Edenkoben Südpfälzer entwickelt aus Kastanienblättern Keuchhustensaft

Seit 1933 gibt es in Deutschland einen Impfstoff gegen Keuchhusten.
Seit 1933 gibt es in Deutschland einen Impfstoff gegen Keuchhusten.

Derzeit bestehen erhebliche Lieferengpässe bei Medikamenten. Mangelte es kürzlich noch an Fieber- und Hustensäften, sind derzeit Antibiotika nicht erhältlich. Vor 150 Jahren entwickelte ein Südpfälzer Apotheker aus der Edelkastanie ein wirksames Mittel gegen den Keuchhusten.

Keuchhusten war früher eine Geißel und wurde lange nicht als eigenständige Krankheit erkannt. Vor allem bei Kleinkindern konnte der „Würgeengel“, wie die Erkrankung auch genannt wurde, zu Atemstillstand und Tod führen. Sie war lange die häufigste Todesursache bei Kindern. So starben 1869 innerhalb von zwölf Tagen die vier Kinder des Pastors Friedrich von Bodelschwing und seiner Ehefrau Ida an dieser Erkrankung.

Erst 1906 entdeckten die belgischen Bakteriologen Octave Gengou und Jules Bordet den Erreger, der nach Letzterem „Bordetella pertussis“ benannt wurde. Die Suche nach Impfstoffen begann Anfang des 20. Jahrhunderts. 1933 gab es in Deutschland erstmals eine Impfung gegen Keuchhusten, der heute eine meldepflichtige Krankheit ist.

Ein Hoffnungsträger aus der Südpfalz

Karl Wilhelm Schmidt-Achert, 1841 in Karlsruhe geboren, studierte an den Universitäten Würzburg und Freiburg Pharmazie und promovierte anschließend. Zur Vorbereitung auf seinen späteren Beruf widmete er sich auch botanischen und biologischen Studien. Am Fresenius-Institut in Wiesbaden vertiefte er seine Kenntnisse in der praktischen Chemie. 1867 übernahm Schmidt-Achert die Untere Apotheke in der Edenkobener Tanzstraße und baute sich einen beachtlichen Kundenstamm auf. Dazu gehörten auch noble Gäste auf dem Schloss Villa Ludwigshöhe.

Bald wurde Schmidt-Achert über die Heimatregion hinaus bekannt, durch neuartige Konstruktionen von Hilfswerkzeugen für die pharmazeutische Praxis. Darüber hinaus war der Apotheker ein Naturliebhaber. Er engagierte sich im Verschönerungsverein Edenkoben, der sich um Denkmäler, den Bau von Wanderwegen und die Natur der Region kümmerte. Vor allem die Edelkastanienwälder weckten sein Interesse. Ob die Edelkastanie auch pharmazeutische Qualitäten in sich trägt, fragte er sich.

Anerkennung für Entwicklung des Wirkstoffs

1873 gelang ihm der Durchbruch: Aus dem jungen Edelkastanienlaub extrahierte er einen Wirkstoff gegen den Keuchhusten. Er ließ das Produkt als „Dr. Schmidt-Acherts Keuchhustensaft Castanin“ patentieren. Das Mittel schlug gut an, denn es wurde reichlich und über Jahrzehnte hinweg verkauft. Dabei blieben auch Anerkennungen und Ehrungen nicht aus. Der Keuchhustensaft Castanin wurde vom Landwirtschaftlichen Verein Bayern prämiert, auf dem Weinbau-Congress 1875 in Colmar erhielt das Produkt eine Anerkennung und seinem Erfinder wurde die Verdienstmedaille der Landwirtschaft verliehen.

Wie Schmidt-Acherts Sohn Erwin 1937 berichtete, war sein Vater auch Sekretär der Gesellschaft für Pharmazeutische Technik und Grundwissenschaften und gründete und verwaltete für das Apothekergremium der Pfalz eine Fachbibliothek, die später von der Pollichia in Bad Dürkheim übernommen wurde. Auch in Sachen Rebenschutz, Weinbehandlung und Kellerwirtschaft war der Edenkobener ein vielbeachteter Fachmann. Aber dies wäre eine andere Geschichte. Schmidt-Achert starb am 12. Mai 1895 in Edenkoben.

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