Kreis Südliche Weinstraße Eine Pflanze, die Gemüter spaltet

Die Goldrute mit ihrer Doldentraube blüht von Anfang August bis Oktober, wie der Agrarwissenschaftler Jochen Leidel erklärt.
Die Goldrute mit ihrer Doldentraube blüht von Anfang August bis Oktober, wie der Agrarwissenschaftler Jochen Leidel erklärt.

Im Mittelalter sagte man ihr Zauberkräfte nach, heute wird sie als Heilpflanze genutzt: die Kanadische Goldrute. Im Zweiten Weltkrieg machte sich das gelbe Gewächs in Deutschland breit. Sie ist als Zierpflanze beliebt und Futter für Bienen. Doch wer die Goldrute nicht im heimischen Garten haben möchte, muss die Pflanze tief an den Wurzeln anpacken.

Neophyten genießen hierzulande einen zweifelhaften Ruf, sind sie doch nicht von Natur aus in Europa heimisch. Man sagt ihnen nach, sie würden die einheimischen Pflanzen verdrängen und sich breit machen, ohne dass man sie angesiedelt hat. Dabei ist man sich durchaus auch ihrer Schönheit bewusst. Zu den Leuchtpunkten in unseren Gärten gehört zweifellos die Kanadische Goldrute. Sie erstrahlt in Goldgelb und lässt ähnlich wie die Sonnenblume beim Betrachter allein durch ihre Färbung einen stimmungsaufheiternden Effekt entstehen.

Als die Goldrute sich breitmachte

Der Agrarwissenschaftler Jochen Leidel aus Godramstein kann viel über diese invasive Pflanze erzählen: Eingeführt wurde sie Mitte des 17. Jahrhunderts in England aus Nordamerika – daher der Name – und kam etwa zur gleichen Zeit nach Deutschland, da sie in Gärten hübsch anzusehen war. Der invasive Charakter der Goldrute kam erst nach dem Zweiten Weltkrieg in Erscheinung: Sie begann sich auf zerstörten Trümmerflächen auszubreiten. Brachland, das nicht bewirtschaftet war, wurde bald zum bevorzugten Standort für die Goldrute. Ihr Vorteil: Sie kommt mit allen Bodenarten zurecht und ist anspruchslos. Eine Ausnahme bildet die Staunässe. Laut Leidel sind Wiesen, auf denen Störche wegen der Feuchtigkeit Nahrung finden, wie bei Offenbach oder Queichhambach, kein idealer Standort für die Goldrute. Man sieht sie bei hohem Grundwasserspiegel nicht, während gegenüber auf der anderen Straßenseite bei Albersweiler in hügeligem Gelände die Standortbedingungen wiederum ideal sind. Wo die Goldrute wächst, so der Biologe, findet keine Sukzession statt. Das bedeutet, es verbreiten sich keine Gehölze und die Landschaft verbuscht nicht. Schafe, die oft gegen die Verbuschung der Landschaft eingesetzt werden, verschmähen die goldgelbe Prachtpflanze, während Ziegen durchaus Gefallen an ihr finden, allerdings nur an den jungen Pflänzchen.

Eigenschaften der Goldrute

Die Goldrute mit ihrer Doldentraube blüht von Anfang August bis Oktober. Als Bienenweide eingeführt (die Kanadische), als Zierpflanze bewusst vermehrt (die echte, also kein Neophyt) erscheint sie uns heute meist als Hybride – und davon soll es 100 Arten geben. Die Kanadische, die echte und die Riesengoldrute haben sich durch Kreuzungen auf diese Weise verbreitet. Nur die echte Goldrute ist belaubt, die anderen haben keine Blätter an den Stängeln. Schon damals haben die Engländer diese Pflanze für schöne rustikale Blumenarrangements genutzt, allerdings muss man sagen, dass, ähnlich wie bei der Sonnenblume, der gelbe Blütenstaub auf weißen Tischdecken nicht beliebt ist. Hier handelt es sich zwar nicht um feinen Staub, der eine unschöne Hinterlassenschaft bildet, sondern um „Pappi“, also Blütenteile. Der Negativeffekt ist der gleiche. So züchtete man eigens für Floristen in Holland eine Goldrutensorte, die still in der Vase vor sich hinblüht und die ganze Aufmerksamkeit des Betrachters genießt.

Gut bei Nieren- und Knochenleiden

Außer der ästhetischen Komponente besitzt die Goldrute eine weitere gute Eigenschaft, ist ihr doch seit dem Mittelalter eine Heilwirkung zuzuschreiben. Solidago virgaurea (so wurde sie von dem Naturforscher Carl von Lenné, der auch die Bezeichnungen „weiblich“ und „männlich“ einführte, bezeichnet): „Ich mache gesund mit meinem goldfarbenen Zweig“. Als Tee, der zwar bitter schmeckt, ist sie harntreibend und bei Blasen- und Nierenleiden erfolgreich einsetzbar. Als Aufschläge kann man sie bei Wunden und Flechten verwenden. Ähnlich wie Beinwell soll sie Muskel – und Knochenbeschwerden lindern, was jedoch wissenschaftlich nicht nachweisbar ist.

Ausgraben hilft

Wenn die Goldrute blüht, fliegen keine Pollen, denn sie ist kein Windbestäuber. Als Insektenbestäuber gewinnt sie an ökologischer Bedeutung, denn tatsächlich dient sie vielen Bienen, Hummeln und Faltern als Nahrungspflanze. Deshalb erscheint es als fragwürdig, dass Goldrutengegner eine allergene Wirkung nennen, obwohl keine Pollen fliegen. In den 70er und 80er Jahren wurde die Goldrute intensiv bekämpft. Bei Schrebergartenvereinen setzte man in die Satzung ein Anpflanzungsverbot. In Gartenratgebern steht zu lesen, dass man sie nach der Blüte abschneiden solle, um eine Aussamung zu verhindern. Tatsächlich sind bei diesem Lichtkeimer nur zwei Prozent der Samen keimfähig. Die Vermehrung erfolgt vielmehr über die Wurzeln und damit gehört die Goldrute zu den polykormen Pflanzen, die sich durch Ausläufer, in diesem Fall pro Quadratmeter bis 300 Stielen vermehren. Dieser aggressive Ausbreitungstrieb lässt sich nur durch Ausgraben im Zaum halten.

Zauberkräfte?

Kleine Züchtungen bis 60 cm Wuchshöhe sind für Gärten gut geeignet, denn sie verdrängen keine anderen Pflanzen, während die am meisten vorkommenden Hybriden 180 cm groß werden und durchaus Verdrängungscharakter besitzen. Wer die Goldrute nicht mag und Jahr für Jahr den Kampf mit ihr aufnimmt, sollte sich vielleicht bewusst werden, dass man das gelbe Gewächs im Mittelalter sogar als Zauberpflanze einsetzte und ihr übernatürliche Kräfte zuschrieb. So soll sie als Wünschelrute zum Einsatz gekommen sein, um verborgene Goldschätze aufzuspüren. Es ist nicht bekannt, ob man jemals damit Erfolg hatte, bemerkt Leidel schmunzelnd mit einem Augenzwinkern.

Zur Serie

Sie sind gekommen, um zu bleiben. Auch wenn das nicht in jedem Fall auf Gegenliebe stößt. Neophyten sind Pflanzenarten, die meist aus anderen Kontinenten eingeschleppt wurden, ob nun absichtlich oder zufällig. Invasive Arten breiten sich in der Natur so stark aus, dass sie für heimische Pflanzenarten zur Bedrohung werden. Manche können sogar für Mensch und Tier schädlich sein. Aber es gibt auch Einwanderer, die sich als nützlich herausstellen. In unserer neuen Serie „Eingewandert“ stellen wir Ihnen in loser Folge Neophyten vor, die in der Südpfalz vorkommen.

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