Kreis Südliche Weinstraße „Das halte ich für verfassungswidrig“
«Pleisweiler-Oberhofen.» „Kürzen Sie ihre private Stromrechnung, die Haushalte subventionieren die Industrie, das ist verfassungswidrig“ – das hatte Peter Becker kürzlich betont. Der promovierte Jurist ist spezialisiert auf Energierecht und war Redner bei den Pleisweiler Gesprächen zum Thema dezentrale, demokratische Energieversorgung. Die RHEINPFALZ hat nachgefragt, was er damit meint.
„Der Strom kostet derzeit rund vier Cent an der Strombörse“, sagt Christian Müller, Geschäftsführer der Stadtwerke Bad Bergzabern. Der größte Teil der Rechnung bestehe aus Steuern und Umlagen. Dazu zähle die Umlage aus dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), mit welcher der Ausbau erneuerbarer Energien finanziert wird. In diesem Jahr beträgt die EEG-Umlage 6,79 Cent pro Kilowattstunde, wie die Bundesnetzagentur auf ihrer Homepage mitteilt. Doch es gibt Ausnahmen: Große Unternehmen, die sehr viel Strom benötigen, können von dieser Umlage befreit werden. „Die stromintensive Industrie muss keine EEG-Umlage zahlen, dieser Betrag, 2015 waren es 4,8 Milliarden Euro, wird auf die privaten Haushalte umgelegt, die damit die Industrie subventionieren. Das halte ich für verfassungswidrig“, erklärt Peter Becker auf Nachfrage der RHEINPFALZ. Sein Tipp ist, die private Stromrechnung um den Betrag zu kürzen, der von den nicht zahlenden Unternehmen auf die Haushalte umgelegt wird. Die Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz in Mainz beziffert diesen Betrag auf Nachfrage der RHEINPFALZ mit 1,57 Cent pro Kilowattstunde. Bei einem Durchschnittsverbrauch pro Haushalt von 3500 Kilowattstunden wären das 65 Euro brutto. „Geben sie auf der Überweisung die Höhe der Kürzung mit dem Vermerk verfassungswidrig an“, sagt Becker, der mit eine der größten Kanzleien für Energierecht in Deutschland gegründet hat. Die Lasten zur Finanzierung der Energiewende seien ungleich verteilt, sagt auch die Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. Der Anteil der Privathaushalte am Gesamtstromverbrauch liege in Deutschland bei etwa 25 Prozent. „Die Lasten wurden immer weiter zu den Privathaushalten und den kleinen Unternehmen verschoben“, heißt es in einem Positionspapier der Institution. „Es gibt namhafte Energiejuristen, die die Verfassungskonformität des EEG anzweifeln, wenn es um die Ausnahmen für die stromintensive Industrie geht“, sagt der Energiereferent der Verbraucherzentrale, Hans Weinreuter. Es sei aber nicht die Aufgabe der Verbraucherzentrale, diese Konformität zu beurteilen, da es sich nicht um Verbraucherrecht handle. Sollten Privatkunden den Anteil aus der EEG-Umlage streichen wollen, empfiehlt der Fachmann auf jeden Fall eine Rechtsschutzversicherung, falls das Unternehmen dagegen Klage einreichen sollte. Becker hält Klagen gegen Privathaushalte für eher unwahrscheinlich. Er kenne einen Verband, der einen Betrag von 15.000 Euro aus seiner Stromrechnung gestrichen habe. Der Netzbetreiber habe zwar „Drohbriefe“ geschrieben, ansonsten sei in den vergangenen zwei Jahren aber nichts passiert. Zielführend für den Schutz der Verbraucher fände es Weinreuter, wenn Unternehmen, die nicht unter die Ausnahmeregelung fallen, eine Klage wegen Ungleichbehandlung anstreben würden. Von den Pfalzwerken gibt es keine Antwort auf die Fragen der RHEINPFALZ, ob und in welchem Umfang das Unternehmen umlagebefreite Kunden beliefert und wie es reagieren würde, wenn ein Endverbraucher Klage gegen die Umlage erheben würde. Die Pfalzwerke dürften keine Auskunft zu Kunden und deren Vertragsverhältnissen geben, teilt das Unternehmen mit.