor über einem Jahr hatte der Stadtrat Annweiler beschlossen, dass es auch in der Trifelsstadt eine Stolperstein-Aktion geben soll, mit der in der NS-Zeit ermordete Juden gedacht wird. Anvisiertes Datum damals: August 2013. Doch bisher hat sich nichts getan. Vordergründig. Im Hintergrund laufen die Recherchen und ist ein Disput zwischen der Stadt und Manfred Peters, Sohn eines in der Nazi-Zeit in Annweiler tätigen Bürgermeisters, entbrannt.
Die Stadt wollte die Stolperstein-Aktion, bei der der Kölner Künstler Gunter Demnig Gedenktafeln aus Messing vor dem letzten selbstgewählten Wohnort der NS-Opfer ins Trottoir einlässt, eigentlich in die für August 2013 geplante Ausstellung „Annweiler unterm Hakenkreuz“ einbetten. Diese ist nun seit 5. April im Museum unterm Trifels zu sehen. Doch von Stolpersteinen fehlt bislang jede Spur. „Der Stadt ist sehr daran gelegen, diese Aktion durchzuführen“, erklärt Stadtbürgermeister Thomas Wollenweber (SPD). Allerdings seien die Vorbereitungen umfangreich und hätten Schwierigkeiten offenbart. Museumsleiter Hans-Joachim Kölsch und Archivar Rolf Übel arbeiteten derzeit die Geschichte der jüdischen Familien auf. Nach Stand der Recherchen lebten die Familien David, Levy, Samuel, Mansbach und Michel zur damaligen Zeit in Annweiler, so Wollenweber. Vier jüdische Bürger aus Annweiler seien mit Sicherheit deportiert und ermordet worden. Allerdings nicht von Annweiler aus. Manche Familien seien in die USA emigriert. Andere zunächst an einen anderen Ort wie Mainz oder Darmstadt gezogen, bevor Familienmitglieder deportiert wurden. Er zitiert eine Überschrift aus dem „Annweiler Tageblatt“ vom 12. November 1938: „Annweiler ist judenfrei.“ Problematisch für die Stolperstein-Verlegung sei dies, da die Aktion nach der Richtlinie verfahre, wonach die Gedenktafel an der letzten selbstgewählten Anschrift verlegt werden sollten, so Wollenweber. „Wenn man diese Norm streng auslegt, gibt es keine Familie in Annweiler, auf die dies zutrifft.“ Deswegen werde nun genau recherchiert. „Bei diesem sensiblen Thema wollen wir nichts übers Knie brechen.“ Die Sache übers Knie gebrochen hat nach Wollenwebers Ansicht dagegen Manfred Peters, der nach eigener Aussage schon vor dreieinhalb Jahren bei Wollenweber die Stolperstein-Aktion angeregt hat und nicht müde wird, bei jeder Gelegenheit darauf hinzuweisen, dass die Stadt Annweiler seiner Meinung ihre Nazi-Vergangenheit unzureichend aufarbeite. Etliche E-Mails später das Resultat: Peters habe ihm mitgeteilt, mit Demnig Kontakt aufgenommen und einen Termin für die Stolperstein-Verlegung in Annweiler für August 2014 ausgemacht zu haben, während dieser gerade eine Tour durch die Region mache, berichtet Wollenweber. „Da ist mir fast der Kragen geplatzt“, fasst der Stadtchef seine Gemütslage über diese „eigenmächtige Auftragsvergabe“ zusammen. Ob die Bestimmungen die Verlegung überhaupt zulassen, sei noch nicht klar, der Anspruch müsse zudem erst mit den Zuzugsorten abgeklärt werden. Außerdem brauche man für die Verlegung eine Baugenehmigung. Peters gesteht ein, dass sein Vorgehen „kühn“ war, letztendlich könne die Aktion ja nicht ohne Zustimmung der Stadt und des Bauamts ausgeführt werden, ist auch ihm klar. Aber nachdem der Stadtrat die Aktion beschlossen hatte und er nichts weiter davon hörte, habe er sich gedacht, jetzt selbst tätig zu werden und Demnig angeschrieben, seine Familiengeschichte geschildert und seine damaligen Rechercheergebnisse zu den jüdischen Familien aus Annweiler vorgelegt. Dieser habe geantwortet, dass er gerne zur Verlegung komme. Wenn Demnig Bedenken gehabt hätte, hätte er doch der Aktion in Annweiler nicht zugestimmt, war Peters Ansicht, der sogar bereit ist, alle Steine zu bezahlen. Auch zu Übel und Kölsch habe er den Kontakt gesucht. Als ihm mit neuen Daten zu den Familien dann aber doch klar geworden sei, dass die Verlegung nicht so einfach sei, sei er „erschrocken“ und habe die Aktion bei Demnig abgesagt – zumal die Differenzen mit Wollenweber hinzukommen seien. Dennoch findet er, dass Wollenwebers Beharren auf den Richtlinien eine „Ausrede“ sei. Denn diese seien eine Empfehlung, keine Bestimmung. „Die Stolpersteine sollen möglichst vor der letzten selbst gewählten Wohnadresse liegen (...) Ausnahmen sind möglich, müssen jedoch im Einzelnen besprochen werden“, heißt es da. „Ich glaube nicht, dass es daran liegt, Demnig hat ja keine Absage erteilt. Die wollen nicht, dass ich etwas damit zu tun habe, für die bin ich ein rotes Tuch“, so empfindet es Peters. Im Moment herrscht Funkstille zwischen den beiden Parteien: Wollenweber ist nach Peters „Alleingang“ nicht mehr bereit, mit ihm zu kommunizieren. „Wir wollen das Projekt in aller Sensibilität durchführen. Hier geht Korrektheit über Aktionismus.“ Wann die Recherchen abgeschlossen sein werden, sei noch nicht klar. Ziel: schnellst möglich. (höj)